Aus Liebe zur Stadt

Edith Süßenbach gehört zu den Stadtführern der ersten Stunde in Heilbronn. In 32 Jahren hat sie hochgerechnet etwa 72 000 Menschen ihre Heimatstadt näher gebracht und vieles angestoßen.

Der Charme von Heilbronn erschließt sich nicht bei der Anfahrt, deswegen muss man erst mal ein Bewusstsein dafür schaffen“, stellt die 68-Jährige fest. Es gebe so viele schöne Ecken. Die ersten Anzeichen für die Bundesgartenschau 2019 gibt es überall in der Käthchenstadt. 1985 war zum letzten Mal ein ähnliches Ereignis, die Landesgartenschau, in der Stadt. Dafür suchte die Verwaltung gemeinsam mit der Volkshochschule Stadtführer. „Ich war daheim mit meinen drei Kindern und auch ehrenamtlich engagiert, aber ich brauchte noch etwas für den Kopf“, erinnert sich Edith Süßenbach. Also bewirbt sie sich auf den letzten Drücker. Von 66 Anwärtern dürfen 22 den Kurs besuchen, nur die Hälfte besteht später die Prüfung. „Ich behaupte, unser Kurs war der schwerste, auch weil es Neuland war.“ Wie Studenten seien sie in die Bibliotheken ausgeschwärmt, paukten das Käthchen „bis zum Erbrechen“, hörten alles über Wein, Hochschule, Geschichte und mehr. „Ich musste das Lernen erst wieder lernen, aber meine Kinder unterstützten mich, fragten ab und entwickelten richtigen Ehrgeiz, dass ihre Mutter gut abschneidet“, erzählt sie
lachend.

Die Prüfung besteht die gelernte Fotografin und Fotolaborantin mit Bravour. Keine acht Tage später wartet auch schon die erste Gruppe auf den Frischling. „Es waren Vertreter verschiedener Städte und ich dachte, ich sterbe“, erinnert sich Süßenbach. Dann aber habe sie sich gesagt, sie brauche sich nicht zu verstecken. Tracht angezogen – bis heute blauer Rock/Hose, weiße Bluse und rote Jacke mit entsprechendem Halstuch und Schirm – und losgelegt. „Der damalige OB Weinmann legte sehr großen Wert darauf, dass wir Röcke tragen, deswegen hab ich bis heute ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal eine Hose wähle“, gibt sie zu.

Die Stadt verändert sich über die Jahre, neue Attraktionen kommen dazu. Bollwerksturm und experimenta gehören nun zu jeder Führung dazu. Süßenbach hat auch viele Ideen. Als man anfängt, Stadtführungen als Event zu sehen, nimmt sie eine Gruppe mit auf den Hafenmarktsturm zum Sektempfang. „Damals hab ich noch alles selbst hoch geschleppt, dagegen sind das heute paradiesische Verhältnisse.“ Auch hat sie die Idee, den Fluss in den Mittelpunkt zu rücken, als der Neckar touristisch noch gar nicht erschlossen ist und seit Neuestem bietet sie Touren über die Baustellen der Stadt.

Die Stadtführungen machen Edith Süßenbach aber nicht nur Spaß, sondern sie sind auch ein Zusatzverdienst, als sie nach der Trennung von ihrem Mann wieder anfängt zu arbeiten. Bei der Polizei findet sie eine Stelle im Labor, arbeitet wieder in ihrem Beruf, bevor sie als Personalratsvorsitzende zehn Jahre freigestellt ist. Sogar dort gehören Führungen der fünffachen Oma zum offiziellen Fortbildungsprogramm, ihr Dienstherr ermöglicht ihr viele Freiheiten für ihren Zweitberuf.

Auch im Stadtmarketing tut sich viel. Das Image der Krämerstadt verbessert sich, neue Generationen von Stadtführern ergänzen das Team. „Ich weiß nicht, wie häufig ich den Satz gehört habe, dass jemand nie gewusst hat, wie schön Heilbronn ist.“ Die Einwohner würden vieles wie den tollen Blumenschmuck als selbstverständlich nehmen. Eines aber ist geblieben. „Die Leute müssen immer spüren, dass du deine Stadt liebst, und das tue ich.“

Stefanie Pfäffle