Wertheim trägt wieder Uniform

Im vergangenen Jahr kündigte das baden-württembergische Innenministerium an, mehr Polizeibeamte auszubilden. Da nun mehr Platz für die Ausbildung gebraucht wird, wird der ehemalige Standort der Polizeihochschule in Wertheim reaktiviert.

Vermutlich jeder von uns kann sich an die Bilder von den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im vergangenen Jahr in Hamburg erinnern: daran, wie Demonstranten ganze Straßen verwüsteten, Autos in Flammen standen und die Polizei gewaltvoll gegen den wütenden Mob vorging. Das Ganze schürte Unruhe und Besorgnis in der Bevölkerung. Und es warf zudem kein gutes Licht auf die deutsche Polizei, die die Situation nicht in den Griff zu bekommen schien.

Darauf und auf die vermehrten Terroranschläge in 2017 reagierte die Politik. Auch die schwarz-grüne Landesregierung von Baden-Württemberg sah sich unter Zugzwang. Das Innenministerium verkündete daraufhin, die Zahl der Einstellungen bei den Polizisten innerhalb der Jahre 2018 und 2019 von 1400 auf 1800 zu erhöhen. So weit, so gut. Doch damit stoßen die bisherigen Ausbildungsstandorte Villingen-Schwenningen, Herrenberg, Biberach an der Riß und Lahr an ihre Kapazitätsgrenzen.

Deshalb wurde in der Diskussion um weitere Lokalitäten der ehemalige Standort der Polizeihochschule auf dem Wertheimer Reinhardshof Thema. Dieser ist seit 2015 geschlossen. Anfang Februar dann die Gewissheit: Der Betrieb der Polizeiakademie wird wieder aufgenommen. „Ich habe die telefonische Zusage des Staatssekretärs“, bestätigt Wolfgang Stein, Erster Bürgermeister von Wertheim. Die Entscheidung macht Sinn, denn die Einrichtung auf dem ehemaligen Garnisonsstandort der US-Streitkräfte wurde bis zu ihrer Schließung zu Fortbildungszwecken genutzt. Letztlich hat auch die Lage für die Stadt gesprochen. „Zusammen mit dem Standort in Wertheim sind nahezu alle Einzugsgebiete in Baden-Württemberg abgedeckt“, erläutert Roswitha Götzmann, Leiterin des Referats 35/Öffentlichkeitsarbeit des Landespolizeipräsidiums.

Am 1. Juli soll es losgehen. Zuerst sollen 200 Anwärter für den gehobenen und mittleren Dienst ihre Ausbildung beginnen, zum 1. August dann 100 weitere folgen. Bis zum Start seien keine größeren Baumaßnahmen erforderlich, nur der Sanitärbereich müsse saniert werden, erläutert Stein. Was jedoch fehlt, sind Park- und Sportflächen. Dafür will das Land weitere Flächen pachten, denn das Akademieareal ist Landeseigentum.

In der Kommune stößt die Wiederaufnahme der Polizeiakademie auf Wohlwollen: „Die Bürgerschaft und der Gemeinderat stehen geschlossen dahinter“, betont der Vertreter des Oberbürgermeisters. Durch die rund 300 jungen Menschen, die nach Wertheim kommen werden, wird das Stadtbild belebt. Dazu schafft die Polizeihochschule rund 50 zusätzliche Arbeitsplätze, beispielsweise in der Verwaltung oder Lehre. „Das wertet unsere Kommune weiter auf“, meint der Erste Bürgermeister der Großen Kreisstadt.

Kritik bleibt nicht aus

Die Reaktivierung der Einrichtung stößt allerdings auch auf Kritik. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg, Hans-Jürgen Kirstein, bekundet: „Ich halte Wertheim für die falsche Wahl.“ Die Akademie läge zu dezentral für den gesamten Südwesten und sei zum geplanten Eröffnungstermin nicht bereit. Dem widersprechen sowohl die Zuständige für die Öffentlichkeitsarbeit der Landespolizei als auch der Bürgermeister von Wertheim. „Die Bau- und Personalmaßnahmen für den Standort befinden sich derzeit in den zeitlichen Vorgaben, sodass einem rechtzeitigen Beginn der Vorausbildung der Polizeikommissaranwärter in Wertheim aktuell nichts entgegensteht“, erklärt Götzmann. Stein hält fest, dass die Lage nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Wahl eines Ausbildungsplatzes sei. „Für einen Auszubildenden aus Nordwürttemberg ist eine Akademie in Südbaden auch nicht zentral“, entgegnet er dem Gegenwind.

Da damit auch die Kritik am Projekt abgewendet ist, gibt es ja nichts mehr dagegen einzuwenden, dass ab dem Sommer vermehrt junge Menschen in blauen Uniformen in Wertheim zu sehen sind.

Alexander Liedtke

Polizeihochschule Baden-Württemberg
Die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (HfPolBW) ist für die gesamte Bildung der Polizei des Landes Baden-Württemberg zuständig. Unter dem Dach der Einrichtung sind der akademische Bildungsbetrieb sowie die Bereiche der Aus- und Fortbildung, des Einsatz- und Führungstrainings, der polizeilichen Auslandseinsätze und der Personalgewinnung gebündelt. Mehr Informationen gibt es im Internet.