Als Hall lutherisch wurde

500 Jahre ist es am 31. Oktober her, dass die Reformation hierzulande Einzug gehalten hat. Deshalb ist dieses Datum 2017 auch ein deutschlandweiter Feiertag – was natürlich ein Grund zur Freude ist. Aber was wissen wir eigentlich über dieses bedeutende Ereignis?

1543 erließ Schwäbisch Hall eine „Kirchenordnung“. Diese regelte die Inhalte der Lehre und den Ablauf der Zeremonien in den Pfarreien, die der Reichsstadt unterstanden. Kirchenordnungen prägten den Alltag für Jahrhunderte. Sie sind ein typisches Zeichen protestantischer Herrschaften. Denn: In den katholischen Gebieten regelte die Kirche – nicht der „Staat“ – diese Angelegenheiten. 1543 war Schwäbisch Hall keineswegs mehr ein Pionier. Die Umgestaltung des Kirchenwesens hatte in der Stadt immerhin schon 20 Jahre vorher begonnen, als der 1522 zum Prediger berufene Johannes Brenz im Sinne Luthers zu predigen begonnen hatte. Deutlich früher hatte sich die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, zu der etwa Crailsheim und Gerabronn gehörten, zum definitiven Bruch mit der katholischen Vergangenheit entschlossen. Sie besaß schon seit 1533 eine Kirchenordnung. Auch beim Beginn protestantischer Predigten scheint Crailsheim Schwäbisch Hall voranzugehen: Der dortige Pfarrer Adam Weiß predigte wohl schon 1521 in reformiertem Sinn, stand allerdings anfangs dem Zürcher Reformator Zwingli näher als Luther.

Initialzündung

In Crailsheim wie in Schwäbisch Hall ging die Umgestaltung des Kirchenwesens langsam voran. Nach der Initialzündung durch die Berufung evangelischer Pfarrer wurden Gutachten verfasst, beraten und schließlich zunächst punktuell Änderungen vorgenommen. Brenz verfasste Ende 1526/Anfang 1527 sein Gutachten zur Neuordnung der Haller Kirche, in dem er auch für den massiven Ausbau des Schulwesens – für Jungen wie für Mädchen – plädierte. An Weihnachten 1526 feierte er das erste lutherische Abendmahl, Weiß in Crailsheim schon an Ostern 1526. Der Haller Rat schloss 1534 die letzten Kirchen, in denen noch katholische Messen gefeiert wurden. Parallel begann der Aufbau einer evangelischen Ehegerichtsbarkeit: Streitigkeiten wegen Verlobungen und zwischen Ehegatten wurden vor der Reformation vor kirchlichen Gerichten ausgetragen. Nun waren Stadträte und fürstliche Beamte dafür zuständig. Die entsprechenden Rechtsgrundsätze mussten erst erarbeitet werden.

Die größeren Städte gingen beim Aufbau eines protestantischen Kirchen- und Schulwesens voran. Herrschaften wie Hohenlohe oder Limpurg hielten ihre religiöse Haltung lange offen. Sie beließen hier katholische Priester im Amt, beriefen dort evangelische Pfarrer, achteten aber immer auf die Wahrung ihrer Rechte. In Enslingen zum Beispiel wurde der Pfarrer von Hohenlohe berufen, während die Kirche Schwäbisch Hall gehörte. 1541 amtierte dort Peter Herolt, der sich strikt weigerte, evangelische Neuerungen einzuführen. Die Reichsstadt verbot ihm das Lesen der Messe, während die Grafen ihm auferlegten, beim alten Herkommen zu bleiben. Herolt blieb bis 1556, als sich auch Hohenlohe zu einem evangelischen Kurs entschloss.

Erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts stand genügend qualifiziertes Personal für die Pfarrstellen zur Verfügung: Die Universitäten mussten die neuen Theologen erst einmal ausbilden. Nun beschäftigten selbst Gemeinden wie Steinbach, das dem katholischen Ritterstift Comburg unterstand, lutherische Pfarrer. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzte hier die Rekatholisierung ein. Religiös intolerant waren alle Herrschaften, wenn sie sich einmal auf eine bestimmte Konfession festgelegt hatten. Andersgläubige erhielten lediglich die Chance, auszuwandern und sich eine Herrschaft ihres Glaubens zu suchen.

Andreas Maisch