Den Bodenkontakt nicht verlieren

Wie schafft man es, mit kleinen Ventilen als Unternehmen eine große Nummer zu werden? Indem man über den Tellerrand hinaus denkt, wie es Fritz Müller seinerzeit getan hat. Bereits mit 24 gründet er die Gemü Gebrüder Müller Apparatebau GmbH & Co. KG und führt sie zum Erfolg – bis heute.

Wenn Gert Müller meint, er ist mit der Firma Gemü aufgewachsen, dann ist das nicht nur im wörtlichen Sinne zu verstehen, sondern auch im physischen. „Da, wo Sie vorhin zum Empfang reingekommen sind, daneben war früher unsere Küche“, erzählt der Geschäftsführer, der bei dem Criesbacher Familienunternehmen zuständig für den Bereich Technik und Vertrieb ist, gut gelaunt. „Wenn ich von daheim in Künzelsau in die Firma fahre, dann habe ich das Gefühl, ebenfalls nach Hause zu kommen“, sagt er mit einem Lächeln, das sich auch in seinen Augen spiegelt. Allein schon mit dem Geruch in dem Gebäude assoziiere der 45-Jährige Vertrautheit, damit sei er einfach groß geworden.

Gert Müllers Vater Fritz gründet 1964 die Gemü Gebrüder Müller Apparatebau GmbH & Co. KG in der elterlichen Garage. Da ist er gerade einmal 24 Jahre alt. Der gelernte Feinmechaniker hat zwar nicht viel Erfahrung und wenig Kapital zur Verfügung – doch Fritz Müller hat eine innovative Idee: Ventile statt aus Metall aus Kunststoff herzustellen, damit sie auch für aggressive Flüssigkeiten geeignet sind. Daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit ein gut gehendes Geschäft. Die Firma wächst. Und auch der Umsatz. Das Unternehmen schafft es, sich als Weltmarktführer bei sterilen Anwendungen für Pharmazie und Biotechnologie zu profilieren.

„Ich bin stolz auf meine Eltern und ich bin stolz, dass es Gemü schon seit mehr als 50 Jahren gibt – auch wenn natürlich Höhen und Tiefen dabei waren“, resümiert Gert Müller. Und dennoch wollte der gebürtige Schwäbisch Haller zunächst seinen eigenen Weg gehen, bevor er in die großen Fußstapfen seines Vaters trat. Daher machte er sich selbstständig.

Doch dann, 2011, entschied er sich, an der Seite des Firmengründers und von Stephan Müller, seinem Cousin, der seit 2010 Geschäftsführer ist, die Geschicke des Hohenloher Ventilspezialisten zu lenken. „Zwischen uns passt kein Blatt Papier“, bemerkt der sympathische Chef zum Verhältnis zwischen ihm und seinem Vetter. Seither kommt Müller seiner Führungsaufgabe nach dem Credo „Nur gemeinsam kann man etwas erreichen“ nach. „Deshalb nehme ich mir Zeit für die Mitarbeiter und habe stets ein offenes Ohr für ihre Anliegen“, versichert er. Schließlich habe jeder das Bedürfnis, wertgeschätzt und wahrgenommen zu werden. Das den aktuell 1000 Beschäftigten an den Standorten in Criesbach, Waldzimmern und Waldenburg zu vermitteln, nimmt er als „Hüter der Unternehmenskultur“ sehr ernst.

Lange Bindung

Diese Gewissenhaftigkeit ihres Geschäftsführers scheint sich auf die Angestellten positiv auszuwirken – Gemü kann nämlich eine sehr geringe Fluktuation und damit eine lange Betriebszugehörigkeit auf seine Pro-Liste setzen. „Wir verabschieden demnächst einen Mitarbeiter, der seit 48 Jahren Teil der Gemü-Familie ist. Das heißt, er arbeitet hier länger, als es mich gibt“, stellt der Vater von 14-jährigen Zwillingen voller Respekt fest. Und der Mann sei keine Ausnahme. Auch die Nachwuchskräfte blieben in der Regel bei ihrem Ausbildungsbetrieb und manche von ihnen kletterten sukzessive dieKarriereleiter nach oben. „Das ist auch Teil unseres Erfolgsrezepts – dass wir schon den Jüngsten viel Verantwortung übertragen“, betont der Künzelsauer.

Nichtsdestotrotz: Bei all dem Wachstum, der guten Auftragslage und dem harmonischen Arbeitsklima dürfe man sich dennoch nicht zu sehr auf die Schulter klopfen, findet Müller. „Sonst verliert man den Bodenkontakt.“ Natürlich freue er sich über den hart erarbeiteten Titel Weltmarktführer und wolle auch weiterhin im Bereich Pharmazie stark bleiben. „Doch wir wollen auch neue Branchen aufmachen, forschen und in die Zukunft investieren – so wie mit unserem Oberflächentechnologiezentrum im Gewerbepark Hohenlohe, das Anfang Juni eingeweiht wird“, beschreibt der„Digitalisierungsfan“ die Perspektiven des Unternehmens. „Es macht uns einfach Spaß, Prozesse zu optimieren.“ Und damit meint er „seine“ gesamte Gemü-Familie.

Olga Lechmann