Heilbronn-Franken hat eine vergleichsweise junge Bevölkerung. Das wird jedoch nicht so bleiben. Jens Ridderbusch vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg weiß: Bis Ende 2030 wird es knapp 40 Prozent mehr Über-60-Jährige geben als heute. Was heißt das?
Schaut man in den Zukunftsatlas der Prognos AG, so sind die Ausgangsbedingungen für die Region Heilbronn-Franken durchaus günstig. Auffällig sind die bundesweit herausragenden Indikatoren des Landkreises Heilbronn im Bereich Wettbewerb und Innovation. Auch die junge Bevölkerung und das Arbeitsplatzangebot in der Hochschulstadt Heilbronn bieten eine gute Ausgangslage. Attraktiv im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte sind auch die durchweg guten Werte der Region bei den Kennzahlen zu Wohlstand und sozialer Lage.
Sichtbar wird aber auch, dass es in Heilbronn-Franken räumliche Disparitäten und Randlagen der Entwicklung gibt. Und weiter wird deutlich, dass die guten Platzierungen der Region vorwiegend durch den Ist-Zustand erzielt werden – und weniger durch die Dynamik der letzten Jahren. Das soll heißen: Heilbronn-Franken kommt von einem guten Ausgangsniveau – muss sich aber künftig darum bemühen, dieses Niveau zu halten und auszubauen. Auch andere Regionen entwickeln ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter.
Vor diesem Hintergrund lohnt ein eingehenderer Blick auf die demografische Entwicklung und die Familienfreundlichkeit der Region, die teilweise auch in die Prognos-Indikatoren mit einfließen. Vergleicht man die Altersentwicklung in den zwölf baden-württembergischen Regionen, so hat Heilbronn-Franken eine vergleichsweise junge Bevölkerung. Das bedeutet: Der eigentliche Alterungsprozess steht der Region erst bevor. In den nächsten 20 Jahren wird die Altersgruppe 60 plus um knapp 40 Prozent wachsen – das ist mit die höchste Alterungsrate unter den Regionen im „Ländle“. Jeder dritte Einwohner in Heilbronn-Franken wird dann 60 Jahre oder älter sein. Angesichts dieser Entwicklung läge es nahe, den Schwerpunkt in Zukunft stark auf diese Altersgruppe zu legen. „In der Vergangenheit haben wir viel für Familien getan, jetzt sind einmal die Älteren dran“, ist nicht selten aus Gemeinderäten zu hören. In den Anstrengungen um Familienfreundlichkeit nachzulassen, wäre wegen des überregionalen Wettbewerbs um Fachkräftenachwuchs sicherlich der falsche Schluss.
Das eine tun, ohne das andere zu lassen, ist die aussichtsreichere Strategie. Ein Ausbau der familienfördernden Infrastruktur ist heute wichtiger denn je – und wird von künftigen Fachkräften und Neubürgern auch zunehmend abgefragt und eingefordert. Ein Arbeitsplatz in der Nähe und attraktive Wohnbedingungen – das bieten viele Gemeinden in der Region.
Durchgängige Betreuungsangebote vom Kleinkind bis zum Schulkind sowie eine Willkommenskultur, Treffpunkte und Netzwerke für zuziehende Familien dagegen noch längst nicht alle. Genau darauf ist aber die „Sandwich-Generation“ angewiesen, die oftmals zwischen Existenzgründung, Karriere, Kinderbetreuung und hilfebedürftigen Angehörigen steht. In dieser Hinsicht gibt es in Heilbronn-Franken – wie andernorts – noch Einiges zu tun. Die Betreuungsquoten für unter Dreijährige liegen – zum Zeitpunkt 2015 – je nach Landkreis bei deutlich über oder noch unter 20 Prozent. Mit Blick auf die landesweite Entwicklung ist ein steigender Bedarf zu erwarten. Die Schulkindbetreuung liegt heute schon über dem Landesdurchschnitt – was auf eine überdurchschnittliche Frauenerwerbsbeteiligung in der Region hinweist.
Doch Familienfreundlichkeit beschränkt sich keineswegs auf Kindergärten und Schulen. Angesichts der Altersentwicklung der Bevölkerung kommt es auch entscheidend darauf an, die Hilfeleistungen zwischen den Generationen zu fördern. Davon profitieren Alt und Jung, Neubürger und Alteingesessene gleichermaßen. Ausgehend vom „Netzwerk Familie“ in Tauberbischofsheim und vom „BürgerNetzWerk“ in Igersheim hat sich der Main-Tauber-Kreis eine stärkere Vernetzung der Generationen vorgenommen. Die Angebote, die solche Bürger- und Generationennetzwerke in den Gemeinden übernehmen können, müssen passgenau für den Bedarf vor Ort entwickelt werden. Das kann nur im Dialog mit der Bürgerschaft gelingen – um geeignete Ideen einzusammeln und Aktive zu gewinnen.
Solche Prozesse können auch mit Landesförderung in die Wege geleitet werden. Das Landesprogramm „Familienfreundliche, bürgeraktive und demografiesensible Kommune“ ist ein Beispiel hierfür und bietet den Kommunen eine zwölfmonatige Prozessbegleitung sowie landesweite Qualifizierungsveranstaltungen für die örtlichen Akteure. Am Ende solcher Prozesse stehen – je nach örtlicher Ausgangslage – Dorftreffpunkte, Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser, Oma-Opa-Services, Haushaltshilfen, Fahrdienste, Bürgerbusse, Lern- und Ausbildungspaten für Jugendliche und andere generationenübergreifende Projekte.
Jens Ridderbusch