„Die Marke muss authentisch sein“

Fachkräfte gesucht: Unternehmen müssen Interessenten mit attraktiven Jobangeboten begeistern. Foto: Adobe Stock/Prostock-studio

Der Fachkräftemangel stellt Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Wie sie im „War for Talents“ mit einer guten Arbeitgebermarke punkten können, erläutert Prof. Michael Ruf.

Fachkräftemangel ist seit Jahren ein Dauerthema. Wie schlimm ist die Lage?

Michael Ruf: Wir reden seit über zehn Jahren über dieses Thema. Im Moment wird es deutlich spürbar: ausgedünnte Flugpläne, verkürzte Öffnungszeiten in Restaurants und vieles mehr. Der Mangel ist auch bei einfachen Tätigkeiten immens, zumal sich viele Menschen während der Coronazeit umorientiert haben. Dieses Personal fehlt jetzt. Der Fachkräftemangel kommt nach der Coronakrise auch im Alltagsleben vieler Menschen an. In vielen Bereichen stellt er schon lange ein Problem dar: in der Pflege, in der Gastro, aber auch im IT-Sektor. Hier haben wir seit Jahren die Situation, das viele Unternehmen ihre offenen Jobs nicht mehr besetzen können. Wir haben keinen flächendeckenden Fachkräftemangel. Er fokussiert sich auf bestimmte Berufe, Branchen oder auch Regionen. Das war lange für die meisten Menschen nicht wirklich spürbar, aber jetzt merken auch breite Bevölkerungsschichten, dass es eine Unterversorgung in vielen Bereichen gibt.

Wie stellt sich die Situation in der Region dar, beispielsweise in der starken Branche Maschinenbau?

Ruf: Im Maschinenbau werden viele Spezialisten benötigt – auch solche, die sich mit Software-Themen auskennen. Gerade in der Vernetzung von Mensch, Maschine und Prozessen liegt die Zukunft des Maschinenbaus.

Haben es Unternehmen mit einer starken Marke leichter, nicht nur Kunden für die Produkte, sondern auch potenzielle Mitarbeitende für sich als Arbeitgeber zu begeistern?

Ruf: Definitiv ja. Aus meiner Sicht muss eine erfolgreiche Personalrekrutierung, aber auch eine Personalbindung an eine gewisse Arbeitgeberattraktivität geknüpft werden. Das wird instrumentell über die Arbeitgebermarke erreicht. Sie erleichtert den Entscheidungsprozess für einen Arbeitgeber und muss positiv aufgeladen sein – rational und emotional. Sie muss in potenziellen Mitarbeitenden den Wunsch erzeugen, dort zu arbeiten. Um offene Stellen zu besetzen, müssen Unternehmen das Employer Branding in ihre Personalstrategie integrieren.

Was zeichnet eine gute Arbeitgebermarke aus?

Ruf: Ich mache das immer gerne an drei Attributen fest: Erstens, sie muss authentisch sein. Das, was sie nach außen verkauft und kommuniziert, muss für Mitarbeitende im Unternehmen auch erlebbar sein. Sie muss halten können, was sie verspricht: „Practice what you preach.“ Zweitens muss sie attraktiv sein für ihre Zielgruppe. Unternehmen müssen sich im Klaren darüber sein, welche Zielgruppe sie ansprechen wollen, worauf diese Wert legt und nach welchen Kriterien diese Arbeitgeber als attraktiv bewertet. Und der letzte Faktor, der immer etwas stiefmütterlich behandelt wird, sind Alleinstellungsmerkmale, mit denen sich Unternehmen von Mitbewerbern abheben können. Gelingt es, auf dem Arbeitsmarkt Angebote zu machen, die einzigartig und zugleich attraktiv und authentisch sind, dann haben Unternehmen die drei wesentlichen Faktoren geschaffen, die eine gute Marke auszeichnen.

Was ist in Sachen Arbeitgeberattraktivität wichtiger? Harte Faktoren wie Gehalt und Arbeitszeit oder weiche wie Atmosphäre und Kultur?

Ruf: Wenn man die jüngere Generation rekrutieren möchte, Berufseinsteiger oder Young Professionals, dann sind es eher die weichen Faktoren, die in den Vordergrund rücken. Es wäre aber ein Trugschluss, zu glauben, dass man dann beim Gehalt sparen kann. Die harten Faktoren werden vorausgesetzt und müssen ein bestimmtes Niveau haben, sonst haben Unternehmen keine Chance. Aber sie sind nicht die entscheidenden, differenzierenden Faktoren bei der Wahl des Arbeitgebers. Da greifen eher die weichen Faktoren, wenn das Mindestmaß der harten Faktoren gesetzt ist. Berufserfahrene in fortgeschrittenem Alter haben eine andere Priorisierung. Härtere Faktoren wie Arbeitsplatzsicherheit spielen im Alter von 50 Jahren eine andere Rolle als mit 20. Unternehmen müssen sich daher anschauen, in welchen Lebensphasen sich die Menschen befinden, die sie ansprechen, anwerben und binden wollen.

Gibt es derzeit besondere Trends im Employer Branding, um diese verschiedenen Zielgruppen zu adressieren?

Ruf: Ja, das möchte ich gerne an drei Dingen festmachen: Was in Sachen Arbeitgeberattraktivität gerade an Bedeutung gewinnt, ist mobiles Arbeiten. Das ist ein wesentlicher Treiber, der Unternehmen in der Nach-Corona-Phase beschäftigt. Manche Unternehmen behalten den mobilen Modus bei, andere fahren eine Back-to-Office-Strategie. Mit geschickten und intelligenten Modellen von hybriden Arbeitsformen werden sich Unternehmen künftig gut positionieren können. Punkt zwei ist häufig auf die jüngere Zielgruppe zugeschnitten. Viele Unternehmen haben großartige Arbeitgeberstärken, aber Berufsanfänger wissen oft noch nicht, was sie eigentlich wollen. Da müssen Unternehmen sich intelligente Formate überlegen, wie ihre Stärken erlebbar gemacht werden können. Gehaltsniveau oder Arbeitsplatzsicherheit sind rational erklärbar, aber wenn es um eine inspirierende Arbeitsumgebung geht, kann man vielleicht coole Lounges oder Kicker zeigen, die im Office stehen, aber das lässt sich genauso wie eine kollegiale Arbeitsatmosphäre und Teamgeist nur schwer nach außen vermitteln. Hier können ein Tag der offenen Tür oder Möglichkeiten des Probearbeitens hilfreich sein, damit Externe Erfahrung im Unternehmen sammeln können. Experience Management ist ein ganz wichtiger Punkt. Drittens gibt es durch die Digitalisierung eine Fülle an neuen Möglichkeiten, sich als Arbeitgeber zu präsentieren. Nicht nur mit Videos, sondern auch mit Virtual-Reality- oder Gaming-Formaten kann auf spielerische Weise Personalmarketing betrieben werden. Da gibt es viele tolle neue Ansätze, um Unternehmen für Interessenten erlebbar zu machen. Diese drei Bausteine prägen derzeit die Diskussion im Employer Branding.

Große Unternehmen mit Personalabteilung haben es da sicher leichter. Haben Sie Tipps, wie sich auch kleine und mittlere Unternehmen als Arbeitgeber gut vermarkten können?

Ruf: Große Unternehmen haben natürlich mehr Ressourcen. Aber es ist durchaus so, dass das Thema Arbeitgeberattraktivität nicht den großen, internationalen Unternehmen vorbehalten ist. Kleine Unternehmen können häufig mit weichen Faktoren punkten. Wenn wir ein mittelständische Unternehmen mit einem Dax-Konzern vergleichen, sind die Themen Kollegialität, familiäre Atmosphäre und Geschäftsführer, die sich persönlich um die Belegschaft kümmern, ganz anders ausgeprägt. Auch die Bandbreite der Tätigkeiten ist in einem kleineren Unternehmen abwechslungsreicher als in einem hochspezialisierten Konzern. Die Mittelstands-DNA hat großes Potenzial und ist für viele attraktiv. Angesichts knapperer Ressourcen können sich Mittelständler aber keine großen Streuverluste leisten und müssen daher noch intensiver prüfen, wer ihre Zielgruppe ist und wie sie am effektivsten angesprochen wird.

Wie sieht es beim Anwerben internationaler Fachkräfte aus? Sind dafür besondere Strategien nötig?

Ruf: Es gibt durchaus Erfahrung in Unternehmen, wie man aus dem Ausland rekrutieren kann. Es gibt sogar Dienstleister dafür. Aber das große Thema ist hier eher, wie internationale Mitarbeitende im Unternehmen gehalten werden können. Personalbindung ist bei interkulturellen Unterschieden eine größere Hürde. Und häufig sind Unternehmen noch nicht international genug in ihrem Mindset und ihrer Kultur. Hier gibt es Verbesserungspotenzial, um Mitarbeitende aus dem Ausland wirklich mit einem „Warm Welcome“ zu empfangen.

Interview: Dirk Täuber

Zur Person: 

Prof. Dr. Michael Ruf ist Professor für Internationales Personalmanagement an der
Hochschule Heilbronn sowie Geschäftsführer der Heilbronner Institut für Lebenslanges Lernen gGmbH