Gerhard Bauer kennt den Kreis Schwäbisch Hall besonders gut. Das PROMAGAZIN hat mit ihm über die Wirtschaftslage vor Ort geredet.
Herr Landrat Bauer, der Landkreis Schwäbisch Hall besticht durch seine wirtschaftliche Vielfalt.Was ist das Erfolgsgeheimnis des Landkreises?
Bauer: Der Landkreis Schwäbisch Hall ist an Vielfalt und Schönheit nicht zu überbieten, was ich immer wieder gerne betone. Wir haben eine herrliche und abwechslungsreiche Landschaft, viel Kultur und Brauchtum sowie lebens- und liebenswerte Städte und Gemeinden. Es lässt sich hier aber nicht nur hervorragend leben, sondern auch sehr gut arbeiten. Das Erfolgsgeheimnis unserer Wirtschaftsstärke sehe ich im breit aufgestellten Branchenmix und an den hier verwurzelten Familienunternehmen. Sie sind mit der Heimat stark verbunden und häufig auch fördernd engagiert. Sie schaffen Wertschöpfung, bieten beste Arbeitsplätze und tragen damit zu unserem Wohlstand bei. Bedeutend ist ebenso, dass wir verlässliche, qualifizierte und motivierte Beschäftigte haben, die sich mit den Unternehmen identifizieren. So konnten sich Weltmarktführer entwickeln, die mit Ideenreichtum und Innovation den Landkreis Schwäbisch Hall mit zum Teil sehr hohen Exportquoten in die Welt hinaus tragen. Zu diesen Unternehmen gesellt sich ein großer Zuliefer- und Logistikbereich mit bodenständigen kleinen und mittleren Betrieben bis hin zu Existenzgründern. Der Dienstleistungssektor und das fundierte Handwerk sorgen ebenfalls für wirtschaftliche Stärke und für den guten Versorgungsstand.
Auf welche Herausforderungen muss sich der Landkreis bis 2030 einstellen?
Bauer: Aktuell beschäftigen uns die weiter zunehmenden Flüchtlingsströme wie nie zuvor. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich dadurch auch ein Stück weit neu orientieren. Ich sehe vor allem die Bewältigung der Zuwanderung als ganz elementare und bedeutende Herausforderung, auch im Hinblick auf die Integration der Menschen in unseren Arbeitsmarkt. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind fast ausschließlich junge Menschen, und dieser junge Bevölkerungszuwachs wird sich durchaus positiv auf den demografischen Wandel auswirken. Durch diesen Zuwachs wird es neues Potenzial auf dem Arbeits-, Fachkräfte- und Ausbildungsmarkt geben sowie auch eine Stärkung der Kaufkraft. Und unserer bisher zunehmend alternden Gesellschaft stehen auch im Hinblick auf den Gesundheits- und Pflegebereich künftig mehr junge Menschen gegenüber, die Beiträge in unsere sozialen Sicherungssysteme leisten. Damit zusammen hängt der notwendige Wohnungsbau und folglich eine Stärkung der Konjunktur. Eine weitere große Herausforderung ist der Ausbau und die Verbesserung unserer Verkehrsinfrastruktur. Denn gute Verkehrswege für Logistik und Berufspendler sind wichtige Lebensadern unserer Betriebe. Auf örtlicher Ebene gilt es, gemeinsam mit den Kreiskommunen für eine gute Infrastruktur und Standortqualität zu sorgen. Überörtlich beschäftigen uns dabei besonders zwei Themen: der dringend notwendige Ausbau der A 6 und rasche Verbesserungen beim Schienenverkehr. Außerdem ist eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur ein Standortfaktor von großer Wichtigkeit. Eine schnelle Datenautobahn ist für Wirtschaft und Gesellschaft bedeutend, denn sie bringt Lebens- und Wohnqualität.
Das Verpackungsmaschinenbau-Cluster gehört im Landkreis seit jeher zu den stärksten. Die Ansiedlung welcher Branche wäre aus Ihrer Sicht wünschenswert?
Bauer: Wir sind mit unserer starken Maschinenbau- und Verpackungsindustrie hervorragend aufgestellt und werden seitens des Landkreises und der Wirtschaftsförderung diese Branche nach besten Kräften unterstützen. Darüber hinaus haben wir einen gesunden Branchenmix aus Metallbau, Elektrotechnik, Holzwirtschaft, Lebensmittelgewerbe und Landwirtschaft. Durch die Verkehrsinfrastruktur mit den Autobahnen A 6 und 7 sind wir auch für die Logistikbranche interessant. Eine Zukunftsbranche für den Landkreis könnte der Medizin- und Gesundheitsbereich sein.
Als Kommunalpolitiker steht man im Austausch mit anderen kommunalen Entscheidern. Wie beschreiben Sie den Menschen „Ihren“ Landkreis?
Bauer: Den Entscheidern, mit denen wir zusammenarbeiten, muss man unseren Landkreis nicht beschreiben, denn er ist überregional gut bekannt. Als einer derjenigen Landkreise, die landesweit zum Beispiel die geringste Arbeitslosenquote haben, und als der Landkreis, der in Baden-Württemberg die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 am besten überstanden hat, haben wir eine feste und viel beachtete Stellung.
Im Haller Land dominieren die Städte Crailsheim und Schwäbisch Hall. Hier boomt die Wirtschaft, hier findet das Leben statt. Was tut der Landkreis, damit die anderen Gemeinden nicht auf der Strecke bleiben?
Bauer: Mit der Strukturförderung der Europäischen Union und des Landes Baden-Württemberg, in erster Linie mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, können vor allem die Kreiskommunen wichtige Entwicklungen und Einrichtungen umsetzen. Die WFG ist in der Fördermittelakquise seit Jahren sehr erfolgreich. So ist es für unsere Landgemeinden von Bedeutung, dass sie nahezu flächendeckend über den Landkreis in drei neuen LEADER-Kulissen aufgenommen sind. Dadurch werden weitere Entwicklungen angestoßen und der Ländliche Raum als interessanter Lebens- und Arbeitsort hervorgehoben. Von auf der Strecke bleiben kann nicht die Rede sein.
Landwirtschaft und ländliche Prägung spielen im Kreis noch heute eine wichtige Rolle. Inwiefern wird das auch in Zukunft von Bedeutung sein?
Bauer: Es freut mich sehr, dass das Bewusstsein für regional erzeugte landwirtschaftliche Produkte in der Bevölkerung wächst und diese Erzeugnisse mehr und mehr Wertschätzung genießen. Es wird hier aber auch weit über den heimischen Bedarf hinaus produziert. Im Landkreis Schwäbisch Hall befinden sich gleich mehrere große und namhafte Schlachtbetriebe, Molkereien und Brauereien. Darüber hinaus ist hier der Sitz des mitgliederstärksten Bauernverbandes in Baden-Württemberg. Wir brauchen die Landwirtschaft für den bedeutenden Wirtschaftszweig der Lebensmittelproduktion, als Partner für die Energiegewinnung und natürlich auch für die Pflege und den Erhalt unserer wunderbaren Kulturlandschaft.
Was unternimmt der Kreis, damit der ländliche Raum auch weiterhin als Wohnraum attraktiv bleibt?
Bauer: Der Landkreis unterstützt die Kreiskommunen bei ihren Infrastrukturmaßnahmen, vermittelt Förderprogramme für kommunale und private Investoren. Schnelles Internet, ein verlässlicher öffentlicher Personennahverkehr oder auch eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung sind Beispiele für Faktoren, die den Menschen wichtig sind, wenn sie sich für den ländlichen Raum als dauerhaften Wohnort entscheiden.
Stichwort Bildung: Wie wichtig sind Bildungsmöglichkeiten im Kreis?
Bauer: Für einen starken Wirtschaftsstandort sind die Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten vor Ort unerlässlich. Gerade auch das duale System unseres Berufsschulwesens lebt von der engen Kooperation mit den Ausbildungsbetrieben. Die Bildungsgänge können dort flexibel auf den Fachkräftebedarf der heimischen Wirtschaft, des Handwerks und der Dienstleistungsbetriebe abgestimmt werden. Für unsere Wirtschaft ist die vor Jahren in Schwäbisch Hall eingerichtete Außenstelle der Fachhochschule Heilbronn ein Gewinn. Dennoch ist unser Landkreis mit Hochschulstudienplätzen unterdurchschnittlich versorgt. Gerne hätten wir auch in Crailsheim eine Hochschuleinrichtung, denn die dort ansässigen Unternehmen brauchen nicht minder qualifizierte Nachwuchsfachkräfte. Wir werden deshalb auch weiterhin alles dafür tun, in der Hochschulplanung des Landes künftig besser berücksichtigt zu werden.
Die Infrastruktur – insbesondere der öffentliche Personennahverkehr – ist häufig ein leidiges Thema. Wie lässt sich das Angebot verbessern – gerade auch mit Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft?
Bauer: Die zurückgehenden Schülerzahlen sind in der Tat ein Problem für den öffentlichen Personennahverkehr im ländlichen Raum, denn der Schulbusverkehr trägt ihn ganz wesentlich. Wir arbeiten daher intensiv daran, das Angebot zu verbessern und mehr Fahrgäste zu gewinnen, so zum Beispiel mit dem Jahresabonnement Regio60plus. Fahrgäste ab 60 Jahren können hier für 48 Euro im Monat den ÖPNV im ganzen Landkreis nutzen. In der Aktion „Mobilität in jedem Alter“ der KreisVerkehr Schwäbisch Hall GmbH gibt es ebenfalls einige Angebote, mit denen speziell Senioren angesprochen werden. So gibt es die „Busschule“ auch für Senioren, die sich dadurch besser mit der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln vertraut machen können. Zusammen mit weiteren Kooperationspartnern bieten wir halbjährlich einen Rollator-Tag an, wo sicheres Ein- und Aussteigen mit dem Rollator geübt werden kann. Nach wie vor arbeiten wir an einer Verbesserung der barrierefreien Nutzung, sodass Busse und Haltestellen mit Kinderwagen, Rollstühlen und Rollatoren überall leichter zugänglich werden.
Der Landkreis kann aber nicht nur wirtschaftlich punkten. Auch kulturell und landschaftlich hat er einiges zu bieten. Was empfehlen Sie: Was sollte man im Landkreis erlebt haben?
Bauer: Was man in unserem Kreis unbedingt einmal gesehen und erlebt haben muss, ist insbesondere das Freilandmuseum in Wackershofen, die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, das Fränkische Volksfest in Crailsheim, die Muswiese in Rot am See und der Blick vom Altenbergturm bei Sulzbach-Laufen. Der Hohenlohe + Schwäbisch Hall Tourismus hat in seinem „Erlebnisfinder“ über 100 attraktive Angebote zusammengestellt. Da ist für jeden Geschmack viel Verlockendes dabei. Für diejenigen, die es, wie ich, auch gerne sportlich mögen, empfehle ich eine Radtour durch das Bühlertal oder den neuen Fernwanderweg „Kocher-Jagst-Trail“.
Interview: Lydia-Kathrin Hilpert
Zur Person:
Gerhard Bauer ist seit 2004 Landrat des Landkreises Schwäbisch Hall. Er kommt ursprünglich aus Heidenheim an der Brenz, ist verheiratet und hat zwei Söhne.