Ein Quantencomputer könnte 10.000-mal schneller sein als ein klassischer Großrechner. Viele Probleme ließen sich damit lösen, doch es gibt auch Risiken, etwa im Bereich Sicherheit. Quantenphysiker Markus Pflitsch über Bits, Qubits – und das Element des Zufalls.
Das Aufkommen superintelligenter KI ist entweder das Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann. Das ist ein Zitat von Stephen Hawking. Wie stehen Sie dazu?
Markus Pflitsch: Zunächst einmal glaube ich, dass die Entwicklung in diese Richtung geht und sich die Systeme sozusagen kreativer und intelligenter entwickeln werden. Klassische AI, wie wir sie kennen, wird aus meiner Sicht aber zu keiner Gefahr für uns. Wo man bei der Entwicklung jedoch auf- passen muss, ist, wenn man AI auf Quantensystemen laufen lässt.
Ihr Spezialgebiet ist Quantencomputing. Welche Vorteile hat ein Quantencomputer im Vergleich zum klassischen Computer?
Pflitsch: Der große Vorteil eines Quantencomputers ist die Geschwindigkeit, mit der gewisse Probleme gelöst werden können. Wir werden durch ihn eine dramatische Beschleunigung in zahlreichen Bereichen erleben.
Warum ist ein Quantencomputer so viel schneller?
Pflitsch: Klassische Computer verwenden Bits als Grundeinheit von Daten. Sie schreiben den Code binär als 1 oder 0. Einfach ausgedrückt, zeigen diese Einsen und Nullen den Zustand ein oder aus an.
Wie sieht das bei einem Quantencomputer aus?
Pflitsch: Ein Quantencomputer rechnet mit Qubits, die mehr oder weniger die Werte zwischen 0 und 1 einnehmen können. Diese Qubits sind miteinander verschränkt. Das generiert den Quantencomputer, der eine exponentielle Zunahme seiner Rechenleistung zeigen wird. Das heißt, mit zunehmender Anzahl von Qubits steigt die Rechenleistung exponentiell an. Das macht ihn so schlagkräftig, weil er früher oder später auf dieser Exponentialfunktion alles überholt, was klassisch denkbar ist.
Können wir als Mensch damit noch mithalten und die Lösungen des Quantencomputers nachvollziehen?
Pflitsch: Das ist eine sehr gute Frage. Die generative AI, beispielsweise Large Language Models − das kann heute schon ein klassischer Computer. Diese Systeme sind in gewissen Dingen schon jetzt besser und schneller als ein menschliches Gehirn. Das hat aber mit Intelligenz oder Kreativität nichts zu tun, denn der klassische Computer ist rein deterministisch. Wir werfen etwas rein und kriegen deterministisch et- was raus. Beim Quantencomputer kommt das Element des Zufalls hinzu. Dadurch werden wir nicht mehr genau nachvollziehen können, wie genau der Quantencomputer seine Rechenoperation macht.
Dann wären wir wieder bei der Frage, welche Risiken auf uns zukommen …
Pflitsch: Genau das ist hier in der Tat der qualitative Unterschied zwischen klassischer AI und AI auf einem Quantencomputer. Ob es gefährlich wird, ist eine andere Frage, aber ein Quantencomputer wird Ergebnisse auswerfen, die auch überraschend sein können. Hier werden wir natürlich an einen Punkt kommen, an dem wir den Berechnungen des Computers vertrauen müssen, sei es bei personalisierten Medikamenten oder einem Quantennavigationssystem. Wir machen uns dann von den Ergebnissen des Quantencomputers in gewisser Weise abhängig.
ChatGPT spuckt bei gleicher Fragestellung verschiedene Ergebnisse aus. Wäre das bei einem Quantencomputer genauso?
Pflitsch: Auch das ist eine sehr gute Frage, auf die es nur spekulative Antworten gibt, da wir beim Quantencomputing noch relativ am Anfang stehen. Insbesondere was die Hardware angeht, stecken wir noch in den Kinderschuhen. Es kann in der Tat sein, dass zwei Quantencomputer eine Berechnung machen und hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. In der Statistik wird der Lösungsraum dann wieder determiniert sein.
Was ist denn heute schon anwendbar?
Pflitsch: Schon einiges. Die Quantenalgorithmen können wir heute schon schreiben. Das machen wir bei Terra Quantum schon, in Form eines Qaas-Unternehmens – quanten as a service. Jetzt warten wir noch darauf, dass sich die Quantenchips so entwickeln, dass man sie für die Industrie einsetzen kann. Aktuell haben diese noch viele Fehler, sodass man zwar Versuche machen, sie aber noch nicht wirklich im Unternehmen einsetzen kann.
Das heißt, richtig anwendbar ist das noch nicht?
Pflitsch: Doch, und zwar in Form von hybridem Quantencomputing. Das heißt, wir simulieren die Qubits auf einem klassischen Hochleistungsrechner und schaffen so die Unterlage, auf der Quantensoftware schon laufen kann. Dadurch können wir Teile der Vorteilhaftigkeit eines Quantencomputers heute schon realisieren.
Gibt es konkrete Beispiele, wie Unternehmen hiervon profitieren?
Pflitsch: Ja, nehmen wir einen Logistiker mit mehreren 1000 Trucks. Diese Trucks haben alle eine komplexe Routenplanung. In der Regel fährt so ein Truck mit rund 30 Prozent Leermeilen durch die Gegend. Das ist sowohl kostenintensiv als auch schädlich für die Umwelt. Mithilfe einer quantenbasierten Routenplanung werden diese Leermeilen minimiert und es können hochgerechnet auf die Gesamtflotte jährlich Millionen von Euro gespart werden.
Wenn Quantenalgorithmen so leistungsfähig sind – würde das nicht bedeuten, dass klassische Algorithmen verschwinden werden?
Pflitsch: Jein. Es wird immer eine Koexistenz geben. Man muss sich bei jedem Fall den Use Case anschauen und die Anforderungen prüfen. Denn es gibt gewisse Dinge, die erfahren über einen Quantencomputer keinen größeren Nutzwert.
Gibt es denn auch Nachteile eines Quantencomputers?
Pflitsch: Tatsächlich sehe ich, wenn wir ein paar Schritte weiter sind, nur Vorteile. Wenn man den Energieaufwand betrachtet, den ein Quantencomputer benötigt, ist dieser natürlich sehr hoch. In die Nettoberechnung muss man aber einbeziehen, dass er 10.000-mal schneller als ein klassischer Großrechner ist und somit die Energiekonsumierung im Endeffekt deutlich niedriger. Mit Blick auf das Schlagwort Superintelligenz gibt es dann – wie oben bereits angesprochen – natürlich andere Herausforderungen und Risiken, die es zu beachten gilt.
Zum Beispiel das Thema Sicherheit?
Pflitsch: Genau. Denn der Quantencomputer wird viele Bereiche – sei es Medizin, Pharma oder Chemie – sehr weit nach vorne bringen. Die Kehrseite ist dabei aber tatsächlich der Sicherheitsaspekt. Der Quantencomputer ist so schnell und mächtig, dass er jede klassische Verschlüsselung aufbrechen wird.
Das würde bedeuten?
Pflitsch: Alles, was wir jetzt an Sicherheitsvorkehrungen haben, wird angreifbar. Das ist aber eine Bedrohung, auf die wir uns einstellen können. Die Lösung heißt quantenverschlüsselte Kommunikationsprotokolle, die niemals mehr geknackt werden können, solange sich die Gesetze der Physik nicht ändern. Das ist das Endgame für Cyber Security, denn selbst der mächtigste Quantencomputer wird so ein Protokoll nicht aufschließen.
Das bedeutet, die Einführung quantenverschlüsselter Protokolle müsste demnach von heute auf morgen überall stattfinden?
Pflitsch: Ja, das nennt man den sogenannten Q-Day. Bis dieser Tag kommt, werden aber noch ein paar Jahre vergehen. Verschiedene Behörden rechnen im Jahr 2030 mit dem Q-Day.
Viele KI-Forscher fürchten aktuell das Aufkommen eine Superintelligenz. Sehen Sie das auch so?
Pflitsch: Den Hype, den wir kürzlich um klassische AI hatten, die sich selbstständig macht und eine Gefahr für die Menschheit bedeutet, halte ich für Nonsens. Klassische Systeme sind immer nur deterministisch und daher niemals kreativ oder intelligent. Die Quantenphysik jedoch ist im Kern nicht-deterministisch, nicht-kausal und nicht-lokal. Das ist vermutlich der Funktionsweise eines menschlichen Gehirns sehr ähnlich. Daher könnte die Anwendung von AI auf einem Quantencomputer durchaus Anzeichen einer Superintelligenz entfalten.
Interview: Teresa Zwirner
Zur Person
Markus Pflitsch ist Quantenphysiker und Gründer des Deutsch Schweizer Startups Terra Quantum.