„Die langfristige Perspektive ist ganz wichtig“

Der Vorstand von Innovationsregion Hohenlohe e. V. (v. l.): Prof. Harald Unkelbach, Norbert Schuster, Prof. Elmar Zeitler, die neue Vorstandsvorsitzende Dr. Stefanie Leenen, Guido Rebstock und Bernd Kaufmann. Foto: Innovationsregion Hohenlohe e. V.

Die Unternehmerin Dr. Stefanie Leenen hat fast zwei Jahrzehnte lang ein Familienunternehmen geleitet. Seit Ende September 2021 ist sie Vorstandsvorsitzende der Innovationsregion Hohenlohe. Im Interview erklärt sie, wie familiengeführte Unternehmen die Zukunftsfähigkeit der Region Heilbronn-Franken  sicherstellen, aber auch, vor welchen Herausforderungen sie stehen.

Sie haben das Familienunternehmen Bass geleitet. 2019 wurde es durch den japanischen Konzern OSG übernommen und Sie sind ausgestiegen. Was waren die Gründe?

Stefanie Leenen: Das waren in erster Linie persönliche Gründe. Ich habe dem Unternehmen fast 20 Jahre lang mit Freude und Erfolg gedient. Dennoch kam ich an den Punkt, wo ich mich gefragt habe, was dem Unternehmen mit Blick auf das Wettbewerbsumfeld gut tun würde, ob ich nach wie vor die Richtige dafür bin oder ob ich mir für mich selbst nicht auch etwas anderes vorstellen könnte. Ich kam damals zu dem Schluss, dass es gut sei, Bass in eine andere Konstellation einzubetten, zumal OSG auch ein traditionsreiches Familienunternehmen ist. Bass ging in gute Hände über, das war mir wichtig.

Ticken Familienunternehmen anders?

Leenen: Sie ticken ganz sicher anders. Man hat eine langfristige Perspektive und denkt nicht nur in Quartalszahlen, sondern überlegt, was man heute tun muss, damit das Unternehmen in fünf oder zehn Jahren auch noch gut dasteht. Dafür nimmt man auch mal gerne in Kauf, dass die Zahlen vielleicht kurzfristig ein wenig schlechter sind. Diese langfristige Perspektive ist ganz wichtig. Ebenso wie die Kontinuität der Ansprechpartner. Egal ob im privaten oder im geschäftlichen Bereich – gute, stabile Beziehungen sind wichtig. Familienunternehmen können in dieser Hinsicht Menschen eine Stütze sein, auch ein Stück Heimat.

Sie waren auch Vizepräsidentin der IHK, jetzt stehen Sie der Innovationsregion vor. Wo liegen aus Ihrer Sicht derzeit die größten Sorgen und Nöte der Familienunternehmen der Region?

Leenen: Alle haben das gleiche Problem: Fachkräftemangel. Wer wachsen will, braucht dafür qualifizierte Mitarbeitende. Das ist bei uns in der Region das vorrangige Thema. Hinzu kommen Materialknappheit und Lieferengpässe, aber das wird sich schneller lösen lassen. Aufgrund des demografischen Wandels wird es zunehmend schwerer, Menschen zu finden, die auch Lust haben auf Leistung. Ich nehme da teilweise eine gewisse Trägheit und Bequemlichkeit wahr, auch schon bei jungen Menschen. Dabei sollten gerade die ja Lust darauf haben, ihr Leben und ihren Berufsweg aktiv zu gestalten. Wir müssen diese Menschen entwickeln und fördern, ihnen aufzeigen, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, Leistung zu bringen und auch Verantwortung zu übernehmen. Sonst sind das verlorene Jahrgänge.

Die Innovationsregion Hohenlohe engagiert sich stark im Bildungsbereich und will Kinder bereits in jungen Jahren für MINT-Themen begeistern. Inwiefern halten Sie es für unverzichtbar, dass die regionale Industrie die staatlichen Bildungsangebote flankiert?

Leenen: Die Mitglieder der Innovationsregion Hohenlohe haben schon ganz lange verstanden, dass es ungemein wichtig ist, Nachwuchs zu fördern und auch Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Ich finde es einmalig, dass Unternehmen, die am Weltmarkt als harte Wettbewerber agieren, in unserem Verein zusammenarbeiten und für dieses Ziel gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir arbeiten auch eng mit den Schulen zusammen und das wird sehr positiv aufgenommen. Aktuelles Beispiel: Aufgrund der Pandemie konnten viele Angebote zur Berufsorientierung wie Praktika nicht stattfinden. Zudem herrscht großer Lehrermangel im Bereich Technik. Wir haben daher unsere Mitgliedsunternehmen gefragt, ob deren Ausbilder die Techniklehrer an den Schulen unterstützen könnten. Die vielen positiven Rückmeldungen haben mich absolut begeistert. Die Unternehmen haben verstanden, dass das gut für die Region, für die Schüler und auch für sie selbst ist. Das Engagement ist pro bono, es geht nicht um direkten Nutzen, sondern darum, jungen Menschen etwas zu vermitteln.

Welche Maßnahmen und Projekte möchten Sie in Ihrer neuen Rolle als Vorstandvorsitzende der Innovationsregion umsetzen?

Leenen: Gutes und Bewährtes möchte ich weiterführen und ausbauen. Ein Teil davon ist, dass wir die Bedarfe der Schulen ermitteln und unterstützen, wo wir können. Kürzlich haben wir vier neue NAO-Roboter überreicht, finanziert von der Friedrich-Kriwan-Stiftung, mit denen junge Menschen im Bildungszentrum Niedernhall lernen können, zu programmieren. Wir wollen junge Menschen gerne auf spielerische Weise an Technikthemen heranführen, damit es für sie nicht abstrakt und abgehoben bleibt, sondern greifbar wird und mit Spaß und Freude verbunden ist. Wir wollen auch weiterhin eine Plattform sein, auf der sich unsere Mitgliedsunternehmen vertrauensvoll austauschen können, um die Region gemeinsam weiter voranzubringen.

Interview: Dirk Täuber