Die digitale Zukunft der Steuerverwaltung

Das Land Baden-Württemberg treibt die Digitalisierung auch in Verwaltungen voran. Im Pilotprojekt „Finanzämter der Zukunft“ sollen fünf ausgewählte Behörden ihre Prozesse an Digitalisierungsmaßnahmen anpassen. Eine davon ist das Finanzamt Öhringen.

Seit April dieses Jahres ist das Finanzamt Öhringen ein „Finanzamt der Zukunft“. Neben Bruchsal, Offenburg, Ravensburg und Rottweil ist es eines von fünf Finanzämtern, in denen die digitale Zukunft erprobt werden soll. Die Steuerverwaltung Baden-Württemberg will in diesen ausgesuchten Ämtern Innovationen zur digitalen Kommunikation und zur Verbesserung des Bürgerservices testen und einführen.

Das Modellprojekt ist eines von über 70 Leuchtturmprojekten innerhalb der Digitalisierungsstrategie des Landes „digital@bw“. Mit dieser will die Landesregierung die Chancen der Digitalisierung nutzen sowie gestalten und Baden-Württemberg zur Region des digitalen Wandels machen. Rund eine Milliarde Euro werden mit dieser landesweiten und ressortübergreifenden Offensive bis 2021 in die Digitalisierung investiert. Einer der Schwerpunkte von „digital@bw“ ist die Verwaltung 4.0.

Schon einmal Testlabor

Das Finanzamt Öhringen war schon einmal ein Testlabor für die Steuerverwaltung des Landes. Vor 20 Jahren wurde dort die erste zentrale Kundentheke in einem Finanzamt eingerichtet, die „Zentrale Informations- und Annahmestelle“. Mit dem im Eingangsbereich liegenden Servicezentrum wollte sich die Steuerverwaltung den Bürgern öffnen und den Kundenservice mit einer einheitlichen Anlaufstelle verbessern. Das Pilotprojekt war ein Erfolg und machte Schule in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Mittlerweile wird dieses Informations- und Beratungsangebot nicht mehr so häufig nachgefragt. Konnte das Finanzamt Öhringen 2011 noch 27.000 Kundenkontakte an der Servicetheke verzeichnen, waren es 2017 nur noch 18.000. Und die Tendenz ist weiter fallend. Dabei ist der Beratungsbedarf der Bürger nicht geringer geworden. Er hat sich nur geändert. Die Kunden wollen heute anders informiert werden: individueller und zeitlich flexibler – eben dann, wenn sie ihre steuerlichen Angelegenheiten erledigen. Und immer mehr Bürger wollen – oder müssen – ihre Steuererklärungen elektronisch abgeben. Sie erwarten auch hier Hilfe und Unterstützung von der Verwaltung bei Registrierung, Authentifizierung und Abgabe der Steuererklärung in Elster, dem Online-Portal der Finanzverwaltung.

Digitalisierungsprozesse entwickeln

Genau hier setzt das neue Modellprojekt der Steuerverwaltung „Finanzamt der Zukunft“ an. Aufgabe der fünf ausgewählten Finanzämter ist es, Digitalisierungsideen insbesondere an den Schnittstellen von Verwaltung, Bürgern, Unternehmen und Steuerberatungskanzleien im Finanzamt zu entwickeln, pilothaft umzusetzen und die Prozesse und Arbeitsabläufe an die Digitalisierungsmaßnahmen anzupassen. Die bisherigen Verwaltungsabläufe sollen nicht einfach in digitale umgewandelt werden. Vielmehr sollen in den Testämtern Prozesse und Abläufe im Sinne der Digitalisierung neu entwickelt und konzipiert, erprobt und optimiert werden – um dann in der gesamten Steuerverwaltung im Land implementiert zu werden. Durch die Beteiligung der Ämter sollen Lösungen praxisnah und schnell bereitgestellt werden.

Als erste Maßnahme wurde bei Projektbeginn das beim Finanzamt Öhringen bestehende Elster-Serviceangebot ausgeweitet. So wurde im Kundenzentrum ein WLAN-Hotspot und ein Elster-Point eingerichtet, an dem die Bürger zusammen mit einem Ansprechpartner des Amtes eine Authentifizierung in dem Online-Portal vornehmen oder andere Probleme lösen können, wenn die telefonische Hilfe an ihre Grenzen stößt.

Mit neuen Informationsformaten soll die Hemmschwelle der Ratsuchenden abgebaut werden, digitale Angebote zu nutzen. So werden in den fünf Finanzämtern in Workshops Drehbücher zu Kurzfilmen erstellt, wie man sie heute in sozialen Netzwerken findet. In diesen werden steuerliche Fragen zu bestimmten Lebenslagen anschaulich beantwortet. Auch auf spezielle Anforderungen von Unternehmen und Steuerberatungskanzleien an die Verwaltung sollen mithilfe der digitalen Technik künftig noch bessere Lösungen gefunden werden. Effiziente Terminvereinbarungs- und Rückrufsysteme tragen den Bedürfnissen einer modernen Arbeitswelt mit vielen unterschiedlichen Teilzeit- und Beschäftigungsmodellen Rechnung und können zu einer konzentrierten und zielgerichteten Kommunikation beitragen. Insbesondere bei Betriebsprüfungen können neue Kommunikationswege wie Videokonferenzen Besprechungen mit vielen Teilnehmern über große Entfernungen ermöglichen und neben Zeit auch Kosten sparen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts „Finanzamt der Zukunft“ ist, die Veränderungen des Arbeitsumfelds durch die Digitalisierung und deren Folgen für die Mitarbeiter der Steuerverwaltung aktiv anzugehen. Für diese bedeutet Digitalisierung nicht nur, papierlos mit einer elektronischen Akte zu arbeiten. Vielmehr ändern sich die internen Verwaltungsprozesse. In der Öhringer Finanzverwaltung wurde deshalb im Herbst 2017 die Organisationsstruktur der Einkommensteuerveranlagung geändert und den neuen Arbeitsabläufen angepasst.

Einfluss auf die tägliche Arbeit

Die Digitalisierung beeinflusst zudem ganz konkret die tägliche Arbeit eines jeden Amtsangehörigen. Bescheide für Standard-Steuerfälle werden schon jetzt vollautomatisch erstellt. In den anderen Fällen werden Risikomanagementsysteme eingesetzt, welche die Mitarbeiter bei der zielgenauen Prüfung der Steuererklärungen unterstützen. Gleichzeitig erfordert dies eine ganz neue Arbeitsweise. Die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse wird darüber hinaus dazu führen, dass neue Arbeits- und Organisationsmodelle entstehen, die ein ämterübergreifendes und ortsunabhängiges Arbeiten der Mitarbeiter ermöglichen werden.

Das Finanzamt Öhringen ist stolz, als „Finanzamt der Zukunft“ eine Vorreiterrolle einzunehmen und den digitalen Wandel aktiv im Sinne Bürger, der Unternehmen und Steuerberatungskanzleien sowie der anderen Partner der Steuerverwaltung mitgestalten zu können.

Katja Konnerth

Zur Person
Katja Konnerth ist seit 1995 in der Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg tätig, unter anderem beim Landesamt für Besoldung und Versorgung und in den Finanzämtern Heilbronn, Öhringen und Mosbach. Seit 2015 leitet sie das Finanzamt Öhringen.