Der Schlüssel zum Erfolg

Gut ausgebaute Straßen sind für die Wirtschaft das A und O. Nur wer erreichbar ist und seine Güter problemlos in die Welt transportieren kann, kann auch am Markt Erfolg haben. Das sieht auch Winfried Hermann, Baden-Württembergischer Minister für Verkehr und Infrastruktur, so. Im Interview erklärt er, warum.

Herr Minister Hermann, inwiefern kann ein gut ausgebautes Straßennetz Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens haben?

Hermann: Mobilität ist nicht nur ein Grundbedürfnis aller Bürger. Insbesondere auch die Wirtschaft braucht – sowohl beim Straßennetz als auch beim Schienengüterverkehr – eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur zur Abwicklung ihrer Transporte. Dies gilt auch gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die Stärke unseres Landes ausmachen und gerade auch im ländlichen Raum den Menschen viele Arbeitsplätze bieten. Und es müssen ja nicht nur die Güter von und zu den Fabriken transportiert werden. Die Menschen, die dort arbeiten, müssen auch zuerst einmal zu ihren Arbeitsstellen gelangen. Zusammenfassend kann man sagen, eine gute Verkehrsinfrastruktur ist wichtig für wirtschaftlichen Erfolg. Und die gute Erreichbarkeit ist ein Schlüssel zur Zukunftssicherung des ländlichen Raums. Auch wenn wir daran arbeiten, das Angebot im ÖPNV im ländlichen Raum zu verbessern, ist es dort natürlich viel schwerer, ein gutes und im Vergleich zum Auto „konkurrenzfähiges“ Angebot zu machen als in Gegenden, in denen auf relativ kleinem Raum viele Menschen wohnen. Gerade im ländlichen Raum wird daher der Straßenverkehr auch zukünftig eine tragende Rolle haben.

Gerade die Speditions- und Logistikunternehmen Heilbronn-Frankens sind auf eine funktionierende Infrastruktur mit gut ausgebauten Straßen angewiesen. Ist das in den Köpfen der Unternehmer verankert? Welche Priorität hat das bei Geschäftsführern und Co.?

Hermann: Die Standortwahl von Wirtschaftsunternehmen hängt von vielen Faktoren ab. Wenn ein Unternehmen in einer Region gut verankert ist, und die Mitarbeiter überwiegend aus der näheren Umgebung kommen, hat die Verkehrsanbindung nicht oberste Priorität. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass zum Beispiel für Speditions- und Logistikunternehmen die Erreichbarkeit und die Qualität des Verkehrsnetzes von zentraler Bedeutung sind. Gerade in dieser Branche nimmt die verkehrliche Anbindung bei allen unternehmerischen Entscheidungen einen sehr hohen Stellenwert ein.

Wie beurteilen Sie die Qualität des Straßennetzes in der Region?

Hermann: Generell ist Baden-Württemberg durch ein gut ausgebautes Straßennetz bestens erschlossen. Auch wenn es sicherlich – etwa im Erhaltungsbereich – noch Nachholbedarf gibt, ist die gute Verkehrsinfrastruktur nach wie vor ein großer Standortvorteil für den Industriestandort Deutschland und Baden-Württemberg. Dies gilt auch für die Region Heilbronn-Franken. Gleichwohl sehe ich auch Handlungsbedarf beim Ausbau beziehungsweise bei einigen Ortsumfahrungen.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Hermann: Für die Verkehrsentwicklung in der Region ist die A6 von absolut zentraler Bedeutung. Dieser Streckenzug ist überlastet und von zahlreichen Verkehrsstaus geprägt. Hier besteht großer Handlungsbedarf. Alle Abschnitte haben wir daher in die Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Bis Ende des Jahres erwarten wir die vorläufige Entscheidung vom Bundesverkehrsministerium, welche Projekte in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wurden.

Nicht alle Unternehmen, die im Straßengüterverkehr tätig sind, haben ihre Niederlassung zentral an einer Autobahn. Das heißt für eine Vielzahl von ihnen lange Wege über Bundes- und Landesstraßen. Wie wird die Qualität dieser Straßen garantiert?

Hermann: Der Erhalt des Straßennetzes wurde im letzten Jahrzehnt stark vernachlässigt, weshalb sich das Straßennetz in der Vergangenheit zunehmend verschlechtert hatte. Wir haben uns daher nach der Regierungsübernahme im Land sehr für eine Erhöhung der Erhaltungsmittel im Landesstraßenbau eingesetzt und die Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten massiv vorangetrieben. Auch der Bund hat zwischenzeitlich erkannt, dass der Erhalt Vorrang vor Aus- und Neubau haben muss. So haben sich die Ausgaben für die Erhaltung der Bundesfernstraßen in Baden-Württemberg von rund 179 Millionen Euro in 2010 auf rund 322 Millionen Euro in 2014 nahezu verdoppelt. In 2015 wird dieser Betrag nochmals getoppt.

Apropos Autobahn: Das Thema sechsspuriger Ausbau der A6 wird seit vielen Jahren diskutiert. Wie wichtig ist dieser für die regionalen Unternehmen?

Hermann: Die heutige Bundesautobahn A6 ist seit 1979 vom Autobahnkreuz Weinsberg bis Nürnberg durchgängig befahrbar. Entlang der A6 hat die Region eine rasante Wirtschaftsentwicklung erfahren. Und seit der Wiedervereinigung hat die Strecke eine noch größere Bedeutung im transeuropäischen Straßennetz bekommen. Mit der wachsenden Verkehrsbedeutung stieg die Verkehrsbelastung der A6 überdurchschnittlich. Seit der durchgehenden Eröffnung verdreifachte sich der Verkehr, der Schwerverkehr nahm sogar um das Vierfache zu. Die heutige Breite der A6 kann zum Beispiel im Abschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Weinsberg und der Landesgrenze zu Bayern mit nur zwei Fahrstreifen plus Standstreifen diese hohe Verkehrsbelastung nicht mehr aufnehmen. Als Folge dessen sind häufige Staus zu beobachten. Vor diesem Hintergrund treibt das Land die Planung des Ausbaus dieser Strecke mit Hochdruck voran. Dass die Bedeutung dieses Streckenzuges auch dem Bund bewusst ist, zeigt sich daran, dass im April dessen sechsstreifiger Ausbau vom Bund als einziges baden-württembergisches Projekt in die Liste der neuen ÖPP-Projekte aufgenommen wurde. Zwar stehen wir diesen ÖPP-Projekten wegen der Kosten für die öffentliche Hand skeptisch gegenüber. Die Entscheidung, ob eine Bundesfernstraße als ÖPP-Projekt realisiert werden soll, trifft jedoch der Bund, der die bisherigen Erfahrungen mit den ÖPP-Modellen als positiv ansieht. Demgegenüber hat der Bundesrechnungshof die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten in Frage gestellt.

Eine Meldung der Landesvereinigung Bauwirtschaft im Februar über eine mögliche Sperrung der Neckartalbrücke bei Heilbronn hat in der Region für allerlei Wirbel gesorgt. Sie gilt als Lebensader der Region. Jetzt steht der Entschluss: Die Brücke wird durch einen Neubau ersetzt. Wie wichtig war diese Entscheidung?

Hermann: Im Frühjahr 2014 musste auf der Neckarbrücke aus statischen Gründen ein Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn gesperrt werden, was so nicht vorhersehbar war. Durch die Sperrung der Fahrstreifen wurde der Bau der Ersatzbrücke auf diesem hochbelasteten Bereich der A81 noch sehr viel dringlicher. Der Ersatzneubau des Neckartalübergangs sowie der sechs-streifige Ausbau der A6 sollen im Zuge eines ÖPP-Projekts umgesetzt werden. Die Vorbereitungen für eine möglichst schnelle Vergabe dieser Arbeiten werden derzeit von der Straßenbauverwaltung des Landes mit Hochdruck betrieben.

Interview: Lydia-Kathrin Hilpert

Zur Person:
Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), Jahrgang 1952, ist seit 12. Mai 2011 Minister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg. Geboren und aufgewachsen ist er in Rottenburg am Neckar. Nach dem Abitur folgte das Studium der Fächer Deutsch, Politik und Sport an der Universität Tübingen.