Weniger Arbeitstage bei vollem Gehalt: Die Idee einer Vier-Tage-Woche wird heiß diskutiert und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wir haben mit Josephine Hofmann vom Fraunhofer Institut über die Vorteile und die Hürden des Arbeitszeitmodells gesprochen.
Beim Thema Vier-Tage-Woche gibt es unterschiedliche Konzepte. Können Sie diese kurz erläutern?
Josephine Hofmann: Grundsätzlich sprechen wir bei der Vier-Tage-Woche von zwei Varianten: Die eine bedeutet, dass die geschuldete Arbeitszeit bei gleichzeitig vollem Lohn von beispielsweise 35 Wochenstunden, wie in der IG Metall, auf 32 Wochenstunden reduziert wird. Die zweite Variante besagt, dass die zu erledigenden Stunden statt der derzeit üblichen Fünf-Tage-Woche auf vier Tage – beispielsweise von Montag bis Donnerstag – verteilt werden. Die Arbeitszeitverkürzung ist dabei für Unternehmen zweifellos die teurere Variante und könnte somit bei Arbeitgebern auf deutlich größeren Widerstand treffen.
Bei der zweiten Variante müssten die Arbeitnehmer dann aber pro Tag länger arbeiten …
Hofmann: Ja, bei einer 40-Stunden Woche müssen die Arbeitnehmer dann rein rechnerisch an die zehn Stunden am Tag arbeiten. Das ist knapp an der Grenze dessen, was laut Arbeitszeitgesetz überhaupt erlaubt ist. Hier bleiben offene Fragen: Ob das – gerade bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten – überhaupt möglich ist; ob das dazu führt, dass die Menschen vielleicht noch weniger Pausen machen und dadurch noch ungesünder arbeiten und so weiter. Diese Fragen müssen erst noch geklärt werden, denn auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die Menschen aufgrund der dreitägigen Pause mehr Erholungswert haben.
Was sind denn aus Ihrer Sicht Vorteile einer Vier-Tage-Woche?
Hofmann: Der Vorteil, der häufig dargestellt wird, ist, dass die Arbeitnehmer mehr Zeit am Stück frei haben und dadurch flexibler sind. Aktuell gibt es jedoch noch wenige Studien, die meisten davon aus dem Ausland, die aus unserer Sicht aufgrund einer zu kurzen Laufzeit oder einer zu geringen Messung noch nicht sehr belastbar sind. Die Studien besagen zwar, dass die Leute in der verkürzten Zeit produktiver sind und dadurch kein großer Unterschied auf die Arbeitsleistung zu beobachten ist, doch das können wir nicht beurteilen, da in unseren Augen hier die Länge der erforschten Zeit nicht ausreicht.
Und mit Blick auf die Branchen: Kann man bereits einschätzen, in welchen Bereichen eine VierTageWoche besonders gut umsetzbar wäre?
Hofmann: Leider nicht. Man kann zwar sagen, dass es Berufsgruppen gibt, die an der Entwicklung hin zur
mobilen Arbeit nicht teilhaben konnten, beispielsweise im Pflegebereich oder in der Produktion, und die darauf warten, endlich ein Angebot mit mehr Flexibilität im Job zu bekommen. Aber hier gibt es eine Menge Dinge zu beachten und zu überdenken. In einem Pflegeheim kann beispielsweise nicht von jetzt auf gleich nur von Montag bis Donnerstag gearbeitet werden. Das ist arbeitsorganisatorisch gesehen alles andere als trivial. Das Modell braucht eine bestimmte Mindestmenge an Menschen, um die Arbeit entsprechend aufteilen zu können.
Klingt das nicht widersprüchlich zum aktuellen Fachkräftemangel?
Hofmann: Das stimmt zwar, aber hier wird umgekehrt argumentiert. Befürworter sehen bei der Vier-Tage-Woche die Chance, dass Menschen, die aktuell in Teilzeit arbeiten, verstärkt auf Vollzeit wechseln können und damit das Arbeitsvolumen erhöhen. Das ist zwar eine plausible Überlegung, ob das zu guter Letzt aber auch so stattfindet, weiß aufgrund der dünnen Studienlage noch kein Mensch.
Das heißt, die Forschung in diesem Bereich sollte auch hier in Deutschland verstärkt werden?
Hofmann: Ja, absolut! Hier in Deutschland gibt es dazu noch keine fundierte Forschung. Wir vom Fraunhofer bemühen uns daher gerade sehr darum, dass sich das ändert.
Gibt es denn auch alternative Modelle zur Vier-Tage-Woche, die ähnliche Vorteile bieten könnten?
Hofmann: Jein. In den letzten Jahren haben wir zwar einen extremen Aufbau bei mobilen Arbeitsmodellen erlebt, doch hier geht es um die Arbeitszeit an sich und die arbeitszeitliche Flexibilisierung. In einigen Firmen gibt es andere Modelle, wie Wahlarbeitszeiten, in denen Arbeitnehmer alle zwei Jahre auswählen können, wie viel sie in der Woche arbeiten möchten. Das Unternehmen Trumpf arbeitet beispielsweise sehr erfolgreich damit. Auch die Themen Teilzeit und Gleitzeit sind nicht neu. Das Neue an dem Vier-Tage-Modell ist aber das Versprechen auf diese festgelegten freien Tage am Stück.
Spielen hier auch neue Technologien und digitale Arbeitsmittel eine Rolle?
Hofmann: Natürlich können digitale Technologien beispielsweise bei Planungsthemen besser unterstützen oder digitale Schichtplanungen im Schichtbetrieb helfen. Viele Unternehmen setzen bereits jetzt schon neue Technologien ein. Das größere Thema beim Vier-Tage-Modell bleibt die benötigte Menge der Menschen und inwiefern das darüber machbar ist.
Hand aufs Herz: Wie schätzen Sie die mittelfristigen Zukunftsaussichten der Vier-Tage-Woche ein?
Hofmann: Die Vier-Tage-Woche ist ein hochinteressantes und aktuell stark gefragtes Thema. Der Druck auf eine entsprechende Regelung wird immer größer, die Arbeitnehmer möchten die Vier-Tage-Woche haben. Wir haben aktuell einen Arbeitnehmermarkt, daher gehen wir schon davon aus, dass künftig noch mehr Bewegung reinkommt und die Unternehmen Dinge anbieten müssen, um die Mitarbeiter zu halten.
In welchem Umfang das stattfindet, wird sich erst weisen. Doch schon jetzt gibt es immer mehr Ideen: Es hat mit Heimarbeit angefangen bis hin zu mobiler Arbeit. Jetzt kommen die Arbeitnehmer und wollen vom Urlaubsort aus arbeiten oder gar nicht mehr umziehen. Daran sieht man, dass die Fantasie und die Wünsche größer geworden sind – und diese Entwicklung wird bestehen bleiben.
Zur Person
Dr. Josephine Hofmann leitet das Team Zusammenarbeit und Führung des Fraunhofer IAO und ist gleichzeitig stellvertretende Leiterin des Forschungsbereiches Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung.