Die Marktforschungsagentur Mintel hat die globalen Verpackungstrends für 2023 untersucht. Experte Benjamin Punchard erklärt, wieso die Verpackungsbranche neben Transparenz auf die Wiederverwertbarkeit von Kunststoffverpackungen achten sollte.
Kurz und knapp: Was sind die drei wichtigsten Verpackungstrends 2023?
Benjamin Punchard: Die Entwicklung hin zu einer hundertprozentigen Wiederverwendbarkeit von Kunststoffverpackungen und die zunehmende Integration von recyceltem Material. Der Einzug von Nachfülllösungen der „Öko“-Marken in den Mainstream. Die rasche Verbreitung von künstlicher Intelligenz mit den entsprechenden Möglichkeiten zur Unterstützung der Materialoptimierung, Wartungsarbeiten und Qualitätskontrolle.
Und wo stoßen Verpackungsunternehmen aktuell auf Herausforderungen und Hürden?
Punchard: Eine der zentralen Herausforderungen für Verpackungsunternehmen besteht darin, der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen und umweltfreundlichen Lösungen gerecht zu werden. Verbraucherinnen und Verbraucher fordern die Reduzierung des Kunststoffverbrauchs, eine erhöhte Recyclingfähigkeit und insgesamt umweltfreundlichere Verpackungsoptionen.
Stichwort umweltfreundliche Verpackungen: Wieso ist es für Unternehmen wichtig, hier den Fokus zu legen?
Punchard: Mit dem wachsenden Nachhaltigkeits- und Umweltbewusstsein achten Verbraucherinnen und Verbraucher immer mehr auf die ökologischen Auswirkungen der von ihnen gekauften Produkte, einschließlich der Verpackung. Selbst auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass der Fokus auf umweltfreundlichen Verpackungen bestehen blieb. Das aktuelle Wirtschaftsklima führt ergänzend zu einem gestiegenen Kostenbewusstsein. Insgesamt wird eine umweltfreundliche Verpackung für viele Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur bevorzugt, sondern sie ist auch ein wichtiger Faktor bei ihrer Kaufentscheidung. Eine Priorisierung auf nachhaltigen Verpackungsverfahren kann dazu beitragen, einen treuen Kundenstamm zu gewinnen und die Markentreue zu stärken.
Doch das reicht vielen nicht aus: Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft?
Punchard: Ich schätze die aktuelle Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft als eher langsam ein, sie gewinnt aber in der gesamten Verpackungsindustrie an Dynamik. Viele Stakeholder setzen sich für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ein, was sich in den Verpflichtungen von Marken und Einzelhändlern zu recycelbaren und recycelten Verpackungen widerspiegelt. Um jedoch umfassend zu nachhaltigen Kreislaufwirtschaftssystemen überzugehen, ist eine bessere Zusammenarbeit in der gesamten Lieferkette erforderlich. Neben den positiven Grundprinzipien der Kreislaufwirtschaft sollten auch die realen Bedingungen der Sammelsysteme und Recyclinganlagen beachtet werden.
Was genau meinen Sie damit?
Punchard: Damit die Idee der Kreislaufwirtschaft vollständig in den Innovationsprozess für Verpackungen integriert werden kann, muss dieses Wissen sowohl verfügbar als auch handhabbar sein. Der Einfluss eines Austauschs in diesem Bereich ist bereits in der Entwicklung von recyclebaren weichen Kunststoffen zu sehen, zum Beispiel bei Tragetaschen. Obwohl der Übergang zu Tragetaschen aus Monomaterial ein positiver Schritt ist, bleiben die Hindernisse für die Erfassung und Verarbeitung dieser Verpackungsformate weiterhin hoch.
Doch es geht nicht nur um die Umsetzung, sondern auch um die Kommunikation. Mehr als die Hälfte der deutschen Erwachsenen trauen Unternehmen nicht zu, ehrlich über ihre Umweltauswirkungen zu berichten. Warum sollten Unternehmen hier unbedingt auf Transparenz achten?
Punchard: Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen heute von Einzelhändlern und Marken, dass sie ihre Umweltmaßnahmen transparent offenlegen. Jedoch mangelt es gleichzeitig an Vertrauen, da viele Konsumentinnen und Konsumenten Angaben zur Umweltauswirkung als „Greenwashing“ betrachten. Das ist besorgniserregend, da Markenvertrauen ein grundlegender Faktor bei Kaufentscheidungen ist und Unternehmen diese Vertrauenslücke schließen müssen.
Und wie könnte das gelingen?
Punchard: Eine Strategie besteht darin, sich von allgemeinen und niederschwelligen Kennzeichnungen, die leicht abgetan werden können, zu distanzieren. Das wird insbesondere bei den Angaben zu Kohlenstoff auf der Verpackung deutlich, bei denen wir eine Reihe von Unklarheiten und scheinbar widersprüchlichen Angaben beobachtet haben. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Angaben „CO2-neutral“, „CO2-negativ“ und „CO2-positiv“.
Sollten Unternehmen auch offen über ihre Schwächen reden?
Punchard: Ja, aber mit Bedacht. Offenheit gegenüber Herausforderungen und Schwächen kann Vertrauen aufbauen, Unternehmen zugänglicher erscheinen lassen und dazu beitragen, „Greenwashing“-Vorwürfe zu vermeiden. Es ist jedoch wichtig, eine Balance zu finden. Während es wertvoll ist, offen über Herausforderungen bei der Bereitstellung verantwortungsvoller Verpackungen zu sprechen, sollte ein Unternehmen auch seine Stärken in Bezug auf Nachhaltigkeit und die Maßnahmen hervorheben, die es zur Beseitigung etwaiger Defizite oder Hindernisse ergreift.
Ein Beispiel wäre…
Punchard: Beispielsweise verwenden viele Marken derzeit „formal recycelbare“ Verpackungen, also Verpackungen, die recycelt werden könnten, aber derzeit nicht zum Recycling gesammelt werden. In diesem Zusammenhang sollte eine Marke, anstatt den Mangel an Sammelsystemen herauszustellen, Maßnahmen hervorheben, die dazu beitragen, die Erfassung in einen Recyclingkreislauf dieses Verpackungstyps zu verbessern oder zu erhöhen.
Interview: Teresa Zwirner
Zur Person
Dr. Benjamin Punchard ist Global Packaging Insights Director bei Mintel. Die Marktforschungsagentur hat die globalen Verpackungstrends für 2023 veröffentlicht, wobei genauer untersucht wurde, welche makroökologischen Faktoren die Verpackungsindustrie im Jahr 2023 und darüber hinaus beeinflussen werden.