Wein und Sekt, das trinken wir Deutschen wirklich sehr gern. Da kann es nur ein lukratives Geschäft sein, eine Wein- und Sektkellerei zu betreiben. Natürlich gehört dazu aber noch vielmehr als Geschäftssinn – zum Beispiel Leidenschaft und Kreativität.
Think global, drink local“ – das ist das langjährige Motto des Traditionsunternehmens Schloss Affaltrach in Obersulm-Affaltrach im Landkreis Heilbronn. Diese vier englischen Worte mit der Bedeutung „Denke ruhig über den geografischen Tellerrand hinaus, doch trinke stets die Erzeugnisse aus deiner Region“ hat schon Gründer Willy Baumann 1928 geprägt. Heute noch legen dessen Sohn, Enkel und die Urenkel großen Wert darauf – und haben Erfolg damit, wie Tanja Baumann, Familienmitglied der vierten Generation, beweist.
Schwungvoll und mit einem herzlichen Lächeln tritt sie aus einer Tür in den Verkaufsraum des Schlosses Affaltrach, den „Meeting life“. Die junge Frau in Pulli, Jeans und Stiefeln bedeutet mit einer Geste, an einem der großen, runden Tische Platz zu nehmen. Umgeben von hunderten Wein- und Sektflaschen verschiedenen Inhalts und Designs beginnt sie, die Geschichte ihres traditionsbewussten Familienbetriebs zu erzählen: „In den 1920ern hat mein Urgroßvater Willy das zum Verkauf stehende Schloss in einer Zeitungsannonce gesehen und es erworben. Seine Frau Elisabeth, die aus einer Winzerfamilie kam, brachte all das Weinwissen mit und so begann man damals schon als Kellerei.“
1936 wurde noch die Sektkellerei gegründet und von Willy und seinem Sohn Reinhold Baumann nach und nach vergrößert. „Damals hatten wir auf dem selbstbewirtschafteten Weingut eine Rebfläche von wenigen Hektar, heute sind es über 40“, sagt die 29-Jährige und nippt an ihrem Cappuccino. Genau wie sein Vater war auch Reinhold Baumann ein Pionier auf dem Gebiet des Weins. Er erzeugte nach dem Krieg als Erster einen Eiswein aus der Rebsorte Trollinger und schaffte es 1973, bei einem Trollinger 292 Grad Oechsle – das ist die offizielle Maßeinheit für den Zuckergehalt eines Traubenmosts – zu erreichen. Normalerweise hat ein Trollinger rund 75 Grad Oechsle.
Es zieht sich durch die gesamte Familien- und Unternehmensgeschichte – den Baumanns ist es immer wieder gelungen, die Ersten zu sein, in dem, was sie tun. So fand Thomas Baumann, Sohn von Reinhold Baumann, eine lukrative Nische: Sekt-Eigenmarken. Was damit gemeint ist? „Hotels, Restaurants, Feinkostläden, der gehobene Weinfachhandel oder auch Unternehmen können bei uns ihre eigene Sektflasche herstellen lassen. Sie können sich dann zwischen 20 verschiedenen Cuvées entscheiden und haben unter anderem bei Flaschengröße, Etikett und Farbe ein Mitspracherecht“, klärt Tanja Baumann auf. Dieses Angebot werde sehr gut angenommen, eine eigene Sektflasche haben zum Beispiel schon die Unternehmen Mustang und Joop bei Schloss Affaltrach bestellt. „Sekt sells“ eben.
Frischer Wind
Doch nicht nur die ältere Generation ritt dank ihrer innovativen und revolutionären Ideen auf der Erfolgswelle, auch die studierte Betriebswirtschaftlerin selbst hat – etwa durch ihre auf einer Wein-Weltreise gesammelten Erfahrungen – frischen Wind ins Traditionsunternehmen gebracht und ihre Visionen auch in die Tat umgesetzt, beispielsweise einen im Granitstein ausgebauten Wein anzubieten. Oder indem sie außergewöhnliche Weinproben konzipiert. „Ich kombiniere Wein nicht nur mit Essen, sondern etwa auch mit Tanz“, erzählt Tanja Baumann und nimmt wieder einen Schluck. Das heißt nicht, dass die Teilnehmer selbst das Tanzbein schwingen müssen, beziehungsweise nur, wenn sie wollen, sondern dass sie vor allem der Tänzerin zuschauen und genießen dürfen.
Bei allem, was sie und ihr Bruder Marc angestoßen und verändert haben, konnten sie stets auf das Vertrauen ihres Vaters bauen. Und der größte Vertrauensbeweis ist sicher, dass Thomas Baumann 2020 das Zepter an seine beiden Kinder übergeben und sich selbst aus der Geschäftsführung zurückziehen möchte. Bis dahin überlegt es sich vielleicht auch Nesthäkchen Till, in den Familienbetrieb einzusteigen. Aktuell studiert dieser noch Mediendesign in Köln, wird aber schon beim Thema Facebook und Co. aufgrund seiner Expertise von seinem Vater und den Geschwistern angezapft.
„Ein anderes Ziel, möglicherweise ja auch für das Jahr 2020 oder vielleicht schon früher, ist es, den deutschen Rotweinpreis zu gewinnen“, verrät die Willsbacherin und es ist deutlich zu erkennen, dass sie sich das von ganzem Herzen wünscht. Dafür arbeiten die Baumanns und ihre 75 Mitarbeiter, die für sie alle ebenfalls zur Familie gehören, jeden Tag hart – weil sie einfach die Besten sein wollen.
Olga Lechmann