Der Weg zur Nachfolge in Familienunternehmen

Familienmitglieder erhalten bei der Unternehmensnachfolge einen Vertrauensbonus. Foto: AdobeStock/ Minerva Studio

Nachfolger in Familienunternehmen erhalten von der Belegschaft einen Vertrauensvorschuss. Vorher sollten sie jedoch einige Jahre in einem anderen Unternehmen arbeiten. Warum dieser Weg sinnvoll ist, erklärt Experte Jan-Philipp Ahrens im Gespräch.

Sie widmen sich seit über 30 Jahren der Familienunternehmensforschung. Was macht die Betriebe so erfolgreich?

Jan-Philipp Ahrens: Familienunternehmen sind besonders, weil sie die Verbindung zwischen Menschen und Unternehmen ermöglichen. Man kann das am besten an einem Zwei-Euro-Stück festmachen. Wenn ich zwei Euro ausgeliehen bekomme und wieder zurückgeben muss, dann ist das was anderes, als wenn ich dieses Zwei-Euro-Stück besitze. Wenn es mir gehört, kann ich es investieren oder mir auch einfach etwas Schönes davon kaufen. Und gerade hier in Baden-Württemberg ist das sehr spannend, da das Bundesland stark durch Familienunternehmen geprägt ist. Das ist nicht selbstverständlich, schaut man nach Osteuropa oder auch nach China, versuchen die Länder aktuell, von uns zu lernen, wie erfolgreiche Familienunternehmen funktionieren können.

Gerade was die Arbeitnehmerzufriedenheit angeht, liegen Familienunter- nehmen vorne. Warum ist das so?

Ahrens: Eigentümergeführt können Unternehmen häufig andere Versprechungen an die Belegschaft machen als beispielsweise ein CEO, der im Durchschnitt nach sechs Jahren durch einen anderen CEO ersetzt wird. Das wiederum bedeutet, dass ich verstärkt in den Menschen investieren kann und darauf meine Strategie aufbauen kann. Ich optimiere schließlich nicht nur für die kommenden sechs Jahre, sondern für zwanzig Jahre und mehr. Das suggeriert, dass ich als Unternehmen für meine Mitarbeitenden da bin und sie auch in schlechteren Phasen nicht fallenlasse.

Familienunternehmen sitzen häufig auch in ländlicheren Gegenden. Kann das bei der Fachkräftesuche ein Problem werden?

Ahrens: Es ist schon so, dass man eine ganze Menge anbieten muss, um gute Mitarbeiter zu bekommen und zu halten. Weiterbildungsmöglichkeiten, ein attraktiver Job, das Darstellen der Attraktivität der Region – all das spielt mit hinein. Aber die Tatsache, dass man heutzutage nicht zwingend vor Ort sein muss, vereinfacht es Betrieben auf dem Land, passende Mitarbeitende zu finden. Auch neue Themen, wie AI und Sustainability, spielen eine Rolle. In diesem Bereich besteht bei Familienunternehmen noch Verbesserungspotenzial.

Inwiefern?

Ahrens: In unserer Forschung sehen wir, dass Familienunternehmen im Vergleich zu Startups oder Unternehmen, die eine erhöhte Publizitätspflicht haben, bei den Themen oft Schwierigkeiten haben, sich anzupassen. Aus meiner Sicht muss die Politik Familienunternehmen stärker abholen und ihnen helfen, diesen Wandel mitzugehen. Denn wenn wir auf die Werte der Familienunternehmen schauen, müssten die Betriebe gerade im Bereich Nachhaltigkeit vorangehen. Hier haben mich unsere Forschungsergebnisse tatsächlich überrascht. Wenn man jedoch länger darüber nachdenkt, dann ergibt das schon Sinn. Denn gerade in traditionellen Familienunternehmen sind bestimmte Wege und Strukturen bereits verankert. Dadurch ist es schwieriger, sich für neue Wege zu öffnen.

Mit welchen Mitteln könnte man Familienunternehmen abholen?

Ahrens: Auf der einen Seite über Schulungen und Netzwerken. Gerade Unternehmer reden ja auch viel untereinander. Aber man könnte auch über Subventionen nachdenken, um diesen Wandel zu begleiten. Denn nicht jedes Unternehmen hat die Kapazität, verstärkt in Nachhaltigkeit zu investieren. Hier könnte man die Betriebe mehr unterstützen. Das Geld ist ja nicht weg, sondern produktives Kapital, dass wieder in den Kreislauf zurückkommt.

Sie sagten, diese Erkenntnis hätte Sie überrascht: Gibt es noch weitere Forschungsergebnisse, die Sie verblüfft haben?

Ahrens: Ja. Vor einigen Jahren haben wir für eine Studie 800 Unternehmer hinsichtlich ihrer Nachfolgerregelung interviewt. Die Annahme war, dass in den Unternehmen Nachfolger aus der Familie gewählt wurden, obwohl diese im Vergleich zu einer externen Nachfolgerwahl nicht ganz so gut ausgebildet waren. Wir gingen davon aus, dass sich das negativ auf die Leistung auswirken würde.

Und Sie haben sich getäuscht?

Ahrens: Ja. Wir haben in einer Studie Einwirkungen wie Ausbildung und Industrieerfahrung ausgegliedert und uns nur auf den Familienhintergrund fokussiert. Wenn man nun eine Person aus der Familie mit einer Person außerhalb der Familie vergleicht, konnte man erkennen, dass der Familieneffekt positiv war. Das bedeutet, dass durch den Bezug zur Familie andere Defizite ein Stück weit ausgeglichten werden können. Diese Erkenntnis hatte mich überrascht.

Warum denken Sie, ist das so?

Ahrens: Ganz einfach. In dem Moment, wo ich als Nachfolger aus der Familie komme und beispielsweise durch die Werkshalle laufe, werden bereits bestimmte Erwartungshaltungen von der Belegschaft an mich transportiert, die ich, wenn ich weiß, wie ich damit umgehen muss, bedienen kann. Hier wird mir ein gewisser Bonus gegeben, weil ich aus der Unternehmerfamilie komme. Die Werte, die die vorherige Generation schon transportiert hat, werden automatisch auf mich übertragen. Und das hat einen echten Performance-Effekt.

Kann man damit Defizite in anderen Bereichen ausgleichen?

Ahrens: Nur geringfügig. Es ist trotzdem wichtig, dass ich als Nachfolger externe Erfahrung und Führungserfahrung mitbringen. Daher ist es auch das Beste, die Nachfolger in einem anderen Unternehmen auszubilden. Wenn die Nachfolger schon das Wissen haben, wie die ganzen Wertesysteme in der Familie funktionieren, und ich sie im eigenen Unternehmen ausbilde, hat das einen negativen Performance-Effekt.

Wieso?

Ahrens: Weil sie dann direkt Scheuklappen aufkriegen und nicht mehr so innovativ sind. Daher ist es aus unserer Sicht besser, als Unternehmer einen befreundeten Betrieb zu fragen, ob der Sohn oder die Tochter in dem Unternehmen arbeiten kann, um erst im Anschluss ins eigene Unternehmen zurückzukehren.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person

Jan-Philipp Ahrens leitet die interdisziplinäre „Forschungsgruppe Familienunternehmen“ der Universität Mannheim.