
Weltmarktführer, Dienstleister, Familienunternehmen: Die Wirtschaft der Region Heilbronn-Franken ist breit aufgestellt. Viele Betriebe sind vor allem in ihren Nischen bekannt. Spezialisierung bringt für Unternehmen sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich, erklärt Christina Nahr-Ettl von der IHK Heilbronn-Franken.
Was sind die Top-Themen für kleine und mittelständische Unternehmen der Region – insbesondere in Nischenmärkten?
Christina Nahr-Ettl: Sie setzen verstärkt auf digitale Technologien. Im Bereich Künstliche Intelligenz und digitale Verwaltung ist ein Trend zu beobachten, der darauf abzielt, spezifische Verwaltungsprozesse durch KI-gestützte Automatisierung zu verbessern. Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung sowie Ressourcenschonung gewinnen bei vielen Unternehmen außerdem an Bedeutung.
Gibt es in der Region Branchen, in denen sich vermehrt innovative Unternehmen etablieren?
Nahr-Ettl: Im Energiesektor, speziell im Bereich der erneuerbaren Energien und umweltfreundlichen Materialien, ist eine wachsende Zahl innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen zu beobachten.
Welche Potenziale bieten Nischenmärkte für Unternehmen im Vergleich zu etablierten Märkten?
Nahr-Ettl: Nischenmärkte sind oft weniger gesättigt als etablierte Märkte und dadurch weniger wettbewerbsintensiv. Dies ermöglicht es kleinen und mittelständischen Unternehmen, sich auf bestimmte Kundengruppen auszurichten. Unternehmen in Nischenmärkten sind bei der Entwicklung oft flexibler.
Und in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit?
Nahr-Ettl: Unternehmen in Nischenmärkten haben die Chance, sich auf nachhaltige Praktiken zu konzentrieren, da sie eine kleinere Zielgruppe ansprechen. Wettbewerbsvorteil ihrer Spezialisierung kann außerdem sein, dass sie widerstandfähiger gegenüber wirtschaftlichen Herausforderungen sind.
Aber es warten sicher auch Herausforderungen?
Nahr-Ettl: Eine Wachstumsherausforderung ist die begrenzte Zielgruppe. Die Abhängigkeit von einigen wenigen Schlüsselkunden oder Schlüssellieferanten kann hoch sein und ist riskant. Gerade kleinere Unternehmen haben oft begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss aber in spezialisierte Fähigkeiten und Technologien investiert werden. Wenn eine Nische erfolgreich ist, besteht die Gefahr, dass Wettbewerbsteilnehmer in die Nischenmärkte eindringen und die Angebote imitieren.
Nahr-Ettl: Eine klare Positionierung mit einem Alleinstellungsmerkmal ist entscheidend für den Unternehmenserfolg. Um sich von Wettbewerbern abheben zu können, müssen sie Einzigartigkeit und den Mehrwert ihrer Produkte beziehungsweise Dienstleistungen herausstellen. Kontinuierliche Innovation trägt dazu bei, in Nischenmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben.
Gibt es in der Region Unterstützungsmöglichkeiten, auf die diese Unternehmen zählen können?
Nahr-Ettl: Existenzgründerinnen und -gründern steht das Startup-Ökosystem Region Heilbronn-Franken zur Verfügung. Im Netzwerk sind zahlreiche Institutionen und Unternehmen tätig, wie die Hochschule Heilbronn, die DHBW Heilbronn, der TUM Campus Heilbronn, die Campus Founders, das IPAI, die Stadt Heilbronn, aber auch die IHK und HWK und viele mehr. Auch für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Die Wirtschaftsjunioren Heilbronn-Franken setzen sich beispielsweise für die Förderung junger Unternehmer ein. Die Wirtschaftsförderer ergänzen das Beratungsangebot regional zum Beispiel zu Fragen der Standortwahl.
Gibt es Initiativen, die darauf abzielen, Unternehmen in spezialisierten Branchen miteinander zu verbinden?
Nahr-Ettl: Ja, es gibt verschiedene Formate, die geeignet sind, um etablierte Unternehmen und Startups zu matchen. Eines dieser Formate ist das jährlich stattfindende digitale Matchingformat „Startup trifft Mittelstand“. Auch der Jungunternehmertreff findet regelmäßig als Netzwerk-Veranstaltung statt. Der jährliche Elevator Pitch Region Heilbronn-Franken richtet sich speziell an Startups und alle, die auf der Suche nach einer neuen Geschäftsidee oder neuen Lösungsansätzen sind. Ein internationales Matchingformat stellt die Slush’D dar. Darüber hinaus gibt es weitere Formate auf Landes- und Bundesebene wie Startup BW Summit. Es ist also niemand auf sich allein gestellt. Denn Netzwerken ist gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen zu empfehlen.
Interview: Teresa Zwirner
Zur Person
Christina Nahr-Ettl verantwortet als Mitglied der Geschäftsleitung den Bereich Unternehmen & International bei der IHK Heilbronn-Franken.