Sicherheit, Nachhaltigkeit, Qualifizierung: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut erläutert im Interview, wie Unternehmen aus Baden-Württemberg die digitale Transformation managen können.
Beim Spitzentreffen der Initiative Wirtschaft 4.0 Baden-Württemberg am 16. Januar haben Sie ein Zehn-Punkte-Zukunftsprogramm verabschiedet. Was sind die wichtigsten Schritte, um die digitale Transformation voranzutreiben?
Nicole Hoffmeister-Kraut: Das gemeinsam mit den Partnerorganisationen der Initiative Wirtschaft 4.0 Baden-Württemberg (IW4.0) verabschiedete Zukunftsprogramm „Resiliente Wirtschaft 4.0“ blickt auf die Erfolge der letzten fünf Jahre zurück, in denen die Grundlagen für eine resilientere Wirtschaft gelegt wurden. Damit ist die Arbeit nicht getan. Es gilt, auf diese erfolgreichen Maßnahmen aufzubauen. Angesichts der multiplen Krisen müssen wir gemeinsam die Kräfte und Stärken bündeln, um innovative Lösungen zu finden.
Wie sehen diese konkret aus?
Hoffmeister-Kraut: Ökosysteme wie zum Beispiel der aktuell in Heilbronn entstehende Innovation Park AI oder der Aufbau des Kompetenzzentrums Quantencomputing sind Maßnahmen, die zeitnah dazu beitragen sollen, Innovationen in Wertschöpfung zu übertragen. Themen wie Cybersicherheit, der effiziente Einsatz von Ressourcen, Wissenstransfer und die Fachkräftesicherung sind in dem Zukunftsprogramm adressiert und werden bereits durch konkrete Maßnahmen unterstützt.
Das Thema Künstliche Intelligenz spielt bei der digitalen Transformation eine wichtige Rolle. Welche Bedeutung hat dabei der Innovationspark KI und wie wichtig ist das Thema KI für Unternehmen der Region?
Hoffmeister-Kraut: Mit dem Innovation Park AI (Ipai) in Heilbronn soll das relevanteste Ökosystem für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz in Europa aufgebaut werden. Gedacht ist er für Unternehmen, Start-ups, angewandte Wissenschaft, Investoren und als Anziehungspunkt für Talente. Ziel ist es, Wertschöpfung für KI-basierte Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle in Baden Württemberg zu generieren. Das ist für die Region und darüber hinaus von Bedeutung. Denn der Ipai hat auch zum Ziel, sich über die Grenzen der Region hinaus zu vernetzen. Zu den weiteren Strukturen vor Ort in Heilbronn gehört zudem eines der 16 regionalen KI-Labs. Ich gehe davon aus, dass für viele Unternehmen in der Region schon heute das Thema KI und die digitale Transformation von Bedeutung sind.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist nicht länger eine Zukunftsvision. Wir sind mittendrin. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung schon jetzt für Arbeitnehmer? Stichwort: Remote Work.
Hoffmeister-Kraut: Mobiles Arbeiten ist attraktiv und verbessert vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Freizeit. In vielen Betrieben und Verwaltungen sind dazu Betriebs oder Dienstvereinbarungen geschlossen worden. Vielfach können 50 bis 60 Prozent regelmäßig mobil gearbeitet und zusätzlich flexible mobile Tage in Absprache mit dem Vorgesetzten genommen werden. Wichtig ist, dass sich die einzelnen Organisationseinheiten auf gemeinsame Präsenztage verständigen. Die Führungskräfte müssen sich auf neue Kommunikationsverfahren und neue Mittel zur Führung einstellen. In Bezug auf die Arbeitszeit sollte der Rechtsrahmen, den die EU ihren Mitgliedsstaaten lässt, in Deutschland besser ausgenutzt werden.
Deutschland hinkt in puncto Digitalisierung international hinterher. Wie kritisch sehen Sie dies und wie kann dagegen vorgegangen werden?
Hoffmeister-Kraut: Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Umsetzung wird nicht im Hauruckverfahren gehen, sondern wir müssen die Verwaltungsdigitalisierung als Daueraufgabe des laufenden Jahrzehnts begreifen. Das Onlinezugangsgesetz hat zwar bereits erste Weichen für eine moderne Verwaltung gestellt. Nichtsdestotrotz hat Deutschland beim Thema Verwaltungsdigitalisierung trotz erkennbarer Erfolge im internationalen Vergleich noch Entwicklungspotenzial. Dieses Potenzial muss jetzt beim anstehenden „Onlinezugangsgesetz 2.0“ genutzt werden. Ziel ist eine „nutzerzentrierte Verwaltung“ für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und eine einfache, moderne Verfahrensabwicklung.
Hat hier die Politik geschlafen?
Hoffmeister-Kraut: Aktuell sind wir auf einem guten Weg, die Verwaltungsabläufe in Baden-Württemberg zu digitalisieren. Gemeinsam mit vielen motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landkreisen, Städten und Gemeinden sind bereits eine Vielzahl an Verwaltungsleistungen digitalisiert worden. Jetzt geht es darum, diesen Erfolg in die Fläche des Landes zu tragen. Dafür müssen nun Land und Kommunen gleichermaßen mit anpacken. Denn erst wenn all diese Leistungen wirklich in jeder noch so kleinen Gemeinde aktiviert werden und dadurch für ihre Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen auch online abruf- und bearbeitbar sind, haben wir unser Ziel erreicht.
Wie können Unternehmen verantwortungsbewusst mit den Herausforderungen umgehen und mit der rasanten Entwicklung der digitalen Transformation Schritt halten?
Hoffmeister-Kraut: Gerade die Themen Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit gewinnen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz an Bedeutung für die Wirtschaft. Es braucht also passende innovative Lösungen. Darin liegen wiederum große Wachstumschancen und Potenziale für den Markt. Fragen der Nachhaltigkeit, die zwangsläufig mit einer fortschreitenden Digitalisierung auftauchen, betreffen alle Bereiche. Mithilfe der Digitalisierung können in zahlreichen Lebensbereichen im ganzen Land Ressourcen eingespart und Emissionen vermieden werden. Es müssen zudem die digitalen Qualifikationen gestärkt und Fachkräfte gesichert werden. Der Fach- und Arbeitskräftemangel sowie die sich zunehmend veränderten Kompetenzanforderungen an Unternehmen und ihre Beschäftigten machen eine konstante Weiterbildung für alle notwendig. Zudem ist es essenziell, die MINT-Berufe zu fördern und vor allem bei Frauen attraktiv zu machen.
Interview: Teresa Zwirner
Zur Person
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut ist Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg.