Das Land Baden-Württemberg besitzt eine Besonderheit: In keinem anderen Bundesland gibt es eine Charta zum nachhaltigen Wirtschaften. Bereits 150 Unterzeichner setzen ganz bewusst auf Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen.
Nachhaltiges Wirtschaften soll zu einem Markenzeichen für Baden-Württemberg werden. So steht es im aktuellen Koalitionsvertrag des Landes. Als einziges Bundesland bietet Baden-Württemberg deshalb mit der WIN-Charta ein System, das vor allem kleinen und mittleren Unternehmen ein gut umsetzbares und transparentes Nachhaltigkeitsmanagement bietet. Beim Start im Mai 2014 unterzeichneten 38 Unternehmen aus Baden-Württemberg die WIN-Charta. Seitdem sind bereits 150 Unternehmer dieser Selbstverpflichtung für nachhaltiges Wirtschaften beigetreten..
Die WIN-Charta geht auf die Anregungen des Initiativkreises der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN) zurück, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg ins Leben gerufen wurde. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die WIN-Charta zu einem erfolgreichen Instrument für nachhaltigkeitsaktive Unternehmen entwickelt. Unter anderem erfüllt sie die Anforderungen an die sogenannte Corporate-Social-Responsibility-Richtlinie der Europäischen Union für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die seit Januar 2017 gilt.
Zwölf Leitsätze bilden die Grundlage der WIN-Charta. Inhaltlich decken diese die Säulen der Nachhaltigkeit ab, bestehend aus den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Zudem stehen die zwölf Leitsätze der Charta für gemeinsame Grundwerte und bieten Orientierungspunkte für die Umsetzung im regionalen und lokalen Kontext.
Durch die Unterzeichnung der WIN-Charta verpflichten sich Unternehmen öffentlich zu der in den Leitsätzen formulierten Wertehaltung sowie den aus den Leitsätzen abgeleiteten Zielen. Darüber hinaus erklären sich die Unterzeichner bereit, über die ergriffenen Maßnahmen in einem regelmäßigen Turnus in Form eines standardisierten und damit vergleichbaren Berichtes schriftlich Rechenschaft abzulegen. Dies bietet den Unternehmen die Möglichkeit, ihr nachhaltiges Engagement nach außen zu kommunizieren und so dem steigenden Interesse am Nachhaltigkeitsengagement der Firmen mit sichtbaren Taten nachzukommen.
Kontinuierlicher Dialog
Eine Besonderheit der WIN-Charta ist die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Öffentlichkeit. Es entfällt ein aufwendiges und kostspieliges Prüfungsverfahren durch eine Zertifizierungsstelle oder ähnliches. Stattdessen müssen die Berichte veröffentlicht werden und sind somit den Anspruchsgruppen jederzeit verfügbar. Dadurch wird ein direkter Dialog zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen befördert und der gewünschte Austausch ermöglicht. Die ersparten Aufwendungen für ein Prüfverfahren, beispielsweise durch eine externe Prüfinstitution, fließen stattdessen direkt in ein WIN-Projekt. Das Unternehmen fördert hierbei ein quantifizierendes regionales WIN-Projekt, welches von der WIN-Charta verpflichtend vorgeschrieben ist.
Die WIN-Charta ermöglicht Unternehmen einen gut umsetzbaren Einstieg in nachhaltiges Wirtschaften. Zunächst entwickelt das Unternehmen ein sogenanntes Zielkonzept nach standardisierten Vorgaben, welches es innerhalb eines Jahres umsetzt. Im Anschluss zieht der Unterzeichner in einem Nachhaltigkeitsbericht Bilanz und setzt daran anknüpfend neue Ziele im Rahmen des nachhaltigen Wirtschaftens fest. Somit wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess angestoßen, der das Nachhaltigkeitsniveau von Jahr zu Jahr weiter erhöht und beispielsweise auch in deutlich umfangreichere Berichterstattungen wie die des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) oder des Global Reporting Initiative (GRI) münden kann.
Gleichzeitig sehen aber auch national oder international agierende Großunternehmen, die bereits nach dem DNK oder dem GRI Nachhaltigkeitsberichte erstellen, durch eine zusätzliche Unterzeichnung der WIN-Charta durchaus positive Effekte für ihre Betriebsstätten in Baden-Württemberg. Lokale Standorte können so für die Mitarbeitenden und die direkten Anspruchsgruppen im unmittelbaren Umfeld eine glaubhafte und umsetzbare Nachhaltigkeitsberichterstattung aufbauen und ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit sichtbar und kommunizierbar machen.
Große Vielfalt
Die WIN-Charta-Unternehmen zeichnen sich durch eine große Branchenvielfalt aus und decken Größenordnungen vom Handwerksbetrieb mit wenigen Mitarbeitern bis zum Weltkonzern mit Sitz in Baden-Württemberg ab.
Die Erfahrungen nach dem ersten Jahr mit der WIN-Charta sind vielversprechend. Die teilnehmenden Firmen bestätigen eine Steigerung des Bewusstseins für nachhaltiges Wirtschaften bei den eigenen Mitarbeitenden, der Unternehmensleitung und den Anspruchsgruppen und die Möglichkeit, dies mit der WIN-Charta glaubhaft im Unternehmen zu etablieren sowie nach innen und außen zu kommunizieren.
Im Rahmen sogenannter WIN-Foren werden regelmäßig regional interessierte Unternehmen angesprochen. Die Geschäftsstelle der Nachhaltigkeitsstrategie des Umweltministeriums veranstaltet dafür gemeinsam mit regionalen Unternehmensnetzwerken, Branchenvertretungen oder örtlichen WIN-Charta-Unternehmen in den jeweiligen Regionen Informationsveranstaltungen. Dabei wird die WIN-Charta in Theorie und Praxis vorgestellt und diskutiert.
Peter Wüstner
Zur Person
Peter Wüstner, Jahrgang 1963, engagiert sich heute – nach beruflichen Stationen vom Landratsamt über das Regierungspräsidium bis hin zu Ministerien – als Regierungsdirektor im Umweltministerium Baden-Württemberg. Hier verantwortet er im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg unter anderem die Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN) und war maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung der WIN-Charta beteiligt.