Es gibt immer mehr Kunststoffe auf Pflanzen- statt auf Erdölbasis im Alltag – ob Kaffeekapsel, Bauklotz oder Einkaufstüte, optisch lässt sich kein Unterschied ausmachen. Doch der Preis hemmt noch den Durchbruch der nachhaltigen Alternative.
Hart, trotzdem elastisch, dazu lange haltbar – Kunststoff lässt sich vielseitig verwenden und nur schwer durch andere Materialien ersetzen. Längst ist er ein allgegenwärtiger Begleiter: Jährlich werden davon weltweit fast 400 Millionen Tonnen produziert und in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen eingesetzt. Doch die Herstellung verbraucht große Mengen an Mineralöl und setzt viel Kohlendioxid frei.
Chemiker forschen deshalb seit Jahren an alternativen Plastiksorten, die schneller zerfallen und umweltschonender produziert werden können. Fertigungstechniker Jürgen Pfitzer und Chemieingenieur Helmut Nägele sind Pioniergeister: Noch als Forscher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie entwickelten die beiden Heilbronner in den 90er Jahren Flüssigholz, Lignin, ein Abfallprodukt der Papierindustrie.
Dass sie inzwischen 40 Mitarbeiter in ihrer eigenen Produktion beschäftigen, über mehrere Tausend Rezepturen für die Herstellung von Bioplastik verfügen und den Weltmarkt als Zulieferer für Kaffeekapseln anführen, spiegelt auch die Marktsituation wider: Laut Statista steigt die weltweite Produktionskapazität von Bioplastik stetig an; im vergangen Jahr wurden rund 2,1 Millionen Tonnen hergestellt. Bis zum Jahr 2023 soll sich das Wachstum gemäß Prognose auf etwa 2,6 Millionen Tonnen erhöhen – im Vergleich zur Gesamtproduktion fossil-basierter Kunststoffe macht das aber immer noch weniger als zwei Prozent aus.
Noch ein Nischenprodukt
Die sogenannten Biopolymere werden aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen – üblicherweise aus stärkereichen Pflanzen wie Mais, Kartoffeln, Weizen oder Zuckerrüben. Selbst aus altem Frittierfett lassen sie sich herstellen. „Solche Kreisläufe haben wir inzwischen entwickelt“, sagt Pfitzer mit Blick auf die vergangenen 23 Jahre. Seither betreiben die beiden Wissenschaftler ihre Firma Tecnaro in Ilsfeld.
Auch große Konzerne wie BASF forschen seit Jahren an biologisch abbaubaren Kunststoffen oder an Materialien, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden: Beides wird unter dem Begriff Biokunststoff zusammengefasst. Zu finden sind sie nicht nur in Verpackungen. Dem Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) zufolge wird bereits mehr als ein Viertel kunstaller Biokunststoffe in hochtechnischen Anwendungen eingesetzt: zum Beispiel im Agrar- und Bausektor, in der Automobilindustrie, in Faseranwendungen oder Konsumgütern.
„Wir sind weit darüber hinaus, die nachhaltige Machbarkeit zu beweisen – wir sind sogar soweit, dass Biokunststoffe genauso belastbar sind, wie herkömmliche. Rein technisch wäre es möglich, alle Kunststoffe auf der Basis von Pflanzen zu ersetzen“, führt Pfitzer aus. Allerdings fehlten dafür noch die Rahmenbedingungen. Zudem hat das Thema nicht nur Fürsprecher. Das Bundesumweltamt wirft der Branche missbräuchliches Verwenden von wohlklingenden Namen unter Marketingaspekten vor, so genanntes Greenwashing. Die Landesgesellschaft Biopro Baden-Württemberg hingegen erkennt im Bioplastik sehr wohl eine Alternative, vorausgesetzt, „die biologische Abbaubarkeit sowie die Abfall- und Entsorgungsinfrastruktur werden weiter verbessert“.
Bioplastik ist teurer
Eine Hürde sei aber noch der Preis einiger Bio-Kunststoffe. „Solange die Erdölkosten derart billig gehalten werden, hemmt das das Wachstum der Bioplastikbranche“, schätzt Pfitzer ein. Da Kunststoffe auch künftig in vielen Bereichen unverzichtbar blieben, gebe es langfristig allerdings keine andere Lösung als den Einsatz erneuerbarer und nachwachsender Rohstoffe als Kunststoffbasis. Zu diesem Fazit kommt auch das IfBB. Denn fest steht: Erdöl ist endlich.
Melanie Boujenoui