Hätte jeder von uns die freie Wahl zwischen einem Auto mit Elektro- und einem mit Verbrennungsmotor, würden sich bestimmt die meisten für ersteren entscheiden. Wären da nicht Schönheitsfehler wie ungenügende Reichweite, hoher Preis und ausbaufähige Ladeinfrastruktur.
Wenn Sie den Begriff Elektroauto hören, woran denken Sie dann? An Tesla – richtig? Kein Wunder, ist doch das amerikanische Unternehmen 2003 eigens mit dem Ziel aus der Taufe gehoben worden, einem breiten Publikum das Umsteigen auf eine nachhaltige Alternative zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu ermöglichen. Mit seinem Roadster – einem schnittigen Sportwagen mit 350 Kilometern Reichweite – gilt Tesla als Pionier in der Sparte „autobahnfähiges, für längere Strecken geeignetes Elektroauto“. Doch selbst, wenn dieses batteriebetriebene Gefährt den Ästhetik- und Praxistauglichkeitstest besteht, bleibt immer noch der stolze Preis von mehr als 100.000 Euro. Für Otto-Normalverbraucher nicht unbedingt problemlos finanzierbar – wie allgemein Elektrofahrzeuge. Trotz Kaufprämie der Bundesregierung von 4.000 Euro ist vielen der Betrag für die Stromer von BMW, Renault, Nissan und Co. immer noch zu hoch.
Wie sich dieser zusammensetzt, weiß Ansgar Meroth, Professor im Studiengang Automotive Systems Engineering an der Hochschule Heilbronn: Für einen Elektromotor müsse man 30 Euro pro Kilowatt rechnen, also kostet die Herstellung eines 50-Kilowatt-Motors – das entspricht 67 PS – 1500 Euro. Die Batterie schlage mit 120 bis 150 Euro pro Kilowattstunde zu Buche, sprich, 4500 Euro für den Produzenten. Insgesamt kostet der Antrieb demnach 6000 Euro. „Um damit Geld zu verdienen – abzüglich Vertriebs-, Entwicklungs- und Verwaltungskosten sowie Abschreibung der Anlagen –, muss der Hersteller diese 6000 Euro mit dem Faktor 1,7 multiplizieren“, erklärt Meroth. Für den Kunden heißt das: 10.200 Euro lediglich für den E-Antrieb.
„Ein Diesel mit Abgasnachbehandlung kostet etwa 4.000 Euro, also für den Kunden 6800“, vergleicht der Professor. Solange die Komponenten nicht günstiger werden, bleibe diese Differenz bestehen. Auf der anderen Seite könne die Produktion nicht von heute auf morgen komplett auf E-Autos umgestellt werden, so Meroth. Tesla fahre zum Beispiel seit Jahren rote Zahlen ein, aber das störe niemanden, da es sich um das Geld von CEO Elon Musk handelt. „Bei VW oder Daimler würden die Aktionäre ganz schön schreien“, ist sich der Experte sicher. Dazu komme, dass eine fünfstellige Zahl von Mitarbeitern allein bei Bosch im Bereich Motorentechnik sitzt. „Diese Leute kann man weder rauswerfen noch bis übermorgen umschulen.“
Herausforderung Ladesäulen
Angenommen, mehr Verbraucher würden für ein emissionsfreies Vehikel tiefer in die Tasche greifen. Das Manko Ladeinfrastruktur ist nicht von der Hand zu weisen. Thomas-Peter Müller, Geschäftsführer der Netzwerkgesellschaft Heilbronn-Franken, prognostiziert, dass 2020 bis zu 4.000 E-Autos in Heilbronn zugelassen sein werden. 2012 rollten gerade mal 250 Elektro- und Hybridfahrzeuge auf den Straßen des Oberzentrums. Zurzeit gibt es an mehr als 40 Standorten im Stadt- und Landkreis Heilbronn Ladestationen für E-Bikes und -Autos. Klar ist, dass die Herausforderung des Ladesäulendefizits pragmatisch angegangen werden muss. „Es ist wichtig, dass Parkplätze mit Lademöglichkeit – beispielsweise in der Innenstadt, in Parkhäusern, nahe Bahnhöfen und vor Supermärkten – bestehen“, findet Müller. Hier seien Land, Städte und Gemeinden, aber auch Unternehmen gefragt.
Mit gutem Beispiel voran geht dabei die Schwarz-Gruppe: Sowohl Kaufland als auch Lidl bieten Schnell- und Normalladestationen für ihre Kunden – in Heilbronn, Offenau, Neckarsulm und Ilsfeld. Die Stationen werden von der Schwarz Gruppe selbst betrieben und mit Grünstrom versorgt. Der Einkauf soll mit dem Tanken verbunden werden können, so die Meinung des Discounters Lidl. Kauflands Unternehmenssprecherin Andrea Kübler ergänzt: „Der zukünftige Ausbau von Ladestationen hängt von der weiteren Nachfrage nach E-Autos und dem damit verbundenen Bedarf nach Ladesäulen ab.“
Auch die ZEAG Energie AG hat bereits vor Jahren 17 Ladestationen im Heilbronner Raum auf eigene Rechnung installiert. Aufgrund einer Ladesäulenverordnung von 2016 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie muss nun ein anderes Konzept her. Denn während bislang der Fokus auf Ladestationen mit etwa drei Kilowatt Abgabeleistung auf Basis von Schutzkontaktsteckern lag, wird das neue Netzwerk auf ein deutlich höheres Volumen mit adäquaten Kabeln und Steckern ausgelegt. Durch eine intelligente Steuerung für ein abgestimmtes Lastmanagement sollen außerdem die Kosten für das Netz und die Transformatoren überschaubar bleiben.
Olga Lechmann