Lokalhelden, digitale Ratsarbeit, Abhol- und Bringservice – Wertheim macht derzeit einiges richtig. Obwohl die Touristen ausbleiben, kommt die Zweiflüssestadt gut durch die Pandemie: Der Gartenzwerg ist das Symbol der Stunde.
Künstler haben manchmal eine seltsam prophetische Gabe“, stellt Christian Schlager, Stadtmanager von Wertheim, fest. So wie Ottmar Hörl, der zwei Jahre vor der Pandemie den Einfall hatte, bunte Gartenzwerge mit hochgereckten Daumen an verschiedenen Orten Wertheims aufzustellen – als Mitmachkunst für die Einwohner der Stadt sowie Touristen: Wer auf eine dieser etwa 44 Zentimeter großen Skulpturen trifft, sollte sie umstellen, am neuen Standort ablichten und das Foto mit einem Hashtag versehen im Internet via Instagram, Facebook oder Twitter teilen.
„Heute hat diese Aktion eine ganz andere Bedeutung“, meint Schlager. „Unser Gartenzwerg ist jetzt ,der Optimist‘ und ist in diesen Krisenzeiten ein starkes Symbol für Hoffnung, Zusammenhalt und Solidarität. Wir setzen ihn als Logo auf den Einkaufsgutscheinen und der Homepage der Stadt ein. Er ist der deutsche Michl, mit dem Daumen hoch.“ Tatsächlich habe Wertheim sich in der Pandemie bis heute gut geschlagen, findet auch Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez.
Dass die Stadt zwischen Main und Tauber bei den Infektionszahlen bislang recht glimpflich davongekommen ist, sei zwar eher ihrer dezentralen Struktur mit 15 Ortschaften und sechs Stadtteilen geschuldet. Doch es sei der Stadtverwaltung geglückt, notwendige Maßnahmen schnell vorzubereiten, gut zu koordinieren und umzusetzen, meint Torrez. Bereits in der ersten Lockdownphase habe man zügig eine Notbetreuung für Kindergarten- und Schulkinder einrichten können. Zudem habe die Stadt Nachbarschaftshilfen organisiert, die sich unter anderem um den Abhol- und Bringservice der Stadtbücherei kümmern, die inzwischen schon etliche Lesungen online durchgeführt habe. Auch die Musikschule habe ihr Lehrangebot problemlos ins Netz verlegt und kommunale Gremien fänden längst digital statt. „Vor allem aber haben wir ein Unterstützungspaket für unsere lokale Wirtschaft geschnürt“, ergänzt das Stadtoberhaupt nicht ohne Stolz. Neben der Gastronomie sei der Einzelhandel von der Pandemie am stärksten betroffen. Daher habe man vor allem versucht, diesen beiden Branchen die Situation zu erleichtern. So konnten die betroffenen Betriebe auf Antrag die Gewerbesteuer stunden, zudem verzichte die Stadt auf Sondernutzungsgebühren für öffentliche Flächen, die Handel und Gastronomie beanspruchen, sowie auf Mitgliedschaftsgebühren für Vereine wie dem Stadtmarketing oder der Tourismus Region.
Freier Shop für Händler
Auch die Pacht öffentlicher Gebäude sei reduziert worden. Ein wichtiges Instrument für den Einzelhandel bleibe nach wie vor der im Zuge der Krise ins Leben gerufene Onlineshop „Lokalhelden Wertheim“, wo die Händler der Stadt ihre Produkte ausstellen und verkaufen können. „Den Versand erhalten die Kunden innerhalb Wertheims
kostenfrei, auch für die Ladengeschäfte ist die Plattform umsonst, was nicht unbedingt selbstverständlich ist, denn häufig erheben Kommunen kleinere Provisionen pro Verkauf“, klärt der Stadtmanager auf.
Trotzdem könne die Plattform nicht dazu beitragen, Umsatzverluste ausgleichen, sondern diene vielmehr als zusätzliches Schaufenster – auch perspektivisch. „Schon vor Corona hatten wir den Aufbau einer solchen Seite im Sinne der Stadtentwicklung auf der Agenda, damit unsere stationären Händler digital sichtbar werden und virtuell auf ihre analoge Präsenz aufmerksam machen. Was wiederum dazu führen soll, unsere auf drei Flächen verteilten Zentren zu beleben“, erzählt Schlager.
Auch Floristin Daniela Rohe ist bei den Lokalhelden zu finden. Sie setzt auf kreative Wege, um durch die Coronakrise zu kommen: Zum Valentinstag etwa bot sie ihren Kunden ein Spezialpaket mit Blumen aus ihrem Geschäft, frischen Brötchen vom benachbarten Bäckerladen samt Lieferservice über die lokale Autovermietung. „Wenn wir uns als örtliche Einzelhändler zusammenschließen und sinnvolle Kooperationen miteinander eingehen, können wir auf lokaler Ebene ein Angebot mit Erlebnischarakter schaffen und uns darüber von der Konkurrenz im Internet abheben.“
Ob Heilbronn als Oberzentrum oder Wertheim am nördlichsten Punkt der Region: Die Lage zwinge nicht nur Geschäftsbetreibern, sondern auch Städten die Frage auf, wie sie sich verändern müssen, um krisenfester, nachhaltiger und zugleich lebenswerter zu werden – um damit auch künftig attraktiv zu bleiben, sagt Christian Schlager. Durch die Pandemie würden Themen, die schon vorher auf dem Tisch waren, beschleunigter ablaufen, was gut sei, wenn man das als Chance begreife. Großes Potenzial im Sinne der Solidarität stecke in der heimischen Industrie. „Es wäre schön, wenn die örtlichen Betriebe noch mehr Verantwortung übernehmen, auf die wir aufbauen können“, meint Schlager. So habe einer der ansässigen Weltmarktführer zu Weihnachten beispielsweise den Mitarbeitern die Wertheimcard geschenkt und der Stadt damit auf einen Schlag den Jahresumsatz bei den Gutscheinen beschert. „Ich glaube, wir haben gemeinsam erkannt, dass der Schlüssel zur Überwindung einer solchen Krise in zwei Grundfesten liegt: der gesellschaftlichen Solidarität und in der Kraft der Wissenschaft“, fasst es der Oberbürgermeister zusammen. Der Optimist stehe dafür symbolisch mit dem Daumen hoch.
Autorin: Melanie Boujenoui