Aus der kleinen Garage zum Global Player

Impfstoffe werden abgefüllt: Die Technologien von Bausch+Ströbel kommen beim Kampf gegen Covid-19 zum Einsatz. Fotos: Bausch+Ströbel

Rolf Ströbel, Siegfried Bullinger und Wilhelm Bausch kamen im Jahr 1967 eher zufällig nach Ilshofen, weil sie dort eine passende Gewerbefläche für ihr Gründervorhaben fanden. Heute mischt Bausch+Ströbel auf dem Weltmarkt mit. Im Doppelinterview erzählen die heutigen Geschäftsführer Markus Ströbel und Thorsten Bullinger, wie sie den elterlichen Erfolg fortschreiben.

Sie leiten das Unternehmen in zweiter Generation – ist es schwer, die Fußstapfen Ihrer Eltern auszufüllen?

Markus Ströbel: Es ist richtig, was unsere Väter geleistet haben, war schon sehr außergewöhnlich: Schließlich haben sie vor über 50 Jahren buchstäblich aus einer Garage heraus einen Weltmarktführer aufgebaut. Dazu hole ich kurz aus: Die erste Maschine, die sie in ihrer frisch gegründeten Firma damals mit nur vier Angestellten entwickelt haben, war eine Ampullen-Füll- und Verschließmaschine für Haarfestiger. Heute zählt Bausch+Ströbel zu den 20 größten Industriebetrieben in der Region Heilbronn-Franken und leistet einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung von Krankheiten wie ganz aktuell der Corona-Pandemie. Zu unseren Kunden gehören Pharmaunternehmen, die gerade an einem Covid-19-Impfstoff arbeiten, zum Beispiel Biontech, Curevac, Pfizer und AstraZeneca. Wir wissen, dass unsere Technologien bei der Abfüllung des neuen Impfstoffes zum Einsatz kommen werden. Immer mal wieder ist in diesem Zusammenhang auch die eine oder andere unserer Anlagen in der Fernsehberichterstattung zu sehen. Die Entwicklung der Impfstoffe ist dabei natürlich die eigentliche Leistung, vor allem in Anbetracht des Zeitdrucks und der einzusetzenden Finanzmittel. Die Pharmaunternehmen, die Impfstoffe auf den Markt bringen, übernehmen eine hohe Verantwortung. Sie müssen sicherstellen, dass der Impfstoff wirkt – und zwar möglichst ohne signifikante Nebenwirkungen. Wir sind stolz, diese ausgezeichneten Unternehmen bei ihren Bestrebungen unterstützen zu dürfen und damit einen Beitrag zum Überwinden der Pandemie zu leisten. Wir sind Partner sowohl für die Hersteller von Impfstoffen und Medikamenten als auch für Hersteller von Packmitteln wie Spritzen oder Vials. Dieser Verantwortung gerecht zu werden, empfinde ich mehr denn je als Privileg und weniger als Bürde. Und ich habe den Eindruck, dass dies auch die meisten Mitarbeiter ähnlich empfinden.

Wie knüpfen Sie an das Wachstum der letzten Jahre an?

Thorsten Bullinger: Wie bisher wollen wir uns auch künftig weiterentwickeln, wir streben ein gesundes Wachstum an, wie wir das schon seit Jahren verzeichnen. Denn es genügt ja nicht, die Belegschaft zu vergrößern und in weitere Gebäude zu investieren; damit einher gehen zum Beispiel organisatorische Veränderungen. Hier befinden wir uns in einem ständigen Wandlungsprozess. Die Mitarbeiterzahl hat sich von rund 1000 im Jahr 2010 auf heute über 1600 allein am Standort Ilshofen erhöht; fast 2000 sind es weltweit. Seit 2013 gehört die Wilco AG in der Schweiz zum Unternehmen. Mit diesem Kauf konnten wir unser Angebot im Bereich Abfüll- und Verpackungsanlagen um hochpräzise vollautomatische Prüfmaschinen für Dichtheitsprüfung, visuelle Kontrolle und spektroskopische Systeme erweitern. Hauptstandort bleibt auch künftig Ilshofen, doch als weltweit tätiges Unternehmen sind wir natürlich bestrebt, die Entfernung zu unseren Kunden kurz zu halten. Etwa wenn es um das Thema Serviceeinsätze geht. Wir werden also weiterhin international wachsen, etwa mit dem Ausbau unserer Service- und Vertriebsniederlassungen.

Baulich erweitern Sie Ihren Sitz in Ilshofen ja aktuell wieder. Ist das ein Standortbekenntis?

Ströbel: Das kann man so sagen. Wir sind regional verankert und weltweit aktiv. Das war schon immer unsere Philosophie und Ausrichtung: Für uns ist die Region auch Heimat, hier sind wir groß geworden, hier schlägt unser unternehmerisches Herz. Und auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht gab und gibt es keine Gründe, den Standort in Frage zu stellen. Dies unterstreicht unter anderem unsere Investition von rund 16 Millionen Euro in einen hochmodernen Neubau am Standort Ilshofen. Zur Fertigstellung im Laufe des Jahres 2022 finden dann dort die neue Galvanik und der Sortiergerätebau allerbeste Arbeitsbedingungen vor. Auch mehrere Schulungsräume sind vorgesehen. Vor allem wird hier auch das neue Zuhause der Ausbildungsabteilungen Mechanik und Elektro sein.

Haben Sie je mit dem Gedanken gespielt, Ilshofen zu verlassen?

Bullinger: Klares Nein! Hier am Standort sind wir verwurzelt, hier sind wir gut vernetzt. Zudem kommt ein Großteil unserer Belegschaft aus dem Umkreis. Die Verkehrsanbindung ist dank Autobahnanschluss sehr gut und am Standort selbst gibt es noch Erweiterungsmöglichkeiten. Hier in der Region sind wir als attraktiver Arbeitgeber bekannt, weshalb wir hier auch gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen rekrutieren können. Was zugegebenermaßen schwierig ist, ist die Gewinnung von neuen Mitarbeitern aus anderen Regionen Deutschlands oder aus dem Ausland. Wie so viele andere Branchen, benötigen auch wir Programmierer, Programmentwickler oder auch Ingenieure für die Softwareentwicklung im Bereich Robotik, um nur kurz drei Beispiele zu nennen. Doch der Kreis Schwäbisch Hall hat nicht den Bekanntheitsgrad und auch nicht die Anziehungskraft wie Ballungszentren.

Mit Blick auf Tradition und die verankerten Werte im Familienbetrieb: Welchen Stellenwert hat dabei Flexibilität?

Ströbel: Tradition und Flexibilität sind für mich keine Gegensätze; im Gegenteil, wir sind, wenn man es so will, aus Tradition flexibel. Unsere Produkte stehen seit Jahrzehnten weltweit für höchste Qualität. Diesen Qualitätsanspruch verfolgen wir seit dem ersten Tag. Gleichzeitig ändern sich der Markt und somit auch die Bedürfnisse unserer Kunden stetig. Hier sei nur das Stichwort Digitalisierung genannt. Die Kunden erwarten von uns zurecht, dass wir flexibel agieren und neue Lösungen für sie entwickeln. Als einer von mehreren Bausteinen, um dies zu gewährleisten, sei an dieser Stelle etwa unsere interne Forschungsabteilung genannt, die unsere Technologie- und Maschinenentwicklung auch in Zusammenarbeit mit Kunden stetig vorantreibt. Nur so ließ sich die Erfolgsgeschichte schreiben.

Zahlt es sich in Krisenzeiten wie gerade jetzt aus, hier fest verankert zu sein?

Bullinger: Da fällt mir spontan der Kontakt zu hiesigen Behörden ein. Man kennt die Ansprechpartner, weil man schon lange zusammenarbeitet. Das hat uns geholfen, um dringend notwendige Auslandseinsätze unserer Mitarbeiter – ganz aktuell zur Einrichtung von Anlagen, die Impfstoffe gegen Covid-19 abfüllen sollen – gemäß den geltenden Richtlinien zu planen.

Mit Blick auf die Pandemie: Wie schnell konnten Sie auf die neuen Anforderungen reagieren?

Ströbel: Gerade weil bei uns Digitalisierung schon in der Vergangenheit intensiv vorangetrieben wurde, kamen wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden in der Pandemie zügig zu guten Lösungen. So konnten wir Maschinenabnahmen oder Fernwartlösungen digital realisieren.

Was braucht es für eine gute Krisenbewältigung?

Bullinger: Um schwierige Situationen zu überwinden, braucht es in erster Linie die Zusammenarbeit aller Ebenen im Unternehmen. Es geht vor allem auch darum, dass viele Mitarbeiter generell bereit sind, Herausforderungen zu meistern. Das fängt im Kleinen an, wenn jemand etwa in seinem Bereich daran arbeitet, etwas auch nur ein bisschen zu verbessern. Und das geht weiter bis hin zur Erarbeitung und Umsetzung neuer Prozesse, in die mehrere Teams involviert sind. Ohne diese Bereitschaft und das große Engagement unserer Mitarbeiter würden wir nicht dastehen, wo wir jetzt sind.

Interview von Melanie Boujenoui

 

Thorsten Bullinger folgte seinem Vater 2017 in die Geschäftsleitung. Foto: Bausch+Ströbel


Auch Markus Ströbel ist bereits Geschäftführer in zweiter Generation. Foto: Bausch+Ströbel