Aktuelle Coronalage bei Dienstreisen – Interview mit Virologin Ulrike Protzer

„Durch die Impfungen wurde eine gute Immunität aufgebaut“, sagt Ulrike Protzer. Foto: Astrid Eckert, TUM

Corona hat den Schrecken verloren. Virologin Ulrike Protzer sagt, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter nun schützen können und was man bei internationalen Dienstreisen beachten sollte.

Die Corona-Pandemie hat in den letzten drei Jahren das gesamte Land auf den Kopf gestellt. Wie sieht die Lage aktuell aus?

Dr. Ulrike Protzer: Aktuell ist es um Corona ruhiger geworden. In der Bevölkerung wurde durch die Impfungen – aber auch die Infektionen – eine gute Immunität aufgebaut. Die aktuellen Verläufe sind glücklicherweise nicht mehr vergleichbar mit dem, was wir zu Beginn der Pandemie hatten. Aber natürlich gibt es nach wie vor gefährdete Personen, die man nicht vergessen darf.

Kann auch international Entwarnung gegeben werden?

Protzer: Ja, eine Ausnahme ist China, die dort eine Null-Covid-Strategie verfolgt und einen leider nicht ganz so wirksamen Impfstoff eingesetzt haben. Als das Land schließlich aufgemacht hat, gab es eine heftige Welle, die große Probleme für die Bevölkerung mit sich brachte. Aber ich denke, dass auch in China die Infektionswelle bis zum Sommer abflaut.

Müssen Dienstreisende, die international unterwegs sind, aktuell noch etwas beachten bzw. Vorsichtsmaßnahmen treffen?

Protzer: In China ist die Infektionsaktivität immer noch sehr hoch. Es gab auch noch eine Welle, die Amerika getroffen hat und ein bisschen auch England, aber die ist eigentlich wieder am Ablaufen, sodass man bei Dienstreisen weitestgehend Entwarnung geben kann. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass jede Infektion auch das Risiko für Folgeerkrankungen birgt. Und gerade mit Vorerkrankungen sollte man weiterhin vorsichtig sein.

Gibt es aus virologischer Sicht aktuell anderweitige Empfehlungen für internationale Reisen?

Protzer: Nein, eigentlich nicht. Wir hatten eine heftige Influenzawelle vor Weihnachten. Die hat nicht nur uns, sondern die ganze nördliche Halbkugel getroffen, aber die Welle scheint schon weitestgehend durch zu sein.

Welche aktuellen oder zukünftigen Ansätze zur Verhinderung von Virenerkrankungen gibt es?

Protzer: Viren kann man ganz schwer eindämmen. Am wirksamsten sind immer noch Impfungen. Für die Viren, die man nicht kennt, kann man aber keinen Impfstoff entwickeln. Daher ist es sehr wichtig, auch weiterhin an wirksamen Medikamenten zu forschen. Neue Erreger ganz zu verhindern, das wird man nicht schaffen, denn die kommen meistens aus dem Tierreich. Wann ein Übersprung auf die Menschen passiert, kann man schwer vorhersagen. Man kann sich nur vorbereiten, indem man weiß, welche Erreger zum Tierreich gehören, um sich schon gezielt mit Medikamenten und Impfungen auseinanderzusetzen.

Wie können Unternehmen das Risiko einer Virusinfektion unter den Mitarbeitern minimieren?

Protzer: Viren werden ja meist über Atemwege übertragen und dann verbreitet, wenn jemand Symptome hat. Daher sollte man versuchen, zu verhindern, dass Mitarbeiter mit Symptomen in größere Gruppen, insbesondere geschlossene Räume, gehen. Was auch hilft, sind die Masken: Wenn jemand Symptome hat, sollte er unbedingt eine Maske tragen, wenn er nicht zuhause bleiben kann. Ansonsten macht es Sinn, regelmäßig vorbeugende Impfungen anzubieten. Betriebsärzte sollten hier schauen, ob Impfpässe der Mitarbeiter vorhanden sind und ob dort irgendwo ein Schutz fehlt. Gerade vor Auslandseinsätzen sollte man das unbedingt checken.

Corona ist endemisch: Wird künftig, wie bei der Grippe, im Spätherbst eine jährliche Impfung empfohlen?

Protzer: Die Fachwelt diskutiert noch darüber, in Amerika hat man sich aber schon in diese Richtung bewegt. Meine Vermutung ist, dass in Deutschland eine Corona-Impfung empfohlen wird, wenn jemand ein erhöhtes Risiko aus körperlichen Gründen oder weil er besonders viel reist, mit sich bringt. Das ist aktuell jedoch nur meine Einschätzung.

Wird die Maske in der Gesellschaft künftig von größerer Bedeutung sein?

Protzer: Sinnvoll wäre das natürlich. Aus virologischer Sicht muss man hoffen, dass die Menschen das beibehalten. Aber verpflichtendes Maskentragen wird in Deutschland wahrscheinlich schwierig durchzusetzen sein. Da wird es immer auf Freiwilligkeit und Verantwortungsbewusstsein ankommen.

Wie wichtig ist die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Virusforschung?

Protzer: Das ist sehr wichtig. Viele der Erreger, die aus dem Tierreich überspringen, kommen aus Regionen, die weniger dicht besiedelt sind wie hier im westlichen Europa. Häufig sind es Gebiete, in denen Mensch und Tier enger zusammenleben als das bei uns der Fall ist, zum Beispiel weil landwirtschaftlich viele Tiere sehr nah in Familien gehalten werden, wie in Asien oder Südamerika. Daher ist es wichtig, dass man diese Bereiche im Blick behält, um Ausbrüche früh erkennen zu können. Wenn ein Übersprung passiert, besteht die Hoffnung, dass man sehr schnell und konsequent reagieren kann, ähnlich wie es beim SARS-Ausbruch 2003 der Fall war. Das geht natürlich nur, wenn es eine gute internationale Kommunikation gibt.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person

Prof. Dr. Ulrike Protzer ist eine deutsche Virologin und Professorin am Lehrstuhl für Virologie an der Technischen Universität München (TUM). Seit Beginn der COVID-19-Pandemie gehört unter anderem das neuartige Virus SARS-CoV-2 zu ihren Forschungsgebieten.