Wenn der Chef auch Papa ist

Wer Stefan Neumann, Bürgermeister in Künzelsau, kennt, der weiß: Neumann ist ein Familienmensch, ein Vater durch und durch. Da wundert es auch nicht, dass sich der Rathauschef seinerzeit dafür entschieden hatte, in Elternzeit zu gehen – bei jedem Kind.

„Es war für mich eine besonders wertvolle Zeit, die ich um nichts in der Welt missen möchte“, betont Stefan Neumann nicht ohne Stolz in seiner Stimme. Der Anfang Juni im Amt bestätigte Bürgermeister von Künzelsau hatte in den vergangenen Jahren wiederholt einen Entschluss gefasst, den so vermutlich nur wenige seiner Amtskollegen getroffen hätten, der heutzutage aber eigentlich ganz selbstverständlich sein sollte: Der Rathauschef hatte sich entschieden, in Elternzeit zu gehen – und zwar bei all seinen Kindern.

„Für mich und meine Familie war das sehr prägend“, schildert Neumann rückblickend und ergänzt: „Gerade in den ersten Lebensjahren eines Kindes ist es wichtig, auch als Vater präsent zu sein, eine Beziehung aufzubauen, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen.“

Sicherlich nicht immer einfach als Bürgermeister. Wer einen Blick in den Kalender eines Schultes wirft, weiß, warum: Termine, Termine, Termine. An den Wochenenden, teilweise an Feiertagen, morgens, mittags, abends, manchmal bis spät in die Nacht. Wer da von seinen Kindern etwas haben will, muss sich arrangieren können und Kompromisse finden. Sicherlich nicht immer einfach.

Dem dreifachen Familienvater ist es dennoch gelungen: „Elternzeit ist ja etwas anderes als eine plötzliche Krankheit. Sie ist planbar. Man kann sich und sein Team auf die Veränderung vorbereiten, sich abstimmen.“

Wie wichtig es dabei ist, ein funktionierendes Team zu haben, wurde dem Künzelsauer Bürgermeister in dieser Zeit besonders bewusst. „Ich konnte mich jederzeit auf meine Mitarbeiter verlassen“, lobt er. Er habe die Elternzeit, die er gezielt in den sitzungsfreien Sommermonaten genommen hat, sehr genossen, sei aber auch währenddessen regelmäßig erreichbar gewesen. In wöchentlichen Besprechungen konnten wichtige Fragen beantwortet, offene Punkte diskutiert werden. „Dank meines guten Teams und meiner ehrenamtlichen Stellvertreter hat das alles reibungslos funktioniert.“

Unterstützung aus dem Rathaus

Der Rückhalt im Rathaus scheint groß gewesen zu sein. Doch das Verständnis für den frischgebackenen Vater war nicht bei jedem vorhanden. „Die Reaktionen auf meine Entscheidung hätten unterschiedlicher kaum sein können. Manche haben nicht nachvollziehen können, warum ich mich für die Elternzeit entschlossen habe; andere hingegen haben meine Entscheidung gutgeheißen.“

Für Neumann selbst schien das alles nie zur Diskussion gestanden zu haben. „In meinen Augen ist das Thema auch mit einer gewissen Vorbildfunktion verbunden“, findet er. Und er hat recht mit dem, was er sagt. Familienfreundlichkeit muss in Kommunen, Unternehmen oder anderen Institutionen gelebt werden – und zwar über alle Hierarchieebenen hinweg. Da hilft es nichts, das Thema in der Theorie zwar gutzuheißen, es in der Praxis aber nicht anzuwenden. „Viele Chefs sagen, ist ja toll, dass es Elternzeit für Väter gibt, würden sie selbst aber nicht in Anspruch nehmen. Wie also soll bei den Mitarbeitern ankommen, dass man Familienfreundlichkeit großschreibt? Dass solche Entscheidungen nicht nur akzeptiert, sondern sogar gewünscht werden?“

Für den dreifachen Vater steht jedenfalls außer Frage, sich seinerzeit richtig entschieden zu haben. „Ich kann es jedem Vater nur empfehlen“, sagt er deshalb ohne zu zögern und ergänzt: „Die Zeit, die man mit den Kindern verpasst, die kommt nicht wieder. Man kann sie sich nicht zurückholen.“ Umso wichtiger scheint es, diese – auch als Vater – in vollen Zügen zu genießen. Denn, wie heißt es so schön, Kinder werden von allein groß. Und meist geht das schneller, als manch einem lieb ist.

Lydia-Kathrin Hilpert