Christoph Werner, Geschäftsführer des dm drogerie markt-Imperiums, musste schon in jungen Jahren lernen, Veränderungen anzunehmen – ohne zu wissen, wie sie die eigene Zukunft beeinflussen. Beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall gewährte er bei der Live-Aufzeichnung des Wirtschaftswoche-Podcasts „Chefgespräch“ intime Einblicke in sein Leben – mit einer klaren Botschaft an Unternehmer.

90.000 Mitarbeiter weltweit, ein Jahresumsatz von 17,7 Milliarden Euro, allein in Deutschland mehr als 2000 Filialen: Varinia Bernau, Ressortleiterin Management und Karriere bei der Wirtschaftswoche, startete die Live-Aufzeichnung einer weiteren Podcast-Folge des WiWo-„Chefgesprächs“ beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ mit den sogenannten harten Fakten zum größten Drogeriekonzern Deutschlands, der Kette dm drogerie markt. Man hätte vermuten können, dass ihr Gegenüber auf der grazilen grauen Tweedcouch den Faden aufnehmen und mit einer Menge weiterer Erfolgszahlen und selbstbewussten Botschaften aufwarten würde. Aber so kam es nicht. Christoph Werner, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung, wurde sehr persönlich. Und lieferte damit die entscheidenden unternehmerischen Botschaften für das Publikum im Veranstaltungssaal der Bausparkasse in Schwäbisch Hall.
Werner führt das Familienunternehmen in zweiter Generation. Sein Vater, erzählte der dm-Chef, hätte dem neugierigen Sohn geduldig unzählige Fragen beantwortet. Der Senior sei ein echter Unternehmer gewesen, der sein Unternehmen durch alle „Aggregatszustände“, wie Werner die Phasen des kontinuierlichen Wachstums nannte, geführt und groß gemacht habe. Statt Ratschlägen erhielt der Sohn nebenbei eine väterliche Lektion darin, an Herausforderungen zu wachsen und Veränderungen anzunehmen, „denn wenn ein Unternehmer sich nicht mit seinem Unternehmen verändert, kann ein Unternehmen sich in gewisse Aggregatszustände nicht mehr weiter verwandeln. Dann geht es entweder ein oder wird verkauft“, sagte Werner.
Veränderungen annehmen und an ihnen wachsen
Wie wichtig dieses väterliche Vorbild schon bald werden würde, ahnte er vermutlich damals nicht. Doch Veränderungen anzunehmen und an ihnen zu wachsen, so wie es sein Vater ihm nach seinen Worten vorgelebt hatte – das musste Christoph Werner auch abseits seiner beruflichen Biografie im Privaten lernen. Etwa, als er seinen Kindheitswunsch begrub, Hubschrauberpilot zu werden. Denn von klein auf habe er eigentlich nicht dm-Nachfolger, sondern Rettungsflieger werden wollen, auch „weil ich ein bisschen den Eindruck hatte, Unternehmen seien Krawattensilos“, umschrieb er es. Als einziger Junge aus seiner Klasse habe er sich für die Bundeswehr entschieden – nur dort habe man in den 1980er Jahren die entsprechende Pilotenausbildung machen können.

Christoph Werner sattelt um auf Plan B
Warum es dann doch das BWL-Studium wurde – „der beste Weg ins Krawattensilo“, wie Bernau feststellte? Mit seinem Vater sei er in dieser Zeit quer durch die Republik gefahren und habe dm-Märkte besucht, „da hat es angefangen, mich zu interessieren“, erinnerte sich Werner. Entscheidend war nach seinen Worten aber kurz vor dem Abitur die Erzählung eines Bekannten, dessen Vater bei der Luftwaffe gewesen war. Nach dem Krieg habe Deutschland keine Luftwaffe – und somit auch keine Piloten – mehr gebraucht, und daraufhin sei dieser Mann nie mehr geflogen und habe auch nie wieder einen Beruf gefunden, der seinen Fähigkeiten entsprach. „Das schlug bei mir ein“, sagte Werner. Plötzlich musste ein Plan B her. Was wäre, wenn er irgendwann nicht mehr fit genug für den Traumjob wäre und ausgemustert würde?
Werner ließ sich bei der Bundeswehr zunächst zurückstellen, begann eine duale Ausbildung bei tegut, „und da habe ich Feuer gefangen“. Plötzlich war sie da, die veränderte Perspektive, die der heutige Geschäftsführer als Schüler vermutlich für unmöglich gehalten hätte. Und die seinen bisherigen Lebensentwurf änderte: BWL-Studium, berufliche Stationen unter anderem bei L’Oréal, und schließlich 2010 der Eintritt in den dm-Kosmos, 2019 dann die Übernahme der Geschäftsführung.
In Wagnissen steckt immer die Möglichkeit, dass alles gut wird
Dass sich Pläne und Umstände ändern können, hatte Christoph Werner zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach erlebt. Am einschneidendsten vielleicht, als er gerade 20 Jahre alt war: „Ich habe meine Frau früh kennengelernt. Sie kommt aus Südafrika und war bei uns als Au-Pair tätig. Wir haben uns damals verliebt. Sie ist zurückgegangen und als sie zu Hause war, hat sie festgestellt, dass sie mit unserem Sohn schwanger ist“, erzählte er. „Eine Situation, in der all die Vorstellungen, wie mein Leben laufen soll, in Frage gestellt waren“, erinnerte er sich. Damals entschied sich das Paar, die Verantwortung anzunehmen – heute sei sein Sohn längst erwachsen und ein „Meisterstück“. Werners Botschaft: „Es ist wichtig, in solchen entscheidenden Momenten immer die Chancen und Potenziale zu sehen – und nicht den Ängsten zu viel Raum zu geben.“
Der Appell des dm-Chefs berührte die Zuhörer und schenkte Zuversicht – in Zeiten, in denen oft vom Erfolgsfaktor unternehmerischer Risikofreude und dem Mut zu Veränderungen gesprochen wird. Dass in Wagnissen auch immer die Möglichkeit steckt, dass alles gut wird – dafür ist Christoph Werners Biografie wohl ein Musterbeispiel.
Natalie Kotowski