Nicht nur den Schulbetrieb, auch den Ausbildungsmarkt hat die Corona-Pandemie durcheinandergebracht. Jugendliche, Eltern und Firmen sind verunsichert. Die gute Nachricht: Es gibt immer noch freie Stellen zu besetzen.
Masken, Abstand, Hygieneregeln: Corona bestimmt seit Monaten unseren Alltag. Es gibt kaum Bereiche, die nicht betroffen sind. Allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen stehen vor den Herausforderungen, im Herbst in den Regelbetrieb aufrechtzuerhalten. Noch unversorgte Schulabgänger müssen versorgt werden, im besten Fall durch Ausbildungsverhältnisse oder aber durch weiterführende Schulformen. Doch viele Veranstaltungen zur Orientierung konnten nicht stattfinden. „Dies hat Auswirkungen auf die Berufswahl und das komplette Bewerbungsverhalten“, sagt Gerald Fichtner, Leiter Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Heilbronn-Franken. „Durch die Schulschließungen fanden Bewerber und Ausbildungsplatzangebote nur schwer zueinander. Sämtliche Messen und Berufsorientierungsveranstaltungen sind seit Frühjahr entfallen und konnten nur punktuell mit digitalen Angeboten kompensiert werden“, stellt auch Michaela Maier von der Handwerkskammer (HWK) fest.
Unternehmen mussten ihre Bewerbungsverfahren – von der Ansprache bis zur Auswahl – umstellen und sind nach wie vor dabei, sich neue Prozesse hierfür zu überlegen und einzuführen. „Erfreulicherweise haben die Unternehmen ihre Vertragszusagen auf breiter Front trotz Corona aufrechterhalten, so dass es nur einzelne Vertragsauflösungen vor Beginn coronabedingt gab. Ein Rückgang ist jedoch vor allem bei den sonst üblichen, noch kurzfristig bereit gestellten Ausbildungsplätzen kurz vor Ausbildungsbeginn feststellbar – vor allem von kleineren Betrieben“, berichtet Fichtner. Branchen, die von der Corona-Krise besonders stark betroffen sind, etwa die Gastronomie, die Veranstaltungs- und Tourismusbranche, aber auch Teile des Einzelhandels, zeigen sich laut IHK zurückhaltend mit neuen Angeboten. Ähnliches stellt Maier auch im Handwerk fest: „Viele Betriebe haben sich seit März 2020 abwartend verhalten, da man nicht wusste, welches Ausmaß die Pandemie nehmen würde. Insofern waren die meisten eher bemüht, ihren bestehenden Personalstamm zu halten und Zukunftsplanungen erst anzugehen, wenn man abschätzen kann, wie die Dinge sich weiterentwickeln“, sagt Maier.
Dennoch gibt es nach wie vor unbesetzte Stellen. Zum 31. August waren in der Lehrstellenbörse der IHK noch 174 Stellen frei, bei der HWK sogar 916. Im Handwerk stehen die Chancen also besonders gut, noch einen Ausbildungsplatz zu bekommen. In einigen Gewerken herrsche laut HWK schon seit längerer Zeit Azubimangel, insbesondere in den Nahrungsmittelhandwerken sowie bei Sanitär-, Heizung-, Klima- und Baubetrieben. Durch die Corona-Pandemie habe sich der Mangel aber in diesem Jahr auf fast alle Bereiche ausgeweitet.
Mehr Stellen als Bewerber
Insgesamt gebe es, auch landesweit, immer noch mehr freie Ausbildungsstellen als Bewerber. „Hier besteht, wie auch in den letzten Jahren, nach wie vor ein Missverhältnis zwischen den von den Bewerbern favorisierten Berufen und den konkreten Angeboten“, meint Fichtner. Wer flexibel sei, habe noch gute Chancen, als Nachrücker einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Auch die Durchführung der Ausbildungen hat sich durch Corona verändert. Neben neuen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz wurde sie in den Bereichen, in denen dies möglich ist, deutlich digitaler. „Grundsätzlich haben in den letzten Monaten sowohl die Unternehmen als auch die Berufsschulen mit dem Einsatz unterschiedlicher digitaler Angebote auf die Corona-Krise reagiert und die Durchführung der Ausbildung sichergestellt“, berichtet Fichtner. Wie gut eine Ausbildung im Home-Office funktioniert, hängt allerdings stark davon ab, ob sie im kaufmännischen oder im handwerklichen Bereich stattfindet. Wo Präsenz unabdingbar ist, gilt eben Maskenpflicht.
Dirk Täuber