Industrie 4.0 muss wirtschaftlich sein

Nur etwa die Hälfte der Produktionsprozesse ist laut dem Industrie 4.0 Barometer 2023 automatisiert. Foto: MHP

Unklare Rentabilität hemmt laut einer neuen Studie den Fortschritt bei der Digitalisierung und Automatisierung in Industrieunternehmen. Außerdem gebe es Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit.

Laut dem „Industrie 4.0 Barometer“, einer Studie, die von der Management- und IT-Beratung MHP und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstellt wurde, sind nur 50 Prozent der Produktionsprozesse automatisiert. Mehr als die Hälfte der Unternehmen der befragten 899 Industrieunternehmen setzt sich nicht mit den Potenzialen und Möglichkeiten der Industrie 4.0 auseinander oder sieht sie als nicht zielführend an.

Für zwei Drittel der befragten Unternehmen ist laut der Studie die Unsicherheit beim Return on Investment (ROI) das ausschlaggebende Argument für ein mangelndes Engagement bei der Digitalisierung und Automatisierung. Durch einen extremen Fokus auf Wirtschaftlichkeit würden die Unternehmen aus Sicht der Studienautoren gelähmt. Nur die wenigsten seien bereit, die notwendigen Ressourcen aufzubringen, um langfristig und zukunftsorientiert zu investieren.

„Unternehmen haben zwar aus den vergangenen Krisen gelernt – insbesondere in Bezug auf Lieferengpässe – und können mittlerweile durch erfolgreiche Implementierung von Industrie 4.0-Technologien ihre Produkte über die gesamte Supply Chain deutlich besser orten. Es fehlen jedoch nach wie vor ganzheitliche Vernetzungen des Shopfloors“, sagt Dr. Walter Heibey, Partner bei MHP. Ein Grund dafür sei, dass durch den Fokus auf Wirtschaftlichkeit Investitionen in ganzheitliche Automatisierungslösungen vernachlässigt und mehrheitlich nur Insellösungen umgesetzt würden. Das gelte insbesondere bei der Digitalisierung des Shopfloors. Eine der größten Hürden bei der Realisierung einer ganzheitlichen Vernetzung des Shopfloors sei die unklare Rentabilität der in Frage kommenden Industrie 4.0-Technologien. Die größte Wirkungsfähigkeit sprechen die befragten Unternehmen zwei Technologien zu: dem autonomen Transport (43 Prozent) und der Künstlichen Intelligenz (39 Prozent).

Wenig überraschend: Auch der Fachkräftemangel wird von den befragten Unternehmen als Hemmnis bei der Implementierung von Industrie 4.0-Technologien genannt.

Wirtschaftlichkeit hat Vorrang

Wirtschaftlichkeit hat laut den Studienergebnissen Vorrang vor Qualitäts-, Flexibilitäts- und Effizienzsteigerungen. Auch beim Thema Nachhaltigkeit stehe der Effizienzgedanke im Vordergrund. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen gibt an, Projekte oder Prozesse weiterlaufen zu lassen, auch wenn diese nicht im Einklang mit den unternehmerischen Nachhaltigkeitszielen stehen. Bezüglich der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) Reduce, Reuse, Recycling, Redesign und Refurbish steht bei 67 Prozent das Reduce-Prinzip im Vordergrund – also der Senkung von Energie- und Materialverbrauch sowie von Abfallmengen.

Im internationalen Ländervergleich stehen laut der Studie das Vereinigte Königreich und die USA an vorderster Position beim Streben nach Nachhaltigkeit. Mit großem Abstand folgt der DACH-Raum. Hier bestehe noch wesentlicher Nachholbedarf bei Themen wie der Kreislaufwirtschaft. Weiter abgeschlagen sind die chinesischen Unternehmen: Hier spielen viele nachhaltige Strategien eine untergeordnete Rolle. Dennoch könne man auch dort beobachten, dass Unternehmen anfangen, sich für nachhaltige Lösungen zu interessieren. Das zeige sich in der bewussten Vermeidung von Externalitäten wie Lärm und Luftverschmutzung, letztlich ausgelöst auch durch gesetzliche Vorgaben.

Das Industrie 4.0 Barometer 2023 hält für alle untersuchten Regionen fest: 46 Prozent aller Unternehmen haben Umwelt- und Klimaschutz als zentrales strategisches Ziel definiert und konkrete Zielvorgaben abgeleitet. Bei mehr als der Hälfte aller Unternehmen gibt es eine Organisationseinheit oder ein Gremium, das sich mit Nachhaltigkeit befasst und dem mindestens ein Mitglied des Top Managements angehört. 40 Prozent der Befragten empfinden die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele als wirksam. Nur 18 Prozent sagen, dass die Ziele nicht wirksam sind.

red.