Ansprechpartner in Sachen Energiewende

Die BEG hat die Schule in Sinsheim-Weiler bereits 2013 mit Photovoltaikmodulen bestückt. Foto: BEG Kraichgau

Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft: Die Nutzung regenerativer Energien liegt im Trend. Wie aber gelingt es Unternehmen, sich von Gas- und Ölimporten unabhängiger zu machen? Die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Kraichgau ist ein beliebter Ansprechpartner bei Fragen rund um erneuerbare Energien.

Wie können sich Unternehmen mit erneuerbaren Energien selbst versorgen?

Florian Oeß: Zunächst ist es wichtig, einen kompetenten Ansprechpartner zu finden, um die möglichen Lösungen zu eruieren und herauszufinden, was im Einzelfall Sinn macht. Außerhalb der BEG gibt es eine gute Beratung auch bei den regionalen Kompetenzstellen des „Netzwerks Energieeffizienz“ und den regionalen Energieagenturen. Wir als BEG führen im Normalfall eine Vor-Ort-Analyse durch und prüfen im nächsten Schritt, ob weitere Energiesparmaßnahmen umgesetzt werden können. Hierbei können auch Maßnahmen zu einer effizienteren Wärmenutzung Thema sein. Beispielsweise ist es denkbar, Restwärme bei energieintensiven Unternehmen abzunehmen und für ein Nahwärmenetz zu nutzen. Im zweiten Schritt prüfen wir dann, wie die benötigte Energie zu 100 Prozent regenerativ erzeugt und genutzt werden kann und ob das ein Thema ist, das die BEG mit dem Unternehmen umsetzen kann. Ansonsten haben wir in unserem Netzwerk auch Unternehmen, die die Lösungen für das Unternehmen umsetzen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Oeß: Mehrere Lagerhallen eines unserer Beratungskunden müssen aus gewerkschaftlichen Gründen permanent auf 18 Grad beheizt werden, auch wenn nur einmal am Tag ein Gabelstapler hindurchfährt. An dieser Stelle wären übrigens Änderungen der Regelungen seitens des Gesetzgebers oder ein Einlenken der Arbeitnehmervertreter angebracht. Eine Lösung könnte sein, gezielt Flächen mit optimierter Heiztechnik zu erwärmen, in denen länger gearbeitet wird und beispielsweise mittels Aufwärmraum oder entsprechender Kleidung den Mitarbeitern der notwendige Komfort geboten wird. Wirtschaftlich und klimatechnisch gesehen ist die Beheizung der Luft großer Lagerhallen unvernünftig. Wir haben ein Konzept ausgearbeitet, dass die Lagerhallen sukzessive mit Photovoltaikmodulen bestückt werden. Gleichzeitig haben wir für die Beheizung der Halle eine maßgeschneiderte Lösung ausgearbeitet, die auch ein Wärmenetz vorsieht.

Wann kommt die BEG ins Spiel?

Oeß: Wir kommen ins Spiel, wenn Unternehmen selbst nicht die Möglichkeit haben, beispielsweise Photovoltaikanlagen zu errichten, oder wenn eine Vernetzung von mehreren Gebäuden oder Firmen in einem begrenzten Gebiet, etwa mittels eines Wärmenetzes, angedacht ist.

Weiterhin sind wir derzeit mit mehreren Kommunen, beispielsweise im Landkreis Karlsruhe, im Gespräch, bei denen die Wärmeplanung größtenteils abgeschlossen ist und jetzt der Auf- und Ausbau von Wärmenetzen geplant ist. Hier kann es sinnvoll sein, große Wärmeenergielieferanten und -verbraucher in einem Gewerbegebiet zu vernetzen und/oder regenerative Energienutzung in diese Netze zu integrieren. Ziel muss es sein, eine wirtschaftliche Lösung zu finden, um die Emission von CO2 weitestgehend zu reduzieren.

Wie ausgelastet sind Sie zurzeit?

Oeß: Wir suchen händeringend nach Mitarbeitern und Partnern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder, der Spaß hat, die Herausforderungen der Energiewende gemeinsam mit anderen anzugehen, sich schnell in die Materie eindenken kann. Im Vordergrund steht bei uns als Genossenschaft der Teamgedanke, denn wir wollen gemeinsam etwas bewegen. Leider können wir aktuell nicht alle Projektanfragen bearbeiten. Allerdings haben wir die Möglichkeit, diese innerhalb unseres Netzwerkes gegebenenfalls auch an eine andere BEG weiterzugeben.

Was machen Sie mit neuen Anfragen?

Oeß: Wir müssen selektieren, welche Projekte auch ohne die BEG gut umgesetzt werden können. Das stellt sich häufig am Ende der ersten Analyse nach ein oder zwei Gesprächen heraus. Hier haben sich schon mehrere Unternehmen dazu entschieden, lieber selbst ihr Hallendach oder ihren Parkplatz mit Photovoltaikmodulen zu belegen, da wir als BEG für die Umsetzung einer solchen Anlage aus Finanzierungsgründen einen Grundbucheintrag benötigen oder relativ lange Nutzungsverträge die Flexibilität einschränken.

Wie können Unternehmen und BEG beim Thema Mobilität zusammenkommen?

Oeß: Wir haben drei Mobilitätsthemen: Ein Projekt zum Thema E-Carsharing setzen wir gerade mit dem evangelischen Verwaltungszweckverband Rhein-Neckar um. Das erste Auto steht den Mitarbeitern schon jetzt tagsüber zur Verfügung und kann nach Feierabend von den Bürgern genutzt werden. Möchte ein Unternehmen eine betriebsinterne Ladeinfrastruktur aufbauen, kann es noch bis Jahresende eine KfW-Förderung erhalten. Ebenso können Wallboxen (Ladestationen für Elektroautos) über uns bezogen werden. Das dritte Thema sind halböffentliche oder öffentliche Ladeinfrastrukturen, bei denen auch Kunden oder Gäste den Strom nutzen können. Hier kümmert sich die BEG um Betrieb der Ladeinfrastruktur und Abrechnung der Ladevorgänge. Dieses Modell setzen wir aktuell bei unserem Quartiersprojekt in Kirchardt um. Aber auch das Hotel Sinsheim und die Technikmuseen in Sinsheim und Speyer wurden von uns ausgestattet.

Was hat es mit dem Projekt in Kirchardt auf sich?

Oeß: Dort haben wir unser erstes Quartierskonzept inzwischen fast fertiggestellt. Es handelt sich hierbei um ein neues Pflegeheim nach KfW40plus Standard, dass wir mit einer regenerativen Wärmeversorgung, einer Photovoltaikanlage mit knapp 200 Kilowatt Peak und einem Speicher mit 120 Kilowattstunden ausstatten. Im Zuge der Vorbereitungen ist die BEG mit der Frage auf die Gemeinde zugegangen, ob auch die in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen öffentlichen Gebäude – Schule, Kindergarten, Mehrzweck- und Festhalle, Hallenbad und Rathaus – angebunden werden können, was von dieser bejaht wurde.

Weiterhin war klar, dass das auf dem gleichen Areal befindliche Wohn- und Ärztehaus mit Apotheke angeschlossen wird. Die Heizzentrale, die mit Holzhackschnitzeln aus dem Ort befeuert wird und eine Heizleistung von knapp einem Megawatt aufweist, ist Anfang September in Betrieb gegangen. Gerade hat der Vorstand und Aufsichtsrat der ersten Erweiterung das „Go“ gegeben, dass im kommenden Jahr zwei weitere Straßen und das neue Rathaus an unser Nahwärmenetz angeschlossen werden können und eine Solarthermieanlage mit mehr als 170 Quadratmeter Kollektorfläche die sommerliche Wärmeerzeugung unterstützt.

Wie funktionieren diese Projekte finanziell?

Oeß: Bislang hat die BEG das notwendige Eigenkapital ausschließlich über Mitgliederanteile aufgebracht. Wir geben Bürgern die Möglichkeit, bei uns ein oder mehrere Anteile im Wert von 100 Euro erwerben zu können. Bei den größeren Projekten, die in Zukunft anstehen, wollen wir auch Nachrangdarlehen mit in die Projekte einbeziehen. So können die Geldgeber nicht nur in die BEG investieren, sondern auch ein bestimmtes Projekt gezielt unterstützen. Bei der Vernetzung eines Gewerbegebietes wäre auch denkbar, eine eigene Projektgesellschaft zu gründen, an der sich Unternehmen beteiligen können. So wollen wir dies auch mit größeren Freiflächen-Photovoltaikanlage und eventuell auch größeren Wärmenetzen machen, die wir gerade projektieren. Bei den Freiflächen sollen sich die Landwirte, die Flächen zur Verfügung stellen, beteiligen können. Somit profitieren diese direkt von der Anlage, da die weggefallene Fläche ja auch ihr Unternehmen belastet.

Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen?

Oeß: Es ist immer sinnvoll, Dächer mit Photovoltaik-Modulen zu belegen. Zwar gehe ich davon aus, dass wir in den nächsten 20 Jahren noch einige Energie aus Biomasse wie Holz benötigen werden. Aber das sollte keine Dauerlösung sein, da regionales Holz irgendwann nicht mehr in den aktuellen Mengen vorhanden sein wird und ein Import für uns nicht akzeptabel ist. Deswegen diversifizieren wir die Wärmequellen bei unseren Projekten. Biomasse kommt zum Beispiel im Winter zum Einsatz, wenn andere Energiequellen nicht ausreichend vorhanden sind. Für eine wirklich nachhaltige Energieversorgung ist auch und gerade der Ausbau von Windenergie – auch in der Region – notwendig. Unternehmer und Unternehmen können sich gerne bei uns einbringen, indem sie Mitglied werden und mit uns zusammenarbeiten. Wir werden in Zukunft viele Kapazitäten, gerade in den Bereichen Planung, Elektronik, Tief- und Hochbau, benötigen. Ein gutes Netzwerk ist da immer hilfreich.

Interview: Beatrix Drescher

Zur Person

Florian Oeß ist seit 2013 ehrenamtliches Mitglied im Vorstand und seit 2016 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG. Beruflich ist er geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmensberatungsgesellschaft mit Sitz in Sinsheim.