Das Unglück an der Jagst war im vergangenem August. Wie geht es der Jagst heute? Der Landrat des Hohenlohekreises, Dr. Matthias Neth, zieht im Interview Bilanz.
Die Umweltkatastrophe liegt ein halbes Jahr zurück. Was hat sich seitdem an der Jagst getan?
Neth: Es wurden verschiedene Maßnahmen angestoßen. Das „Aktionsprogramm Jagst“ ist zum Beispiel im Februar angelaufen: Das Umweltministerium hat das Regierungspräsidium beauftragt, ein Programm zu entwickeln, um die Jagst wieder zu dem Fluss zu machen, der sie früher war – und sogar noch widerstandsfähiger und gesünder. Die schlimmsten Folgen des Großbrandes sollen behoben und die Ökologie der Jagst langfristig verbessert werden. Weitere, regelmäßige Untersuchungen folgen im Frühjahr. Dann wird sich zeigen, wie es den Tieren nach dem Winter geht. Zum heutigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass es viele gut überstanden haben. Wenn das nicht der Fall sein sollte, müssen wir nachjustieren.
Wie haben Sie das Engagement der Bürger Hohenlohes erlebt?
Neth: Es war großartig, absolut überwältigend. Alle haben – egal, ob Bürger, Mitglieder der Feuerwehr, des THW, die Anglervereine und andere – an einem Strang gezogen. In Summe waren über 1000 Helfer im Einsatz, rund um die Uhr. Ohne deren Hilfe hätten wir die Situation nicht in den Griff bekommen. Hierfür bin ich allen Beteiligten wirklich sehr dankbar – auch den vielen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter freigestellt haben, um an der Jagst mitzuarbeiten. Auch das ist nicht selbstverständlich.
Hätten Sie damit gerechnet?
Neth: Ich kenne es von den Hohenlohern nicht anders, als dass sie zusammenhalten und anpacken. Gleichwohl war es eine ganz besondere Leistung. Alle haben sehr schnell erkannt, wie ernst die Lage ist und haben nicht lange gefackelt, sondern mitgeholfen und Solidarität bewiesen. Ich bin stolz auf meine Hohenloher. Sie haben gezeigt, was ein kleiner Landkreis Enormes leisten kann.
War der Landkreis auf eine derartige Umweltkatastrophe überhaupt vorbereitet?
Neth: Wir müssen auf Krisen immer vorbereitet sein. Und das sind wir auch. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, die neu sind und die man nicht üben kann. Dem Hohenlohekreis ist es aber in kürzester Zeit gelungen, eine sofort handlungsfähige Mannschaft zusammenzustellen und schnell zu reagieren. Wir haben alle fachlichen Kompetenzen im Haus. Das hat die Situation erleichtert. Zudem waren auch rund 30 Mitarbeiter der Kreisverwaltung über die gesamte Einsatzdauer vor Ort und im Hintergrund tätig.
Was hätte man im Nachgang anders machen müssen?
Neth: Ich denke, wir können in Summe zufrieden sein. Bereits die Alarmierung des Hohenlohekreises hat optimal funktioniert und die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, haben schnell Wirkung gezeigt. Dadurch haben wir viele Fische retten können. Schwierig war bei diesem Einsatz, dass der Schadstoff im Wasser nicht mit dem Auge sichtbar war – anders als beispielsweise Öl. Das hat viele Menschen aus der Bevölkerung verunsichert. Der Wunsch nach Aufklärung war sehr groß. Diesen haben wir sehr ernst genommen und unter anderem ein Bürgertelefon eingerichtet. Zudem haben wir von der Kreisverwaltung selbst immer Flagge gezeigt. Das hat allen Beteiligten auch Sicherheit gegeben.
Hätte man dieses Unglück sogar verhindern können?
Neth: Es war ein Unglücksfall, ein Brand, der diesen Einsatz verursacht hat. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen laufen derzeit noch. Man sollte diese Bewertung abwarten.
Liegen Zahlen vor, wie viele Tiere insgesamt zu Tode gekommen sind?
Neth: Im Kreisgebiet ist zirka eine Tonne toter Fisch entsorgt worden. Zu Beginn musste man jedoch mit einem Totalverlust rechnen. Das ist zum Glück nicht passiert, weil – wie gesagt – die Maßnahmen wie Sauerstoffzufuhr oder Verdünnung gut gegriffen haben. Ich gehe davon aus, dass der Mix aus verschiedenen Mitteln das Schlimmste verhindert hat. Ob eines allein zu diesem Erfolg geführt hätte, bezweifle ich.
Hechte, Aale, Karpfen und Forellen tummelten sich vor der Umweltkatastrophe in der Jagst – auch heute noch?
Neth: Im Hohenlohekreis definitiv ja. Wir hatten wenige Verluste. Jetzt ist der Plan, die Tiere wieder konkret anzusiedeln.
Zunächst ging man davon aus, es würde Jahre dauern, bis der Ausgangszustand der Jagst wieder erreicht sei. Wie ist der Stand heute?
Neth: Man kann noch nichts Abschließendes sagen, da noch Untersuchungen anstehen. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Er wird sicher noch einige Zeit dauern, bis sich die Jagst wieder vollständig erholt hat. Diese Zeit muss man der Natur auch geben. Dennoch: Die Schäden sind deutlich geringer, als man zunächst annehmen musste.
Was unternehmen Sie, damit die Jagst auch in Zukunft wieder das Biotop wird, das sie einmal war?
Neth: Im Hohenlohekreis wurde bereits in der Vergangenheit viel für die Jagst getan. Die gute Ausgangslage hat uns sicher bei der Bewältigung des Ereignisses maßgeblich geholfen. Wäre der Fluss nicht so gesund gewesen, hätte die Sache sicher schlimmer ausgesehen. Die Durchgängigkeit ist bis auf ein Wehr weitestgehend hergestellt. Es wurde bereits eine Vielzahl von Altarmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur, Rückzugsmöglichkeiten und Laichplätze angelegt. Das Aktionsprogramm bietet die Grundlage für eine weitere, deutliche Verbesserung der ökologischen. Daher gehe ich auch davon aus, dass wir das einmalige Ökosystem wieder herstellen – und vielleicht sogar noch verbessern.
Wie beurteilen Sie das Geschehen heute: Umweltkatastrophe mit weitreichenden Folgen oder sind wir noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen?
Neth: Nach bisherigem Kenntnisstand gehe ich davon aus, dass wir mit einem „blauen Auge“ davon gekommen sind.
Was hat man aus diesem Vorfall gelernt?
Neth: Erstens, dass man sich auf die Menschen in Hohenlohe voll verlassen kann. Vor allem auf die Einsatzhelfer – auch bei Großschadensereignissen. Das schafft Sicherheit bei der Bevölkerung. Zweitens, wie wichtig es ist, auf solche Unglücke vorbereitet zu sein. Es kann immer etwas passieren. Da ist es notwendig zu wissen, dass das Know-how da ist und man solche Vorfälle stemmen kann. Und drittens, dass die Jagst eine hohe Widerstandskraft hatte. Das zeigt, dass die Aktionen im Vorfeld – also vor dem Mühlenbrand – erfolgreich waren. Und da werden wir weiter ansetzen.
Interview: Lydia-Kathrin Hilpert