„Der jungen Generation ist der soziale Kontakt wichtig“ − Interview mit BWL-Professor Uwe Schirmer

Junge Arbeitnehmer möchten im Unternehmen mitbestimmen dürfen. Foto: Adobe Stock/Alessandro Biascoli, Juri Junkov

Nicht alle über einen Kamm scheren: Das empfiehlt Professor Dr. Uwe Schirmer von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), wenn es um die junge Generation an Arbeitnehmern geht. Im Interview erklärt er, welchen Herausforderungen sich gerade Personaler künftig stellen müssen. 

Welche Erwartungen hat die neue Generation an Arbeitgeber und wie unterscheiden sich diese von früheren Generationen?

Uwe Schirmer: Die junge Generation wünscht sich vor allem ein partnerschaftliches Miteinander, flache Hierarchien und die Möglichkeit der Mitbestimmung. Doch es ist wichtig, auch innerhalb der Generationen zu unterscheiden: Wir haben nicht diese eine neue Generation, die in all ihren Erwartungen übereinstimmt, sondern innerhalb einer Generation viele verschiedene Cluster mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. Hier haben wir zum Beispiel die leistungsbereiten, regional verbundenen Personen und auf der anderen Seite die extrovertierte Zielgruppe, die sich vollständig auf die neuen Medien verlassen möchte. Hier empfehle ich Unternehmen, die Sinus-Milieus-Studien anzuschauen.

Sie sprechen von einem partnerschaftlichen Miteinander und dem Wunsch der Mitbestimmung. Wie wichtig ist die Unternehmenskultur im Ganzen?

Schirmer: Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, denn da schließt sich der Kreis zum partnerschaftlichen Umgang und zu flachen Hierarchien. Das funktioniert nur mit einer entsprechenden Kultur, in der das Miteinander im Vordergrund steht, und zwar ein gleichberechtigtes Miteinander. Gerade die Generationen Z und Y werden gerne als Generation Sinnsuche bezeichnet, denen ist diese Wertorientierung ganz wichtig. Lange wurde gerade diesen jungen Generationen vorgeworfen, kein Interesse an politischen Themen zu haben, doch Bewegungen wie zum Beispiel “fridays for future” zeichnen ein ganz anderes Bild, was die jungen Menschen umtreibt. Im Bezug auf den Arbeitsplatz sind das die Frage nach dem Mitspracherecht, der Möglichkeit auch von zuhause aus zu arbeiten und dann irgendwann auch das Thema Nachhaltigkeit.

Stichwort Homeoffice: Wie wichtig sind flexible Arbeitsmodelle wie Remote-Arbeit oder Teilzeitarbeit für die neue Generation?

Schirmer: Durch Corona haben wir hier einen großen Sprung nach vorne gemacht und dieses Fass wird niemand mehr schließen können. Das ist auch gut so, denn für junge Menschen ist es extrem wichtig, die Möglichkeit zu haben, hier flexibel zu arbeiten. Es geht dabei nicht darum, komplett zuhause zu sein, eher um die hybriden Lösungen. Die jungen Generationen wollen auf jeden Fall sozialen Kontakt im Unternehmen haben und auch die Möglichkeit auf einen Arbeitsplatz –  egal ob über Desk-Sharing oder fest zugeordnet.

Inwiefern spielen auch Weiterbildungsmöglichkeiten eine Rolle, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein?

Schirmer: Immer wieder wird der jungen Generation ja vorgeworfen, dass sie keine Führungskarriere mehr anstrebt. In Teilen ist das auch zu beobachten. Gerade junge Menschen, die an ihren Eltern gesehen haben, wie viele Arbeitsstunden in der Woche eine Führungsebene mit sich bringen kann, schrecken häufiger davor zurück. Dennoch wollen sich die jungen Arbeitnehmer weiterbilden und Karriere machen. Strukturierte Weiterbildungsangebote sind hier sogar eine große Forderung. Wichtig ist dabei jedoch, dass eine gewisse Flexibilität bestehen bleibt: Wenn ich mich in eine Richtung weiterbilde und nach zwei Jahren aber Lust habe, einen anderen Weg einzuschlagen, dann möchte ich diese Möglichkeit auch haben.

Wir haben vorhin über neue Arbeitsplatzmodelle gesprochen. Wie wichtig ist in dem Sinne denn auch das Thema Technologieoffenheit?

Schirmer: Das erschließt sich von selbst, wenn man junge Menschen beobachtet und darauf achtet, worauf sie Wert legen. Sie gehen zum Beispiel gar nicht mehr so oft über Laptops ins netz sondern über ihre Smartphones. Eine stabile Internetverbindung ist hier beispielsweise eine Standardanforderung. Die junge Generation ist es von  zuhause her gewohnt, mit den modernsten Kommunikationsmitteln zu arbeiten. Wenn ein Unternehmen hier zwei Schritte zurückgeht, fällt das für den Betrieb daher sehr negativ auf. Neue Technologien sind meiner Ansicht nach fast schon eine Basisanforderung.

Wir haben viel über neue Anforderungen an die Arbeitgeber gesprochen. Welche Herausforderungen stellt das gerade an Personalabteilungen?

Der Personalbereich hat zum einen die Aufgabe, auf diese neue Welt, den neuen Geist der Partnerschaftlichkeit und die flachen Hierarchien zu reagieren und die Kultur in die Richtung aufzubauen. Zum anderen ist das Thema Digitalisierung hier ebenfalls sehr wichtig. Personaler sollten heute zum Beispiel in der Lage sein, aus großen Daten Muster zu erkennen, welche potenzielle Arbeitnehmer geeignet sein könnte und wo sich meine Zielgruppe befindet. Auch das Thema KI, zum Beispiel in Form von Chatbots, spielt eine steigende Rolle.  In unserem Bachelor-Studiengang haben wir daher angefangen, auch Vorlesungen im Bereich Programmierung mit reinzunehmen, damit angehende Personaler verstehen, wie neuronale Netze funktionieren.

Interview: Teresa Zwirner

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Zur Person

Prof. Dr. Uwe Schirmer ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalmanagement und Mitarbeiterführung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.