Die Logistik von morgen

Ein Gedankenexperiment: Wir haben sieben Thesen aufgestellt, wie Logistik und Warentransport in Zukunft aussehen könnten. Logistikexperte Roland Rüdinger hat sie kommentiert.

These 1: Elektrische Antriebe werden sich bis 2030 flächendeckend durchsetzen, auch bei Lastkraftwagen (Lkw).

Roland Rüdinger: Sicher nicht, denn die Haltedauer von Lkw beträgt fünf bis zehn Jahre. Ab nächstem Jahr müssten also alle Lkw-Anschaffungen elektrisch sein. Davon sind wir weit weg. Warum? Das Stromnetz gibt die Strommenge zum Laden nicht her, es gibt nicht genügend Batterieproduktionskapazität und die Batterie als Energiespeicher ist auf langen Strecken zu schwer. Ich halte die Brennstoffzelle für eine langfristige Lösung, um nach der Wasserstoff­oxidation elektrisch fahren zu können. Als Übergangstechnologien wird es wohl Gas-Lkw geben. Das Effizienteste ist und bleibt der Diesel. Leider nimmt die Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis, dass die Abgasreinigung im Lkw funktioniert und daher kaum noch Schadstoffe ausgestoßen werden. Einer These, dass bis 2030 alle Gabelstapler elektrisch angetrieben werden, würde ich zustimmen.

These 2: Durch intelligente Assistenzsysteme werden in zehn Jahren die Fahrzeuge praktisch autonom fahren.

Rüdinger: Das ist leider ein Märchen. Nur ohne Gegenverkehr, bei genügend Platz und gutem Wetter wird das ansatzweise funktionieren.

These 3: Künstliche Intelligenz, Vernetzung und Digitalisierung werden dafür sorgen, dass die Warenflüsse effizienter geplant und gesteuert werden. Das entlastet die Verkehrsinfrastruktur. Kilometerlange Lkw-Staus gehören der Vergangenheit an.

Rüdinger: Der erste Teil stimmt. Da aber jeder nach Lust und Laune Pkw fahren will, sind die Straßen schon ohne Lkw verstopft, wenn die kollektive Freizeit anfängt. Es ist ebenfalls ein grünes Märchen, dass man Güter oder Personen per E-Mail verschicken kann. Hier hilft nur mehr Infrastruktur, also mehr Straßen! Allerdings werden die Fahrzeuge immer umweltverträglicher und damit weniger störend. Das wird in der allgemeinen Debatte gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Die Alternative ist weniger Mobilität bei Personen und Gütern. Das hilft. In der Weltwirtschaftskrise 2009 fuhren 15 Prozent weniger Lkw – ohne Verbot und Regierungsbeschluss, sondern nur weil die Menschen weniger eingekauft und Betriebe Kurzarbeit hatten.

These 4: Kleinere Frachtstücke werden auf der letzten Meile zum Kunden von autonom fahrenden Zustellfahrzeugen und sogar von Drohnen geliefert.

Rüdinger: Obwohl das bereits getestet wird, auch aktuell auf der Bundesgartenschau, bleibt es meiner Ansicht nach noch die nächsten 15 Jahre lang ein Märchen. Es hört sich aber gut an.

These 5: Transporte werden in Zukunft völlig papierlos, auch über Landesgrenzen hinweg, möglich sein, da sämtliche Dokumente und Informationen nur noch digital vorliegen.

Rüdinger: Das ist bei uns im Betrieb schon Realität. Dafür wurden wir von der Verkehrsrundschau im März 2018 mit dem Digitalisierungspreis ausgezeichnet.

These 6: Klimaschutz wird in Zukunft der entscheidende Wettbewerbsfaktor in der Logistikbranche sein.

Rüdinger: Das glaube ich nicht. Wir haben heute schon Konzepte, wie wir die Lkw zehn bis 30 Prozent effizienter einsetzen könnten, werden aber von der Bahnlobby daran gehindert: Der Lang-Lkw, verlängerte Sattelauflieger und eine Gesamtgewichtserhöhung der Lkw um zehn Prozent wären sofort möglich und hätten oben genannten Effekt. Trotzdem traut sich die Verkehrspolitik nicht, weil die Öffentlichkeit bahngläubig ist. Dem Logistikkunden ist der Klimaschutz egal, Hauptsache der Transport ist billig.Wäre das anders, dürften Polensprinter, die ungebündelt Ware transportieren, nicht eingesetzt werden. Nebenbei verstoßen die auch oft gegen die Mindestlohnvorschriften.

These 7: Logistikunternehmen werden sich stärker spezialisieren auf regionale, nationale oder internationale Distribution. In Heilbronn-Franken sind in wenigen Jahren alle Lkw orange.

Rüdinger: Die Spezialisierung sehe ich kommen. Da die Logistikbranche sehr vielfältig ist, sehe ich jedoch keine Monopolstellung von einem Logistiker – auch nicht von uns. Nur DHL hat im Briefbereich ein staatliches Monopol, aber schon im Paketbereich funktioniert der Wettbewerb. Und im Stückgutbereich hat kein Marktteilnehmer mehr als zehn Prozent Marktanteil. Die Rüdinger Spedition möchte als Spezialist für den Maschinen- und Anlagenbau die maximale Kompetenz und Effizienz aufbauen, damit wir so ressourcenschonend wie irgend möglich, nämlich hoch­integriert, arbeiten können. Durch die Bündelung von fünf Stückgutsystemen in unserer Region erreichen wir ökologisch und ökonomisch hohe Effizienz – zum Wohle der Umwelt und unserer Kunden.

Thesen: Dirk Täuber


Zur Person
Roland Rüdinger ist Geschäftsführer der Rüdinger Spedition GmbH. Die orangefarbenen Lkw seiner Spedition sind häufig auf den Straßen der Region Heilbronn-Franken zu sehen.