Clemens Krüger über Familienunternehmen

Clemens Krüger; FIF; Familienunternehmen
Clemens Krüger ist akademischer Mitarbeiter am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF). Foto: Staud Studios GmbH

43 Prozent der deutschen Familienunternehmen stehen laut ifo Institut vor der Nachfolgeplanung. Clemens Krüger rät, potenzielle Nachfolger frühzeitig auf die Aufgaben vorzubereiten.

Fast die Hälfe der Familienunternehmen stehen vor der Nachfolgeplanung: Wie können Familienunternehmen eine erfolgreiche Übergabe an die nächste Generation sicherstellen?

Clemens Krüger: Für die Führungsnachfolge braucht es eine systematische Entwicklung von Nachfolgekandidaten aus der Familie. Potenzielle Nachfolger sollten daher frühzeitig durch Aus- und Weiterbildung auf ihre Rolle vorbereitet werden. Außerdem ermöglicht eine schrittweise Übertragung von Aufgabenbereichen und Verantwortlichkeiten, die nötigen Managementkompetenzen aufzubauen. Persönliches Coaching durch den Senior sowie externe Beratung unterstützen dabei einen reibungslosen Know-how-Transfer. Wichtig ist jedoch eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen Senior und Junior.

Und wie können die Fähigkeiten des Nachfolgers entsprechend entwickelt werden?

Krüger: In Zukunft wird die Entwicklung von Dynamischen Fähigkeiten unerlässlich. Die Idee dahinter beschreibt die Fähigkeit von Unternehmen und Individuen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Dies ist besonders für Nachfolger in Familienunternehmen relevant, da sie Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft führen müssen.

Wieso sind Dynamische Fähigkeiten so wichtig?

Krüger: Durch die gezielte Entwicklung dieser Dynamic Capabilities können Nachfolger die Innovationsfähigkeit, Flexibilität und Zukunftsorientierung der Unternehmen sichern. Indem sie Bewährtes weiterentwickeln und zugleich mutig neue Wege gehen, machen sie Familienunternehmen widerstandsfähig gegen Krisen sowie fit für künftige Herausforderungen.

Welche Skills sind für eine reibungslose Nachfolge noch wichtig?

Krüger: Um Nachfolger auf die zukünftigen Herausforderungen des Unternehmens vorzubereiten, müssen über fachliche Qualifikationen hinaus bestimmte Schlüsselkompetenzen entwickelt werden. Dazu gehören Change Management Fähigkeiten, Lernbereitschaft, Ambidextrie, Netzwerkdenken, globale Perspektive, digitales Mindset, Empathie und Kommunikation sowie systemisches Denken. Diese Kompetenzen können durch Learning by Doing, Mentoring, Weiterbildungen, Networking, Auslandsaufenthalte und die frühzeitige Einbindung in Veränderungsprozesse erworben werden. Wichtig ist eine Kombination aus praktischer Erfahrung und Reflexion des Gelernten sowie die Unterstützung durch Coaches. So können Nachfolger die Innovationsfähigkeit und Zukunftsorientierung von Familienunternehmen sichern und den Erfolg auch in Zeiten des Umbruchs erhalten.

Inwiefern sollten Ihrer Meinung nach auch nicht-familienbezogenen Führungskräfte involviert werden?

Krüger: Die Einbindung externer, nicht-familienbezogener Führungskräfte kann die Zukunftsfähigkeit von Familienunternehmen entscheidend stärken. Sie bringen wertvolle Erfahrungen und fachliche Expertise aus anderen Unternehmen ein. Externe Manager sorgen zudem für mehr Objektivität in Entscheidungsprozessen und ergänzen die familienbezogenen Sichtweisen. Damit schaffen sie Raum für Innovation und Weiterentwicklung. Zudem kann die Akzeptanz bei externen Stakeholdern durch Führungskräfte von außen erhöht werden. Als Coaches und Mentoren für die Nachfolger aus der Familie tragen externe Manager zur Professionalisierung von Governance und Managementprozessen bei. Die ausgewogene Mischung aus familieninternen und -externen Führungskräften vereint damit die Vorteile beider Seiten und trägt zum langfristigen Erfolg von Familienunternehmen bei.

Stichwort Erfolg: Welche Faktoren beeinflussen denn das Wachstum von Familienunternehmen?

Krüger: Familienunternehmen verfügen über besondere Stärken, die ihre langfristige Kontinuität und ihren Erfolg sichern. Neben der gezielten Entwicklung und Förderung des Führungsnachwuchses sind weitere Faktoren entscheidend. Professionelle Governance-Strukturen und klare Regeln schaffen Stabilität in Entscheidungsprozessen und bei der Nachfolgeplanung. Risikomanagement und Controlling ermöglichen vorausschauendes, langfristig orientiertes Handeln. Eine Innovationskultur, die kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen, ist wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit. Loyale, engagierte Mitarbeiter, die die Werte des Unternehmens teilen, sind ein zentraler Erfolgsfaktor. Die einzigartige Identität der Marke gilt es behutsam weiterzuentwickeln. Der strategische Einsatz neuer Technologien eröffnet Potenziale. Die Erschließung neuer Märkte schafft Wachstumsmöglichkeiten. Eine sinnstiftende Vision gibt gerade in Krisenzeiten Orientierung. Solide Finanzen bilden die Basis für langfristige Entscheidungen. Insgesamt ist es die Kombination verschiedener Faktoren, die Familienunternehmen zukunftsfit macht.

Und wie sind Ihrer Meinung nach insbesondere Familienunternehmen in Baden-Württemberg aufgestellt?

Krüger: Die langjährig gewachsene Unternehmenskultur in Baden-Württemberg bietet Familienunternehmen sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits führen die starke Identifikation von Mitarbeitern und Eigentümern mit Produkten und Marke sowie der Fokus auf kontinuierliche Verbesserung zu Wettbewerbsvorteilen wie solider Finanzierung und erfahrungsbasiertem Know-how. Andererseits können Betriebsblindheit, zögerliche Reaktion auf Veränderungen und inkrementelle Innovation in einer sich wandelnden Umwelt zum Risiko werden. Neue Mitarbeiter und Führungskräfte tun sich möglicherweise schwer, eigene Akzente zu setzen.

Wie können diese Risiken minimiert werden?

Krüger: Zentrale Herausforderungen bestehen darin, Bindung an Bewährtes und notwendige Innovation in Einklang zu bringen, unternehmerisches Risiko einzugehen, Kundenbedürfnisse stärker zu fokussieren sowie Strukturen agiler zu gestalten. Gleichzeitig bilden Werteorientierung, technische Kompetenz und Qualitätsstreben wichtige Erfolgsfaktoren. Die geplante Übergabe an die nächste Generation kann frischen Wind in die Führung bringen. Insgesamt geht es darum, eine Balance zwischen Evolution und Revolution zu finden. Offene Kommunikation und gezielte Impulse von außen können helfen, Stärken zu nutzen und Anpassungsfähigkeit zu erhalten.

Stichwort Innovationen: Welche Entwicklungen sehen Sie hier mit Blick auf Trends wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung?

Krüger: Aktuelle Entwicklungen wie Deglobalisierung, Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel und neue Technologien stellen Familienunternehmen vor große Herausforderungen. Inkrementelle Innovation und „Business as usual“ reichen in diesen turbulenten Zeiten nicht mehr aus. Stattdessen müssen Familienunternehmen ihre traditionellen Stärken gezielt nutzen: Schnelle, unkomplizierte Entscheidungswege, langfristiger Investitionshorizont, Mut, Dinge anders anzugehen sowie die Kraft ihrer Werte und Kultur. Indem sie Veränderungen proaktiv und mit Weitsicht angehen, können sie durch die kluge Verbindung von Tradition und Fortschritt die Zukunft aktiv gestalten, statt nur zu reagieren.

Interview: Teresa Zwirner