Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der Verbund SLK-Kliniken Heilbronn den ersten Coronapatienten aufgenommen hat. Wie der Krankenhausbetrieb seither mit der Pandemie umgegangen ist, berichtet Geschäftsführer Thomas Weber im Interview.
Herr Weber, als Sie die Leitung der SLK-Kliniken Heilbronn im Januar 2020 übernommen haben, ahnten Sie da bereits, dass die Pandemie aus
China sich auch in Deutschland ausbreiten würde?
Thomas Weber: Nein, da erging es mir wie wahrscheinlich vielen Bürgern. Ich habe noch nicht geahnt, dass uns das Thema in dieser Intensität beschäftigen würde. Als SLK-Verbund mussten wir uns jedoch schnell auf die neue Situation einstellen und haben Anfang Februar mit einer Infoveranstaltung in der Lungenklinik Löwenstein unser Wissen mit den niedergelassenen Kollegen geteilt. Den ersten Coronapatienten haben wir dann ziemlich genau vor einem Jahr, am 28. Februar 2020, stationär aufgenommen.
Was geht alles damit einher, eine Klinik in Krisenzeiten zu leiten? Wie hoch ist die Belastung und nehmen Sie manches gedanklich mit nach Hause?
Weber: Zunächst einmal war ich sehr froh, ein zukunftsfest aufgestelltes und gut strukturiertes Haus übernommen zu haben. Diese solide Basis hat das Handeln in der Krise leichter gemacht. Es geht in solchen Zeiten vor allem darum, sich stetig auf neue Situationen einzustellen und flexibel zu bleiben. Entscheidend ist, agil zu handeln, um den Mitarbeitern eine Grundlage zu schaffen, auch unter diesen Bedingungen die bestmögliche Medizin für unsere Patienten anbieten zu können. Was mich immer wieder beeindruckt, ist, wie unsere Mitarbeiter noch enger zusammengerückt sind und sich der Situation bis heute immer wieder aufs Neue stellen. Natürlich ist die Belastung, vor allem im medizinischen Bereich, enorm und zehrt an den Kräften. Umso höher schätze ich die Einsatzbereitschaft. Und was mich persönlich betrifft – als Geschäftsführer eines so großen Klinikverbundes bin ich mit den Gedanken oft bei der Arbeit, da es gerade im Bereich des Gesundheitswesens nie Stillstand gibt. Themen wie das Besuchsverbot bei Sterbenden in der ersten Phase der Pandemie oder die Frage, wie der Schutz von Mitarbeitern erhöht werden kann, haben mich auch in meiner Freizeit sehr intensiv beschäftigt.
Wenn Sie nun zurückblicken: Was läuft jetzt, weil man dazugelernt hat, besser?
Weber: Wir sind inzwischen routinierter geworden. Bereits zu Beginn der ersten Welle haben wir eine Corona-Taskforce, besetzt mit Entscheidungsträgern verschiedener Ebenen, eingeführt, die in der heißen Phase im Frühjahr 2020 täglich getagt hat. Gerade in der Anfangszeit war es auch nahezu täglich nötig zu entscheiden. Zum Beispiel: Wie können wir SLK organisatorisch und personell so aufstellen, dass wir einerseits Coronapatienten, die oft viel aufwendiger betreut werden müssen, versorgen können und andererseits die „normalen“ Patienten nicht vernachlässigen? Auch wenn uns die zweite Welle mindestens genauso stark fordert, sind wir besser gewappnet, da unser medizinisches Personal mehr Erfahrung im Umgang mit dem Virus hat und wir die organisatorischen Weichen bereits gestellt haben. Die Abläufe in vielen Bereichen sind optimiert.
Wie schätzen Sie die neue Gefahr durch die deutlich ansteckenderen Virusmutationen ein? Was bedeutet das für Ihren Betrieb?
Weber: Die Mutationen machen uns schon Sorgen. Wir hoffen alle, dass der bis Mitte März verlängerte Lockdown weiterhin einen positiven Effekt auf die Infektionszahlen hat. Es ist aber immer noch zu früh, eine seriöse Aussage zu treffen, wie stark sich die Mutationen auf unsere Patientenzahlen auswirken werden. Wir beschäftigen uns allerdings bereits heute mit dem Thema, um auf mögliche Effekte besser vorbereitet zu sein. Derzeit sind wir allerdings froh, dass wir einen deutlichen Rückgang der Infektionen spüren und unser Personal wenigstens ein bisschen zum Durchschnaufen kommt. Als SLK-Verbund treffen wir vorsorgende Maßnahmen, indem alle stationär aufgenommenen Patienten sich einem Schnelltest unterziehen müssen. Zudem isolieren wir solche, die aus Ländern zurückkehren, in denen Mutationen nachgewiesen worden sind – auch ohne den Verdacht eines Infekts. Sollte es eine dritte Welle geben, dann gehen alle Experten davon aus, dass diese stärker sein wird als die zweite. Dies würde eine enorme Belastung für unsere Einrichtungen bedeuten und die medizinische Versorgung von Nicht-coronapatienten weiter einschränken.
Was müsste sich in der Kliniklandschaft stärker oder sogar grundsätzlich verändern, um künftigen Pandemien die Stirn zu bieten?
Weber: Es hat sich gezeigt, dass Deutschland mit seiner – teilweise immer noch dezentralen – Krankenhausstruktur in der Lage war und ist, eine solche Pandemie mit derart hohen Patientenzahlen zu bewältigen und das meist besser als viele europäische Nachbarn. Um auch zukünftig solche Ereignisse gut zu überstehen, braucht es pragmatische Lösungen der Politik, die uns Krankenhäusern in finanzieller und struktureller Hinsicht helfen.
Welche Lösungen wären das?
Weber: Es muss festgelegt werden, wie wir die Krankenhäuser baulich und personell besser auf Pandemien vorbereiten. Hierzu müssen die Politiker definieren, welche Krankenhäuser für die Pandemieversorgung zuständig sein sollen und wie diese dafür fit gemacht werden. Da in einer solchen Krise die finanzielle Regelversorgung der Krankenhäuser nicht mehr greift, weil kontinuierlich Kapazitäten für Pandemiepatienten freigehalten werden mussten und der Regelbetrieb über viele Monate heruntergefahren wurde, sind finanzielle Ausgleichszahlungen und der Abbau bürokratischer Hürden sowie personeller Vorgaben notwendig. Meines Erachtens hat die Politik bisher aber die richtigen Entscheidungen getroffen und für eine Abfederung gesorgt, von der auch wir profitieren.
Sie müssen den öffentlichen Gesundheitsschutzauftrag erfüllen, aber auch ökonomisch denken – wie überwinden Sie dieses Spannungsfeld?
Weber: Der Patient steht immer an erster Stelle unserer Überlegungen. Nach diesem Credo handeln wir durchgängig und sind dank unserer kommunalen Träger, dem Stadt- und dem Landkreis Heilbronn, nicht gezwungen, eine gewisse Renditegröße zu erreichen.
Sie haben im Gespräch deutlich gemacht, dass der Klinikverbund auf solidem Fundament steht. Kann man schlussfolgern, dass Ihnen der Nachwuchs, salopp gesagt, die Türen einrennt?
Weber: Wir haben zumindest keinen massiven Mangel an qualifizierten Mitarbeitern zu verzeichnen. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass es immer schwieriger wird, Nachwuchs in ausreichender Anzahl zu finden. So gelingt es auch uns nicht immer, vakante Stellen, die eine gewisse Spezialisierung benötigen, zu besetzen. Daher bilden wir an unserer Gesundheitsakademie verstärkt eigenen Nachwuchs aus und haben beispielsweise eine eigene Hebammenschule gegründet. Wir versuchen darüber hinaus, durch flexible Arbeitszeitmodelle, eigene Kindertagesstätten sowie Weiterbildungsprogramme – um nur einige Beispiele zu nennen – die SLK-Kliniken als attraktiven Arbeitgeber in der Region zu positionieren.
Interview: Olga Lechmann