Wahl ohne Qual

Als Kinder wollen fast alle Jungs Feuerwehrmann und alle Mädchen Schauspielerin werden. Im Laufe der Jugend ändern sich die Berufswünsche – teilweise zum Glück. Was sich dabei deutlich abzeichnet, ist, dass auch noch im 21. Jahrhundert zu wenige Frauen Jobs wählen, die technisch oder naturwissenschaftlich sind. Leider.

Was willst du eigentlich mal werden?“, fragt der Lehrer Sophia im Unterricht. „Krankenschwester“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Und du, Emma?“ Ohne lange zu überlegen antwortet auch sie blitzschnell auf die Frage: „Erzieherin.“ Nicht gerade überrascht, aber dennoch leicht verwundert spricht der Lehrer eine dritte Schülerin an: „Weißt du denn schon, was du später beruflich machen willst?“ Die zehnjährige Anna entgegnet nach ein paar Sekunden: „Ich glaube, ich möchte mal Automechanikerin werden – wie mein Papa.“ Erleichtert wendet sich der Pädagoge Annas männlichen Klassenkameraden zu.

Er klingt nach Klischee, dieser Gesprächsauszug. Doch leider ist auch ein Funke Wahrheit darin enthalten. Denn immer noch ergreifen viel zu wenige Mädchen sogenannte Männerberufe. Woran das liegt, spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist es, herauszufinden, wie die Gesellschaft, die Politik und natürlich die Schulbildung es schaffen können, das weibliche Geschlecht für Ausbildungen zu begeistern, die technischer, handwerklicher oder wissenschaftlicher Natur sind. Ein Ansatz ist der Girls‘ Day. Dieser Mädchen-Zukunftstag wird seit dem Jahr 2001 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Zahlreiche Betriebe und Hochschulen in Deutschland beteiligen sich an dem Projekt, um junge Frauen an Jobs wie Glasapparatebauerin, Kraftfahrzeugmechatronikerin oder Mikrotechnologin heranzuführen. Dieses Jahr findet der Girls‘ Day am 26. April statt. Auch viele Unternehmen in der Region öffnen ihre Werkstätten und Labore für interessierte Schülerinnen ab der fünften Klasse.

Theresa Keim wollte nie Krankenschwester oder Erzieherin werden. Ihr war seit ihrer Kindheit klar, dass sie nach der Schule eine technisch-handwerkliche Lehre beginnen will. „Mein Papa ist Landmaschinenmechaniker“, fügt sie als Erklärung hinzu. Auch die 21-Jährige wollte nicht den ganzen Tag im Büro am PC sitzen, sondern etwas mit ihren Händen schaffen.

Ihren Berufswunsch hat sie zielstrebig und ehrgeizig verfolgt. Bereits während ihrer Schulzeit absolvierte Keim in den Ferien ein paar Praktika, unter anderem beim Ventilatorenprofi EBM-Papst als Mechatronikerin oder beim Verbindungselemente-Hersteller Arnold Umformtechnik als technische Zeichnerin.

Für ihre aktuelle Stelle bei Gemü, dem Weltmarktführer im Bereich Armaturen für industrielle Anwendungen, musste sich die Gaisbacherin schon ein Jahr vor Ausbildungsbeginn bewerben. Warum Gemü? „Ich fand einfach die Tätigkeitsbeschreibung des Werkzeugmechanikers im Ventilbau sehr spannend und dachte, der Beruf passt am besten zu mir“, sagt Keim. Sie hatte auch noch eine Zusage von einer anderen Firma, verrät die Auszubildende. Doch die Wahl fiel – ganz ohne Qual – auf das Criesbacher Familienunternehmen.

Heute befindet sich Keim bereits im Endspurt ihrer Lehre, die sie 2015 in Angriff genommen hat. „Ich konnte die Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzen, weil ich gute Noten habe“, erklärt die gebürtige Steinkirchenerin. Somit wird sie voraussichtlich Anfang Juli „ausgelernt sein“. Im Moment ist sie aber noch mitten in ihrem Abteilungsdurchlauf. „Ich bin seit drei Wochen im Werkzeugbau – von insgesamt sieben“, informiert die junge Frau. Übernommen wird sie nach ihrem Ausbildungsende allerdings in der Qualitätssicherung als Messtechnikerin. „Mein Chef hat mich schon im Dezember gefragt, ob ich mir die QS vorstellen kann“, erinnert sich Keim.

Vorurteile spürbar

Von sechs Werkzeugmechanikern in ihrem Jahrgang ist sie übrigens die einzige Frau. Auch in der Berufsschule sind in ihrer Klasse unter 22 Schülern lediglich zwei weibliche – eine erneute Bestätigung dafür, dass sich Frauen leider selten in Männerdomänen wagen. „Man kriegt schon Vorurteile zu spüren“, muss die 21-Jährige einräumen. Wenn ihr aber jemand „einen blöden Spruch“ an den Kopf wirft, gibt sie auch kontra. Keim betont jedoch: „Ich wollte nie bevorzugt werden, weil ich vermeintlich schlechtere Voraussetzungen habe als meine männlichen Kollegen, sondern immer genauso wie alle anderen bewertet werden.“

Wenn es am 26. April zum 18. Mal „Willkommen zum Girls‘ Day“ heißt, ist auch der Spezialist für Armaturen und Automatisierungskomponenten zur Steuerung und Regelung von Prozessmedien Gemü mit von der Partie. Theresa Keim wird dann das dritte Mal in Folge als Ansprechpartnerin für eine Gruppe von Mädchen verschiedenen Alters fungieren und ihnen zeigen, wie man feilt, bohrt und eine Uhr herstellt. Diesen selbstgemachten Zeitmesser darf dann jede Einzelne nach dem Schnuppertag mit nach Hause nehmen. „Das Fertigen von Hand, durch Eigenleistung, das ist es, was mich am meisten an meinem Job reizt“, resümiert die zukünftige Messtechnikerin.

Olga Lechmann