„Die Energiewende gelingt nicht ohne Wärmewende“

Stefan Bärwald, Experte für Quartiersentwicklung bei der Zeag Energie AG, auf der Bleichinselbrücke am Neckarbogen. Foto: Nicole Schielberg

Der Heilbronner Neckarbogen ist ein gutes Beispiel für eine zukunftsweisende Versorgung von Stadtquartieren mit Strom, 
Wärme und Glasfaser. Geplant und geschaffen wurde die moderne Infrastruktur von der Zeag Energie AG, die auch die kommenden Bauabschnitte im Quartier begleiten wird.

Eine Metalltreppe führt am Haus H6 im Heilbronner Neckarbogen von außen ins Untergeschoss. Hinter einer schweren Stahltür befindet sich eine Energiezentrale der Zeag. „Wir betreiben hier ein Blockheizkraftwerk mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung, das Wärme und Strom für den Großteil der bereits bestehenden Gebäude im Quartier produziert“, erläutert Stefan Bärwald, Projektleiter für Quartiersentwicklung bei der Zeag Energie AG. Das Blockheizkraftwerk, kurz BHKW, befindet sich in einem blauen Kasten: fünf Meter lang, zwei Meter hoch und einen Meter breit. Ein leises Brummen ist zu hören. Richtig laut wird es erst, als Bärwald eine der Abdeckungen öffnet, um den Blick auf den Kolbenmotor freizugeben, der einen Generator zur Stromerzeugung antreibt.

„Die bei der Stromerzeugung entstehende Abwärme des Motors und des Abgases wird genutzt, um die Gebäude mit Wärme für Heizung und Warmwasserbereitung zu versorgen“, erläutert Bärwald die Funktionsweise der Anlage. „Durch die Kopplung von Stromproduktion und Abwärmenutzung ist der Wirkungsgrad der Anlage sehr hoch und und es muss weniger Primärenergie eingesetzt werden. Das ist deutlich effizienter als konventionelle Systeme wie ein zentrales Kraftwerk und einzelne kleine Gas- oder Ölheizanlagen. Ferner können neue Erzeugungsanlagen und -technologien in der Energiezentrale zukünftig schneller eingeführt werden, ohne Investitionen in jedem Objekt zu tätigen.“ Für Bärwald ist die dezentrale Nahwärmeerzeugung daher der richtige Weg in die Zukunft. „Die Energiewende kann nicht ohne die Wärmewende gelingen“, ist er überzeugt.

Gasbrennwertkessel unterstützt im Winter

Mit der Abwärme werden zwei Pufferspeicher aufgeheizt, die jeweils 5000 Liter Wasser fassen. „So können wir konstantere Laufzeiten des BHKWs ermöglichen und die Erzeugung vom Verbrauch entkoppeln“, sagt Bärwald. „Erst wenn alle Pufferspeicher gefüllt sind und kein Wärmebedarf besteht, schalten wir es zeitweise ab.“ Für erhöhten Wärmebedarf in den Wintermonaten gibt es zur Unterstützung zwei Gasbrennwertkessel. Sie dienen auch als redundantes System, falls das BHKW gewartet werden muss. „Den Großteil der im Quartier benötigten Wärme erzeugt das BHKW“, konstatiert Bärwald. „Wir versorgen von hier aus 16 Gebäude mit 321 Wohnungen, eine Kindertagesstätte und mehrere Gewerbeeinheiten mit Wärme.“

Der Strom wird über armdicke Kabel zunächst in die Tiefgaragen geleitet, in denen die Elektromobilität konsequent mitgedacht wurde. Die Stellplätze können bei Bedarf jeder-
zeit mit einer Ladestation ausgerüstet werden. Über die Tiefgarage sind die Gebäude an die Stromversorgung angebunden und erhalten den hausgemachten Strom des BHKWs. Auch Photovoltaik kommt im Quartier zum Einsatz. „Die Zeag betreibt eine PV-Anlage mit Batteriespeicher und liefert für die Bewohner günstigen Mieterstrom“, merkt Bärwald an. Überkapazitäten werden ins allgemeine Stromnetz eingespeist.

Gebündelte Kompetenzen

Strom und Wärme sind klassische Themen für Energieversorger. Doch das Engagement der Zeag geht inzwischen weit darüber hinaus. Glasfaseranschlüsse wurden gleich mitverlegt. „Wir konnten dabei unsere Kompetenz in Sachen Netzinfrastruktur einbringen. Im Endeffekt sind es ja auch Leitungen, die heute zur Grundversorgung dazu gehören“, meint Bärwald. „Zudem brauchen wir als Betreiber schnelle Datenleitungen, um die Anlagen aus der Ferne zu überwachen und zu steuern.“ Auch für die Außenbeleuchtung zeichnet die Zeag verantwortlich.

Verbaut wurden smarte LED-Licht-Stelen, die als E-Ladesäulen fungieren können und eine Reihe weiterer digitaler Funktionen bieten: öffentliches WLAN, Umweltsensorik und Sicherheits-Features wie Notrufe. „Stadtentwicklung ist heute eng verbunden mit nachhaltiger Energie- und Wärmeversorgung und umfangreicher CO₂-Einsparung“, sagt Bärwald. „Wir entwickeln Energie- und Infrastrukturlösungen für digital vernetzte, nachhaltig versorgte Wohnquartiere durch integrierte Sektorenkopplung.“ Neben dem Neckarbogen war die Zeag unter anderem im Südbahnhof aktiv und hat dort sogar eigene Gebäude errichtet. „Wenn man so will, haben wir die Gebäude um die Energieversorgungsanlagen herum gebaut, um ein optimales Ergebnis zu erzielen“, sagt Bärwald.

Integriertes Entwicklungskonzept

Eine frühzeitige Zusammenarbeit von Kommune, Wohnungswirtschaft und Energieversorger bei der Planung der Infrastruktur lohne sich für alle Beteiligten. „Mit einem integrierten Entwicklungskonzept, das neben Strom und Gas auch die Bausteine Energieeffizienz, erneuerbare Anlagen, Wärmelösungen, Glasfaser, Mobilität und Beleuchtung berücksichtigt, lassen sich die besten und nachhaltigsten Ergebnisse erzielen“, ist Bärwald überzeugt. „Als Pionier in der Energiebranche, 1888 gegründet, haben wir weltweit als erstes Unternehmen Drehstrom über eine lange Strecke übertragen. Uns ständig neu zu erfinden, ist seitdem eine unserer 
großen Stärken. So können wir heute enorme Erfahrung und verschiedenste Kompetenzen in die Quartiersentwicklung einbringen. Visionär vorauszudenken ist Teil unserer über 130-jährigen Tradition.“

Für Bärwald und die Zeag ist die Quartiersentwicklung ein zukunftsweisender Geschäftszweig, der Kommunen sowie der Wohnungswirtschaft als Dienstleistung angeboten wird. Auch in die weitere Entwicklung des Heilbronner Neckarbogens ist das Unternehmen eingebunden. Bislang steht nur der erste Bauabschnitt. „Im zweiten und dritten Bauabschnitt werden wir als Teil der Wärmegesellschaft Heilbronn mbH für eine nachhaltige Infrastruktur sorgen, um die Energiewende vor Ort umzusetzen“, kündigt Bärwald an.

Dirk Täuber