„Bedingungsloses Ringen um Qualität“

Die Salzburger Festspiele sind ein Exot zwischen klassischen Unternehmen. Dennoch sind sie Weltmarktführer. Und zwar in der Welt der klassischen Musik. Die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler spricht im Interview über das Erfolgsrezept.

Frau Dr. Rabl-Stadler, die Salzburger Festspiele sind als Kulturmarke weltberühmt, gelten als das bedeutendste Festival der klassischen Musik. Wie haben Sie es geschafft, Kultur zur Marke zu machen?

Rabl-Stadler: Schon die Gründer der Festspiele, der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal, der Regisseur Max Reinhardt und der Komponist Richard Strauss erdachten die Festspiele nicht als lokales Ereignis, sondern als Weltereignis. Sie träumten mitten im ersten Weltkrieg davon, in Salzburg, die Stadt, die Hofmannsthal so wunderbar als „Herz vom Herzen Europas“ beschrieb, ein Festspiel zu machen. Und dann natürlich war von Anfang an die Qualität der Auftrag. Nicht ein Komponist – wie zum Beispiel Richard Wagner in Bayreuth – steht im Mittelpunkt, sondern „Oper und Theater und von beidem das Beste“.

Seit 1920 sind die Salzburger Festspiele erfolgreich. War das abzusehen?

Rabl-Stadler: Die Festspiele wurden nicht wie viele andere Festivals gegründet, um ein Fremdenverkehrsloch zu füllen. Sie sollten Friedenswerk und Identitätsstifter zugleich sein. 1920 herrschte in Salzburg Hunger und Not. Die Menschen hatten Angst, dass ihnen die Festspielbesucher das Brot wegessen. Aber der damalige Salzburger Landeshauptmann, Franz Rehrl, sagte: „Nein, die Besucher essen euch das Brot nicht weg, sondern der Fremdenverkehr wird euch einmal Brot geben.“ Rehrl hat an die künstlerische und ökonomische Bedeutung der Festspiele geglaubt. Alles Ideen, die zu groß für diese Zeit waren.

Sie sind seit 1994 dabei. Was hat sich seitdem verändert?

Rabl-Stadler: Die Marke ist internationaler geworden. Unser wichtigster Markt ist natürlich der deutschsprachige Raum. Ich glaube aber trotzdem, wenn man die einzige Sprache ohne Grenzen hat, nämlich die Musik, dann muss man diese Internationalität leben. Ich komme gerade von einer „Programm Roadshow“ durch drei Kontinente zurück. Und so bin ich auch überzeugt, dass wir heute mehr denn je als das wahrgenommen werden, was unsere Gründer anstrebten: Salzburg als Kulturhauptstadt der Welt.

Wie werden Veränderungen angenommen? Ist es riskant, ein erfolgreiches Konzept zu ändern?

Rabl-Stadler: Es gibt diesen wunderschönen Spruch im „Gattopardo“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa: „Wenn du willst, dass alles so bleibt, musst du alles ändern.“ Die Festspiele müssen und wollen sich alljährlich programmatisch neu erfinden. Wir wollen die beste Mozartoper und die spannendste Uraufführung. Die Salzburger Festspiele sind Traditionshüter und Trendsetter zugleich.

Was haben Sie erwartet, als Sie vor mehr als 20 Jahren angefangen haben?

Rabl-Stadler: Den schönsten und schwierigsten Job der Kulturwelt – und so war es dann auch.

Wie erklären Sie sich, die weltweite Beachtung der Festspiele?

Rabl-Stadler: Bedingungsloses Ringen um Qualität. Die besten Künstler, die besten Produktionen, die besten Komponisten und Autoren, das beste Publikum. Salzburg ist im Sommer das Epizentrum des künstlerischen Schaffens. 2015 besuchten rund 270 000 Menschen aus 74 Länder, davon 35 außereuropäische, die Festspiele. Im Pressebüro waren im vergangenen Sommer 600 Journalisten aus 35 Ländern akkreditiert; ein unschätzbarer und im Grunde unbezahlbaren Werbeeffekt für Stadt und Land Salzburg, sowie für ganz Österreich.

Wirkt sich dieser Erfolg auch manchmal in Form von Druck aus? Dass man das Gefühl hat, den Erfolg der Vorjahre wiederholen zu müssen?

Rabl-Stadler: Die Salzburger Festspiele sind eines der wenigen produzierenden Festivals dieser Welt. Unsere besondere Anziehungskraft aber auch unser Risiko liegt in der Vielfalt des Programms. Die Mischung von Oper, Schauspiel und Konzert muss stimmen, damit das Publikum kommt. Denn wir müssen 80 Prozent unserer Kosten selbst erwirtschaften, während die durchschnittliche Eigenwirtschaftlichkeit von deutschen Opernhäusern unter 20 Prozent liegt.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?

Rabl-Stadler: Glück – denn das braucht auch der Tüchtige. 

Interview: Anja Gladisch

Zur Person:
Dr. Helga Rabl-Stadler wird am 2. Juni 1948 in Salzburg geboren. 1970 promoviert sie an der Universität Salzburg zum Doktor der Rechte. Im gleichen Jahr beginnt sie in Wien ihre journalistische Laufbahn. 1978 kehrt sie nach Salzburg zurück und wird Prokuristin – später Miteigentümerin – des Modehauses, das ihrer Mutter gehörte. 1985 wird sie als erste Frau Vizepräsidentin und 1988 Präsidentin der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg. Parallel dazu ist sie sieben Jahre lang Nationalratsabgeordnete für die ÖVP und fungiert von 1991 bis 1994 als deren Bundesobmann-Stellvertreterin. Am 11. November 1994 wird sie zur Präsidentin der Salzburger Festspiele ernannt, seit 2011 hat sie auch die kaufmännischen Agenden über. In die Zeit ihrer Präsidentschaft fallen die größten Erfolge im Sponsoring und eine umfassende Renovierung und Modernisierung der Festspielhäuser.