Digitale Trends live erleben

In sogenannten „Erlebnisräumen“ können Unternehmen live erfahren, wie unter anderem Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality die Basis für neue Dienstleistungsangebote bilden. Foto: Fraunhofer IAO / Parsyak

Nicht nur Traditionsunternehmen in der Industrie zeichnen Heilbronn-Franken aus, sondern auch zahlreiche Dienstleister. Das Kompetenzzentrum Smart Services hilft, die Digitalisierung dieser Betriebe voranzutreiben. Im Interview berichtet Thomas Meiren, wie mit Hilfe des Angebots Innovationen gefördert werden.

Wo sehen Sie die größten Hürden für Dienstleister?

Thomas Meiren: Bei Smart Services geht es darum, Digitalisierung und Dienstleistungen zu verbinden. Oder anders ausgedrückt: Mit digitalen Technologien oder Daten einen Mehrwert für Kunden zu schaffen und damit auch Geld zu verdienen. Das Spektrum reicht dabei von einfachen Smart Services wie etwa Video-Sprechstunden und Online-Diagnosen bis hin zu komplexen Anwen-
dungen wie der datenbasierten Prognose von Maschinendefekten. Bei kleinen und mittleren Betrieben stellen wir häufig fest, dass für die Entwicklung und Umsetzung solcher Smart Services die personellen Ressourcen fehlen und meist auch keine Strategie für die Digitalisierung des eigenen Dienstleistungsgeschäfts vorhanden ist. Außerdem werden auch die hohen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit von den Betrieben oft als Hemmschuh gesehen.

Inwiefern konnten Sie Unternehmen bereits helfen, sich auf eine digitale Zukunft vorzubereiten?

Meiren: Im Kompetenzzentrum Smart Services bieten wir eine breite Unterstützung für kleine und mittlere Dienstleistungsunternehmen in Baden-Württemberg. Dies beginnt mit dem Informieren – etwa in Form von Veranstaltungen, sozialen Medien, Podcasts, Leitfäden und vielem mehr. Es gibt auch eine Sammlung von Best Practices auf unserer Internetseite, die als Mutmacher für kleine Betriebe dienen sollen. Ein weiterer Schwerpunkt des Kompetenzzentrums bildet das Qualifizieren in Form vielfältiger Schulungsangebote. Unsere Besonderheit liegt jedoch meines Erachtens darin, dass wir Unternehmen auch beim Umsetzen unterstützen, das heißt, wir gehen in die Betriebe und helfen vor Ort. Dies machen nur wenige andere Förderinitiativen, aber nach unserer Erfahrung ist dies die wirkungsvollste Hilfe in Krisenzeiten.

In Stuttgart und Furtwangen gibt es Smart Service Erlebnisräume, in denen Unternehmen neue Ideen und Lösungen für ihr Dienstleistungsgeschäft live erleben können. Wie genau sieht das aus?

Meiren: Die Erlebnisräume sind ein weiterer wichtiger Baustein. Hier können interessierte Unternehmen neue digitale Technologien live erleben und selbst ausprobieren – von einfachen, praxisnahen digitalen Lösungen über virtuelle Realität bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Dies verbinden wir immer mit einem anschließenden Ideenworkshop, wie sich solche Technologien für das eigene Unternehmen nutzen lassen. Es geht also letztlich darum, Neues kennenzulernen und gezielt zu überlegen, wie dies zukünftig für das eigene Geschäft eingesetzt werden könnte.

Gibt es Branchen, die besonders vom Angebot des Kompetenzzentrums profitieren?

Meiren: Unser Angebot ist branchenunabhängig. Zu uns kann jeder kommen, der Dienstleistungen anbietet. Durch die vielen direkt eingebundenen Partner haben wir jedoch auch umfassende Expertisen für einzelne Branchen. Zu nennen sind hier etwa der Handel und das Handwerk, aber auch Freizeit, Mobilität, Logistik und der große Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen.

Welche Tipps würden Sie Dienstleistern geben, um im Bereich Digitalisierung fit zu werden?

Meiren: Der erste Schritt sollte das Sammeln von Informationen und das Entwickeln einer eigenen Strategie sein: Welche aktuellen digitalen Trends gibt es? Was davon ist für mein Unternehmen relevant? Wann sollte ich mit welchen neuen Lösungen auf den Markt kommen? Sofern man bisher über wenig Erfahrungen verfügt, würde ich außerdem nicht gleich mit dem Big Bang starten, sondern mit kleinen digitalen Schritten beginnen. So kann man Kompetenz aufbauen und vor allem die Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Smart Services viel besser einschätzen. Außerdem empfiehlt es sich, in Netzwerken zu arbeiten und sich von der Idee zu lösen, alles selbst machen zu müssen. Gute Kooperationspartner sparen viel Zeit und Geld.

In Mikroprojekten werden für regional ansässige kleine und mittlere Unternehmen innovative, digitale Lösungen kostenfrei umgesetzt. Wie genau sieht das aus? 

Meiren: Mikroprojekte sind ein weiteres Angebot des Kompetenzzentrums, die dabei helfen sollen, Unternehmen bei der Digitalisierung zu stärken. Hier kommen die Betriebe mit einer eigenen Idee auf uns zu, die wir dann gemeinsam mit ihnen umsetzen – also explizit nicht irgendwelche Vorschläge des Kompetenzzentrums, sondern aus der Praxis. In den meisten Mikroprojekten geht es um den Einsatz neuer digitaler Technologien, um den Kundenbedarf, um neue Geschäftsmodelle, um neue Dienstleistungen für Kunden und um die Verbesserung der internen Prozesse. In den letzten drei Jahren haben wir insgesamt 150 Betriebe in Baden-Württemberg mit solchen Mi-
kroprojekten unterstützt.

Wieso wurde das Kompetenzzentrum aufgebaut?

Meiren: Das Kompetenzzentrum Smart Services wurde vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg initiiert. Es richtet sich an kleine und mittlere Dienstleistungsanbieter im Land und unterstützt bei wichtigen Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Innovation. Insbesondere in der Pandemie konnten wir uns bewähren. Viele Dienstleister – etwa im Handel, in der Gastronomie und im Freizeitbereich – erlebten in den Lockdowns eine komplette Schließung ihres stationären Geschäfts und mussten zwangsläufig auf digitale Kanäle ausweichen. Auch aktuell sieht die Situation für viele Betriebe angesichts der derzeitigen Krisen nicht viel besser aus. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand und haben gleichzeitig kaum Budgets für Investitionen und Beratungsunterstützung. Gerade solchen Unternehmen wollen wir mit unseren kostenfreien Angeboten helfen.

Wie genau können sich Unternehmen an das Kompetenzzentrum wenden, um hier Unterstützung zu erhalten?

Meiren: Der einfachste Weg ist die direkte Kontaktaufnahme. Man findet die jeweiligen Kontaktpersonen im Internet unter www.smart-service-bw.de oder über die sozialen Medien wie LinkedIn.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person:

Thomas Meiren ist Wissenschaftler bei Fraunhofer IAO. Seit der Gründung 2019 leitet er das Kompetenzzentrum Smart Services.