Der Verantwortung gerecht werden

Schwäbisch Hall ist die größte Stadt im gleichnamigen Landkreis und die zweitgrößte in Heilbronn-Franken. Nicht zuletzt deshalb kommt der Kocherstadt eine bedeutende Rolle in dieser Region zu. Wir haben bei Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim nachgefragt, welche das ist und wie sich die Stadt für die Zukunft fit macht.

 

Herr Pelgrim, Schwäbisch Hall wächst und strebt in die Zukunft. Was wird die größte Herausforderung der Stadt sein, damit diese erfolgreich gestaltet werden kann?

Pelgrim: Schwäbisch Hall wächst, das ist richtig. Aber das Wachstum ist eher überschaubar. Wir sprechen hier von etwa 0,7 bis 1,0 Prozent pro Jahr. Das ist zu wenig. Ein einfaches Rechenbeispiel macht das deutlich. Allein in der Stadt gibt es zirka 30.000 Erwerbstätige. Bei einer Lebensarbeitszeit von durchschnittlich 45 Jahren hieße das, dass jedes Jahr altersbedingt aufgerundet 670 Arbeitskräfte wegfallen. Und diese müssen ersetzt werden. Obwohl in Schwäbisch Hall die Geburtenrate überdurchschnittlich hoch ist – sie liegt bei etwa 400 Kindern im Jahr –, deckt das den Bedarf bei Weitem nicht ab. Hinzu kommt, dass nicht jedes Kind, das hier geboren wird, auch in Schwäbisch Hall bleibt; dass nicht jeder, der hier lebt, auch einer Arbeit nachgeht. Wir haben also jährlich einen Personalbedarf von mindestens 500 bis 800 Menschen – und das nur, um keinen Stillstand entstehen zu lassen. Wenn es der Wirtschaft weiter gut geht, wird diese Zahl noch nach oben korrigiert werden müssen. Das Thema Wachstum müssen wir deshalb stark forcieren. Eine andere Herausforderung wird das Thema Städtebau sein. Die Frage nach dem Grad der Urbanität Schwäbisch Halls werden wir uns stellen müssen.

Was macht Schwäbisch Hall in Ihren Augen besonders zukunftsfähig?

Pelgrim: Wir bieten eine sehr hohe Lebensqualität und versuchen, die Attraktivität der Stadt möglichst hoch zu halten. Hier besteht schon eine gute Grundbasis. Wir haben eine starke Wirtschaft, eine sehr gute Infrastruktur sowie ein vielfältiges Kulturangebot. In der Vergangenheit sind wir insbesondere als Kulturstadt wahrgenommen worden. Das wollen wir noch weiter ausbauen, aber auch den Fokus auf andere Entwicklungen richten, die der Hochschule etwa. Die Frage, wie man junge Menschen nach Schwäbisch Hall holt und diese auch hier behält, muss immer in unseren Köpfen präsent sein.

Die Stadt macht ihrem Namen als Bildungsstandort alle Ehre. Auch der Ausbau der Hochschule schreitet voran, die Studienzahlen nehmen Jahr für Jahr zu. Wohin soll die Reise in Sachen Bildung einmal gehen? Schwäbisch Hall – irgendwann einmal eine Studentenstadt wie Freiburg oder Heidelberg?

Pelgrim: Sicherlich nicht in der Größenordnung wie Freiburg, Tübingen oder Heidelberg (lacht). Aber das Ziel ist, einen Hochschulstandort zu schaffen, der dem hiesigen Raum gerecht wird. In Baden-Württemberg ist Hohenlohe leider die rote Laterne bezüglich des Hochschulangebots. Hier müssen wir dringend am Ball bleiben und Angebote schaffen, damit wir die Unterversorgung in den Griff bekommen. Ich denke an etwa 1500 bis 2000 Studierende allein am Haller Campus. Diese Größe würde zu Schwäbisch Hall passen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Die Zahlen entwickeln sich solide. Die Nachfrage an Studienplätzen ebenso. Wünschen würde ich mir ein noch breiteres Studienangebot – etwas Kreatives vielleicht oder im Bereich Gesundheitsdienstleistungen. Gerne auch beides, um den interdisziplinären Charakter noch zu verstärken.

Dafür bräuchte es ausreichend Wohnraum, der auch für Studenten bezahlbar wäre. Gibt es hier Ideen?

Pelgrim: Ein neues Studentenwohnheim ist derzeit in Planung – zwischen dem Schenkenseebad und dem Telekomgebäude an der Ellwanger Straße. Hier sollen über 100 Wohneinheiten für Studenten entstehen. Generell möchten wir das siedlungstechnische Angebot ausbauen – gezielt auch für Menschen mit geringerem Einkommen und im Bereich temporäres Wohnen. Der Bedarf ist groß – nicht nur durch die Hochschule, sondern auch durch das Goethe-Institut oder die Freilichtspiele. Entsprechend muss das Angebot stimmen, sonst schießen die Preise für solche Wohnungen irgendwann durch die Decke.

Bauen ist momentan ja generell ein Thema der Stadt. Große Projekte stehen an beziehungsweise kurz vor ihrer Fertigstellung. Das Ärztehaus QmediKo oder der Weilertunnel sind da nur zwei Beispiele. Wie lassen sich diese Bauvorhaben mit der Tradition der Stadt in Einklang bringen?

Pelgrim: Der Weilertunnel ist ein Jahrhundertprojekt. Das Konzept stammt bereits aus den 1960er Jahren. Im Frühjahr 2017 sollen die Bauarbeiten beginnen und zwei Jahre andauern. Wir erhoffen uns dadurch eine Entlastung für die Weilervorstadt und damit eine Steigerung der Lebensqualität dort. Das entstehende Ärztehaus auf der Weilerwiese ist ein wesentlicher Schritt in die Zukunft Schwäbisch Halls. Gesundheitsversorgung ist das wichtigste Gut im Leben. Hier brauchen wir ein stimmiges Angebot für unsere Bürger, um als Standort zum Wohnen und Leben attraktiv zu bleiben. Eine Stadt, die sich nicht den Herausforderungen der Zukunft stellt, bleibt auf der Strecke. Und das wollen wir nicht. Solche und weitere Bauprojekte passen gut hierher. Auch dadurch entsteht Zukunft. Zum Teil sollen neue Stadtsiedlungen entstehen, die ihren eigenen Charakter haben. Und warum sollte das nicht nach Schwäbisch Hall passen? Wir sind eine Stadt, die sich zukunftsorientiert ausrichtet und dennoch ihre Traditionen nicht aus den Augen verliert.

Und wie sieht es beim neuen Theater aus, das für das Globe-Theater kommen soll?

Pelgrim: Das Globe-Theater hat in den zurückliegenden Jahren eine wunderbare Funktion erfüllt – nämlich eine zweite Spielstätte für die Freilichtspiele zu sein. Die Festspiele haben sich dadurch weiterentwickeln können. Eines darf man aber nicht vergessen: Das Globe war nicht als dauerhafte Einrichtung gedacht. Dass jetzt, so kurz vor dem Abbau des Theaters, Proteste dagegen laut werden, kann ich verstehen. Auch bei mir schwingt etwas Wehmut mit. Veränderungen kosten Mühe und bedeuten Neuorientierung. Das fällt manchen Menschen schwer. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir uns nicht von den Emotionen des Augenblicks leiten lassen sollten. Wir müssen die Stadt weiter voranbringen. Der Wettbewerb ist groß – und auch wir sind diesem ausgesetzt. In Deutschland, aber auch in ganz Europa und sogar weltweit. Im Herbst soll abgebaut, im Frühjahr 2017 der Neubau begonnen werden. Ein Jahr später – zu Beginn der Proben – soll dann alles fertig sein. Ich bin mir sicher, dass der Neubau eine Bereicherung für Hall sein wird.

Soll daher auch wieder die Stelle eines Baubürgermeisters geschaffen werden?

Pelgrim: Die zahlreichen Bauprojekte waren ein Beweggrund dafür, wieder einen Baubürgermeister zu beschäftigen. Die Stelle soll noch im Herbst ausgeschrieben werden. Dieser Bereich ist in einer Kommune – wenn man so will – die Königsdisziplin. Hier gibt es den meisten Spielraum, noch echte Gestaltungsmöglichkeiten. Es geht um Themen wie Siedlungs- und Gewerbeentwicklung. Oder um den Ausbau der zentralen Infrastruktur unserer Stadt. Hier kann man sich voll einbringen. Nicht zuletzt deshalb hat mir diese Funktion in der Vergangenheit viel Freude bereitet. Natürlich sind auch der Sozial- und Bildungsbereich sehr wichtig für eine Kommune. Das allerdings ist nach unserer Kommunalverfassung in erster Linie Aufgabe des Landes und des Landkreises.

Schwäbisch Hall ist die größte Stadt im Kreis und die zweitgrößte in der Region. Welche Verantwortung sehen Sie hier bei Schwäbisch Hall gegenüber dem Rest von Heilbronn-Franken?

Pelgrim: Wir sind Mittelzentrum und gleichzeitig im Zentrum unserer Region. Durch die Randlage des Oberzentrums Heilbronn kommt uns vor allem in Sachen Infrastruktur eine wichtige Aufgabe zu – für die gesamte Raumschaft und damit für rund 100.000 bis 200.000 Menschen. Dieser Verantwortung werden wir in vielen Bereichen gerecht: etwa durch unseren Flugplatz, durch unser Kultur- und Bildungsangebot sowie durch die Gesundheitsversorgung, die wir vor Ort bieten. Wir erfüllen damit Funktionen für Menschen auch außerhalb von Schwäbisch Hall, die sonst nicht erfüllt werden würden. Wir leben in einem ländlichen, aber sehr produktiven Raum. Dieser muss sich gegenseitig befruchten und stärken. Die Mittelzentren der Region sitzen alle im selben Boot – uns werden in Zukunft ähnliche Herausforderungen beschäftigen. Auch deshalb müssen wir noch stärker zusammenhalten und miteinander statt gegeneinander arbeiten. Der Kooperationsaspekt muss wichtiger sein als der Wettbewerb.

Inwiefern kann auch die Stadt vom Umfeld profitieren?

Pelgrim: Die Stadt Schwäbisch Hall profitiert auch in einem hohen Maße von der Umgebung. Allein für die Haller Bevölkerung – rund 39.000 Menschen – könnte es dieses vielfältige Angebot nicht geben. Das wäre aber für alle Seiten ein großer Verlust. Stadt und Landkreis befruchten sich gegenseitig. Für beide ist das eine Win-win-Situation. Entsprechend haben wir großes Interesse daran, dass es den umliegenden Gemeinden auch gut geht.

Interview: Lydia-Kathrin Hilpert

Zur Person:
Hermann-Josef Pelgrim (56, SPD) ist seit 1997 Oberbürgermeister in Schwäbisch Hall. Das Stadtoberhaupt ist verheiratet und Vater zweier Töchter. Pelgrim lebt in Schwäbisch Hall.