Austausch auf Augenhöhe

Zusammenarbeiten und sich ergänzen, das ist ein zentraler Wunsch der Gen Z. Chiara Steurer (rechts) und Petra Hildenbrandt von der Arbeitsagentur Heilbronn arbeiten als Tandem. Die guten Erfahrungen, die sie damit machen, wollen sie im Rahmen ihres Projekts #BabyboomerMeetsGenZ auch mit anderen teilen. Foto: Denis Bayrak

Wie tickt die Generation Z und wie können Unternehmen sie von sich überzeugen? Babyboomerin Petra Hildenbrandt und Gen Z Chiara Steurer von der Arbeitsagentur Heilbronn geben Tipps und stellen ihr Tandem-Projekt #BabyboomerMeetsGenZ vor.

Welche Erwartungen haben junge Menschen heute an ihren Job?

Chiara Steurer: Sie wollen eigene Projekte realisieren und haben oft eine gewisse Vorstellung, was sie in die Projekte einbringen möchten. Sie wollen kreativ werden können, in Entscheidungen einbezogen werden und Verantwortung übernehmen. Ein Austausch auf Augenhöhe, so wie bei uns beiden, das ist der Gen Z ganz wichtig: Nicht mehr die klassische Patenschaft, sondern eher die Arbeit in einem Tandem ist gefragt. Auch muss der Job zum Lebensstil passen und eine gewisse Work-Life-Balance ermöglichen. Hinzu kommt der Wunsch nach einem sinnstiftenden oder erfüllenden Job, in dem persönliche Stärken und Kompetenzen abgerufen werden können und bei dem man den Sinn hinter der Arbeit versteht. Damit einhergehen sollten die Wertschätzung am Arbeitsplatz und zeitnahes, regelmäßiges Feedback.

Inwiefern unterscheiden sich diese Erwartungen zu früher?

Petra Hildenbrandt: Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist heute eher gering. Wir haben einen Arbeitnehmermarkt, bei dem die Bewerber ziemlich fordernd auftreten können. Früher hatte eine sichere Beschäftigung einen hohen Stellenwert, da war das nicht selbstverständlich. Hinzu kam das Hierarchiedenken in den Unternehmen mit seinen vielen Zwischenebenen. Heute geht man über zu flachen Hierarchien und überträgt Verantwortung auch an die Fachexpertise. Der Purpose, von dem man heute so gerne spricht, das Warum hinter den Handlungen, hat einen hohen Stellenwert.

Können Benefits die Jobwahl entscheidend beeinflussen?

Steurer: Auf jeden Fall – und die Gen-Z-Bewerber schauen sich diese auch an und vergleichen. Interessant sind hier zum Beispiel ein Arbeitszeitmodell auf Vertrauenszeit, die Flexibilität des Arbeitsplatzes durch Homeoffice und eine moderne technische Ausstattung in den Arbeitsräumen, die dann auch für zu Hause gestellt wird. Zusätzlich vielleicht Aufenthaltsräume, die modern gestaltet sind. Das sieht man in ganz großen Unternehmen, die teilweise riesige Freizeitmöglichkeiten für die Pausen haben, weswegen die Mitarbeiter auch länger bleiben.

In welchem Bereich sind die jungen Leute bereit, Kompromisse einzugehen?

Steurer: Das ist von Mensch zu Mensch individuell sehr verschieden. Die GenZ ist ja nicht nur eine Einstellung oder eine Person. Ich glaube, dass dieses Sicherheitsmotiv abgenommen hat und man entweder das Selbstverwirklichungsmotiv hat oder auch das Geldmotiv, weil man in die Führungsriegen gehen möchte. Davon hängt es ab.

Hildenbrandt: Die Generation Z reicht von 1995 bis 2007 und das ist natürlich ein Riesenspektrum. Gleichzeitig ist es abhängig davon, wie diejenigen im Privatleben stehen: Die einen sind Single, unabhängig und völlig flexibel, die anderen haben vielleicht schon eine junge Familie und haben deshalb andere Wünsche, wie etwa mehr Homeoffice oder eine höhere Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit etc. Aber auch die persönlichen Motive spielen eine Rolle. Es gibt bei der Gen Z genauso Beispiele für echte Macher.

Welche Chancen und Herausforderungen beinhaltet die Integration der Gen Z in den Arbeitsmarkt?

Hildenbrandt: Die Herausforderung und gleichzeitig die Chance in den Unternehmen besteht darin, dass man sich auf die Generation Z einlässt, neugierig aufeinander ist, Toleranz zeigt und sich auf Augenhöhe, beispielsweise in einem Tandem, austauscht und aktiv zuhört. Dass man als alter Hase auch bereit ist, von der Gen Z zu lernen. Es ist eine Frage des Mindsets, sich dafür offen zu zeigen.

Im Grunde ist das genau das, was Sie beide als Tandem bei der Arbeitsagentur bereits machen.

Steurer: Genau. Für uns ist es auch eine Chance, dass durch diesen generationenübergreifenden Businesstransfer eine Win-win-Situation entsteht. Das bedeutet: Die Älteren lernen von den Digital Natives Know-how in den technischen Bereichen, und die jungen Menschen profitieren von den Fachkenntnissen, in denen die Babyboomer bereits viel Erfahrung haben. Unser Projekt #BabyboomerMeetsGenZ beinhaltet im Grunde genau dieses Aufeinandertreffen der beiden Generationen auf Augenhöhe in der Form eines Tandems. Wir gehen weg vom Patenschaftsgedanken und der Devise „Du lernst von mir“, hin zum „Wir lernen voneinander und profitieren auch voneinander“, also von neuen Ideen und bisherigen Erfahrungen. Wir gehen gemeinsam Projekte an und übergeben uns Aufgaben auch längerfristig. Netzwerke, die bereits aufgebaut wurden, werden weitergegeben und durch neue erweitert.

Hildenbrandt: Interessant in der Außenwirkung ist auch, was wir von der Gen Z und Startups mitbekommen. Zum Beispiel werden die jungen Kollegen in Unternehmen oder bei Kunden viel stärker akzeptiert, wenn sie im Tandem mit einem erfahrenen Kollegen unterwegs sind.

Steurer: Das Wichtigste ist die Bereitschaft, Neues zu lernen und sich darauf einzulassen. So ein Tandem ist eine freiwillige Angelegenheit, beide Seiten müssen dahinterstehen und offen dafür sein. Denn sie werden dabei natürlich mit neuen Ideen oder neuen Arbeitsweisen konfrontiert.

Welche Rolle spielen Jobmessen und Social Media-Plattformen für die Unternehmen, um mit den jungen Menschen in Kontakt zu kommen und sie von sich zu überzeugen?

Steurer: Job- und Ausbildungsmessen haben den Vorteil, dass man mit Leuten persönlich in Kontakt kommt, die bereits in den Betrieben beschäftigt sind. Sie können einem ein Gefühl für das Unternehmen und die Belegschaft geben. Das kann natürlich total sympathisch wirken und die Wahrscheinlichkeit auf eine Bewerbung steigern. Wer auf eine Jobmesse geht, beschäftigt sich in dem Moment bewusst mit seinem Arbeitsleben. Anders ist das bei Social Media. Clips, die ich dort sehe, konsumiere ich vor allem in meiner Freizeit. Wenn dann etwas von einem Unternehmen auftaucht, steht das in einem ganz anderen Kontext. Ich glaube, dass solche Clips nicht unmittelbar zu einer Bewerbung führen, im Gegensatz zu einem Besuch bei einer Jobmesse. Generell können sie aber zu einer Imageverbesserung oder -veränderung beitragen.

Image ist ein immer größeres Thema in Unternehmen?

Hildenbrandt: Employer Branding wird immer wichtiger – dass die Unternehmen ihre Brand gut und überzeugend präsentieren und sich als attraktive Arbeitgeber positionieren. Denn wie erwähnt sind es inzwischen die Unternehmen, die sich bei den Fachkräften bewerben müssen, wenn sie Experten und gute Leute haben wollen. In diesem Bereich werden auch die Unternehmen eine andere Denke einnehmen müssen.

Beispielsweise wenn es um einfachere Bewerbungsverfahren geht?

Hildenbrandt: Eine Möglichkeit für die Unternehmen ist ein attraktiver Website-Auftritt, auf der sich die Bewerber mit wenigen Schritten einfach bewerben können. Nicht zig Hürden aufstellen und vor allem schnell Rückmeldung geben.

Steurer: Aus meiner persönlichen Erfahrung und was ich von meiner Generation gehört habe, war oft die Antwort auf die Frage, warum man sich jetzt dafür entschieden hat: „Die waren am schnellsten“. Wenn man eine Zusage hat – und häufig hat man mehrere – und sich für einen Job entschieden hat, dann will man eine gewisse Sicherheit. Die Wenigsten warten dann noch lange ab, denn die Angst ist eben auch da, dass die Stelle dann wieder weg ist. Deshalb ist eine schnelle Rückmeldung seitens der Unternehmen sehr wichtig.

Hildenbrandt: In unserer Arbeitsmarktberatung ermutigen wir die Firmen, die es noch nicht haben, ein HR-Softwareprogramm für die Abwicklung des ganzen Bewerbungsmanagements einzusetzen. Das spart enorm Zeit. Wir wissen von Firmen aus der Zeitarbeitsbranche, die bereits KI einsetzen, um die ganzen Bewerbungen vorzusondieren, und sehr schnell reagieren zu können.

Wie sieht es mit den daran anschließenden Bewerbungsgesprächen aus?

Hildenbrandt: Das ist dann der zweite Schritt. Im ersten Schritt geht auf unterschiedlichen Plattformen eine kurze Bewerbung ein. Dann selektiert das Unternehmen und lädt im zweiten Schritt zum Videocall ein.

Steurer: Videointerviews werden hier immer wichtiger. Gerade in meiner Generation werden häufig Au Pairs oder Auslandsjahre gemacht. Da ist es nicht möglich, von dort für jedes Vorstellungsgespräch ins Land zu fliegen.

Was müssen die Unternehmen also tun, um für Bewerber attraktiver zu werden?

Steurer: Die Unternehmen sollten sich flexibler aufstellen und auf die Bedürfnisse eingehen. Das beginnt beim Bewerbungsverfahren, bei dem auch ein Interview per Video möglich sein sollte. Aber auch am Arbeitsplatz. Heute sind Lohnverhandlungen sehr viel üblicher als früher. Auch sollten Frauen dazu ermutigt werden, zu verhandeln. Hinzu kommt die Implementierung von New Work: Das heißt, nicht mehr der Obstkorb ist der Benefit, sondern man überlegt sich, wie Arbeitszeit und Arbeitsplatz attraktiver gestaltet werden können. Und dabei bindet man die Belegschaft der Gen Z bereits mit ein. Das fehlt mir bei vielen derzeit noch.

Hildenbrandt: Das können so ganz einfach Dinge sein, wie „darf ich meinen Hund mit an den Arbeitsplatz bringen“? Das ist für manche ein entscheidendes Kriterium, ob sie einen Job anfangen oder nicht.

Interview: Birgit Kalbacher

Zu den Personen

Petra Hildenbrandt und Chiara Steurer arbeiten bei der Arbeitsagentur Heilbronn. Als „Berater Qualifizierung Beschäftigter“ geben sie Arbeitgebern Tipps, wie sie Stellenausschreibungen attraktiv gestalten können und welche Förder- und Weiterbildungsmöglichkeiten es für ihre Beschäftigten gibt. Ihre gemeinsamen Erfahrungen wollen sie mit ihrem Projekt #BabyboomerMeetsGenZ bekannter machen und zur Nachahmung anregen.