Der Nahverkehr macht mobil

Das Auto stehen lassen und auf Bus und Bahn umsteigen: Das soll in Zukunft noch komfortabler und attraktiver werden. Foto: HNV

Damit die Verkehrswende hin zu einer klimafreundlichen Mobilität gelingt, spielt der öffentliche Nahverkehr eine zentrale Rolle. Je attraktiver er künftig ist, desto mehr Menschen werden vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen.

Mobilität ist von zentraler Bedeutung für die Menschen in der Region. Das Pendeln zwischen Wohnort und Arbeits- oder Bildungsstätte gehört zum Alltag. Bestes Beispiel: Neckarsulm. An jedem Werktag kommen rund 35.000 Einpendler in die Stadt, die selbst nur etwa 28.000 Einwohner zählt. Viele nutzen das Auto und die meisten fahren allein. Die Folge: Stau, verstopfte Straßen und klimaschädliche Emissionen.

Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver zu machen, ist eines der Ziele der Klimapolitik. Im urbanen Raum mit dichtem Netz und hoher Taktung sind Bus und Bahn eine gute Alternative, doch im ländlichen Raum sieht das oft anders aus. „Die Siedlungsstruktur mit vielen kleinen Ortschaften erschwert eine attraktive ÖPNV-Erschließung im ländlichen Raum. Dort besteht die ÖPNV-Nachfrage im Wesentlichen aus Schülern. Eine liniengebundene Erschließung mit Standardbussen stößt hier an ihre Grenzen“, sagt Gerhard Gross, Geschäftsführer der Heilbronner – Hohenloher – Haller Nahverkehr GmbH, kurz HNV. Flexible Angebote mit Rufbussen sind bereits vorhanden. „Aber auch die benötigen einen Fahrer. Dadurch werden die Kosten für die Bereitstellung des Angebots nicht entscheidend gesenkt“, merkt Gross an.

Der ÖPNV muss nicht nur attraktiv, sondern auch wirtschaftlich sein. Das ist eine Herausforderung, zumal die vergangenen Pandemiejahre den ÖPNV in ganz Deutschland stark gebeutelt haben. „Durch die verschiedenen Lockdowns verbunden mit Schulschließungen, die Pflicht zum Homeoffice und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens sind die Fahrgastzahlen und die Fahrgeldeinnahmen um circa 20 Prozent in Summe zurückgegangen“, zieht Gross Bilanz. „Die Verkehrsunternehmen konnten das ÖPNV-Angebot ohne große Einschränkungen auch in der Krise bereitstellen, aber ohne die finanzielle Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen wäre der ÖPNV schwer unter die Räder gekommen.“

Die Situation hat sich aktuell entspannt. „Die Fahrgastzahlen steigen wieder an, liegen aber immer noch unter dem Vorkrisenniveau von 2019“, sagt Gross. Mehr Zulauf bringt das 9-Euro-Monatsticket . „Für kleines Geld können auch Neukunden den ÖPNV grenzenlos testen. Für bestehende Abonnenten ist das 9-Euro-Ticket ein zusätzlicher Treuebonus“, sagt Gross, der in dieser Aktion viele Chancen, aber auch gewisse Risiken sieht. Er befürchtet, dass auf beliebten Strecken und an Wochenenden die Beförderungskapazitäten eventuell nicht immer ausreichen könnten. Doch alles, was mehr Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegt, befürwortet er grundsätzlich.

Positiv angenommen wird beispielsweise auch die Aktion „Führerschein gegen Jahresticket“, bei der Menschen ab 60 Jahren, die Ruhegeld beziehen, ihren Führerschein abgeben und gegen ein kostenloses HNV-Jahresticket eintauschen können. Gross findet: „Die Aktion läuft gut an. Seit Januar 2022 wurden im HNV-Land insgesamt 323 Führerscheine abgegeben.“

Gerhard Gross leitet das Verkehrsunternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1997 als Heilbronner Verkehrsverbund. Seit 25 Jahren arbeiten er und sein Team daran, das Angebot für Fahrgäste auszubauen und komfortabler zu machen. Das Tarifgebiet des HNV erstreckt sich heute weit über Stadt- und Landkreis Heilbronn hinaus. Inzwischen gilt der gemeinsame Zonentarif auch im gesamten Hohenlohekreis sowie in Teilen der um­liegenden Landkreise Rhein-Neckar, Neckar-Odenwald, Karlsruhe und Schwäbisch Hall. Das Ticketangebot des HNV ermöglicht damit Fahrten über Entfernungen bis zu 100 Kilometer Luftlinie, zum Beispiel von Bretten im Westen des HNV-Landes bis ins am Nordostrand des Verbundgebiets gelegene Bad Mergentheim.

Mobilität der Zukunft

Die Aufgabe des HNV ist jetzt und für die Zukunft klar definiert: den Menschen ein zügiges und komfortables Vorankommen zu ermöglichen und das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel so einfach wie möglich zu gestalten. Dabei schreitet die Digitalisierung zügig voran – von Fahrplanauskunft bis Ticketkauf. „Dem digitalen Vertrieb mit Handy-Ticket und elektronischem Ticket gehören die Zukunft und die Nachfrage bei diesen Tickets steigt stetig an. Dennoch hat der klassische Fahrschein – das Papierticket – auch weiterhin seine Berechtigung“, stellt Gross fest.

Für eine weitere Verbesserung der Klimabilanz werde die ÖPNV-Branche die vorhandenen Dieselbusse nach und nach ausmustern und durch batterieelektrische Fahrzeuge ersetzen. Viel Potenzial sieht Gross auch beim Thema autonomes Fahren. „Auf schwach frequentierten Strecken wären autonom fahrende Fahrzeuge aus meiner Sicht eine gute Option“, sagt er. Gerade im ländlichen Raum könnte damit das Angebot verbessert werden.Auch wenn noch Jahre vergehen dürften, bis sie flächendeckend einsatzfähig sind. Gross ist optimistisch für die Zukunft: „Wir werden im HNV-Land noch viel bewegen.“

25 Jahre HNV

Von A nach B mit einem Ticket, egal, ob mit Bus oder Bahn, in der Stadt Heilbronn, in den Landkreisen Heilbronn und Hohenlohe sowie in Teilen der umliegenden Landkreise. Der Heilbronner – Hohenloher – Haller Nahverkehr, kurz HNV, hat das öffentliche Mobilitätsangebot in der Region einfach gemacht. Das Verbundticket gilt derzeit bereits bei 22 Bus- und Schienenverkehrsunternehmen. Seit der Gründung des Verkehrsverbundes 1997 hat sich nach Angaben des HNV die Zahl der ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer bereits mehr als verdoppelt.
Um das 25-jährige Jubiläum zu feiern und noch mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr zu begeistern, hat der HNV verschiedene Aktionen geplant: In der ersten Juli-Woche gibt es für HNV-Kunden einzelne Aktionstage mit freiem Eintritt im Science Center Experimenta, in den Heilbronner Kinostar-­Arthaus-Kinos, im Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen, im Technik-Museum Sinsheim und im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm. Außerdem können bestehende Abo-Kunden und Käufer des 9-Euro-Tickets an einem großen Preisausschreiben teilnehmen.

Dirk Täuber