Drei Generationen ziehen an einem Strang

Die Familie vertritt eine Haltung: Ralf, Peter, Gerhard, Johannes und Gerald Schubert (von links) pflegen die Firmen-DNA. Foto: Gerhard Schubert GmbH

Gerhard Schubert hat die Weichen für die international agierende Unternehmensgruppe gestellt, die heute seine Söhne und Enkel leiten. Wie sich diese den Zukunftsthemen stellen und dennoch die Firmen-DNA des Seniors beibehalten wollen, erzählen sie im Interview.

Schon früh morgens herrscht reger Verkehr auf dem Gelände der Firma Schubert im Crailsheimer Industriegebiet Südost, Richtung Dinkelsbühl. Der von Glas und Lamellen geprägte Verwaltungsturm überragt die modernen Werk- und Lagerhallen, die sich über das rund 120.000 Quadratmeter große Areal ausbreiten. Dort im fünften Stock liegt das zweite Zuhause von Gerhard Schubert.

Operativ ist der 83-Jährige nicht mehr tätig. Trotzdem zieht es ihn täglich an den Ort, für den er vor 55 Jahren den Grundstein gelegt hat. Deshalb wirkt es wohl so authentisch, wie der Senior im Besprechungszimmer am ausladenden Konferenztisch zwischen den beiden Söhnen Ralf und Gerald und Enkeln Peter und Johannes Schubert sitzt.

„Ich hatte damals die Vision, die Maschine wie einen Menschen aufzubauen“, ergreift Gerhard Schubert das Wort. „Schon bevor es Roboter und Computer in den Firmen gab, habe ich sie bei uns eingesetzt.“ Inspiriert habe ihn Ende der Siebzigerjahre ein Besuch bei der US-amerikanischen Firma Johnson und Johnson. „Sie haben mir dort einen Roboter präsentiert. Allerdings war dieser unglaublich kompliziert. Und ich dachte mir: Das kannst du auch. Aber es muss einfacher gehen. Und billiger.“

Diese Vision prägt bis heute den Familienbetrieb

Schon während des Flugs zurück nach Deutschland habe sich Gerhard Schubert ans Zeichnen gemacht. Bei der Ankunft seien die ersten Teile fertig skizziert gewesen: Der hohenlohische Roby war entstanden. Eigentlich eine Art Bewegungsaggregat; ein Greifarm, der in der Lage war, Produkte präzise in die Verpackung zu bringen – ein Meilenstein zu dieser Zeit, der die Bewunderung der Interpack-Messebesucher auf sich gezogen habe, als der Urheber ihn dort im Jahr 1981 präsentierte. „Wir haben Roby auf der Messe Mühle spielen lassen. Alle haben gestaunt: Der ist ja intelligent“, erinnert sich der gebürtige Crailsheimer. „Das war Toploading in seinen Anfängen.“

Als Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, im Jahr 1984 die Firma besuchte, um die – im Grunde schon digitale –Packstraße zu besichtigen, habe er Gerhard Schubert die Frage gestellt, wohin sich diese Roboter wohl in Zukunft entwickeln würden? „Vielleicht bekommen sie ja mal Augen, damit sie sehen, wo sie hin fassen müssen“, habe dieser geantwortet.

Tatsächlich sei man inzwischen durch Bilderkennung und Künstlicher Intelligenz (KI) auf dem Weg zur sich selbstprogrammierenden Maschine. Wie schon zu Zeiten des Firmengründers seien nun die Nachfahren von der Suche nach noch einfacheren Lösungen getrieben – und das obwohl die Anforderungen der Kunden immer komplexer würden.

Die Steuerung muss künftig einfacher werden

Vor allem Informatiker Ralf Schubert und dessen Technikerteam tüfteln daran. „Besonders im Hinblick auf das internationale Geschäft sind wir damit konfrontiert, dass das Know-how des Bedien- und Wartungspersonals bei unseren Kunden tendenziell sinkt; Und dass der Arbeitsmarkt von weniger Bestand und mehr Fluktuation geprägt ist. So muss es unser Ziel sein, dass wir unsere Verpackungsmaschinen so einfach in der Anwendung gestalten, dass es künftig keinen Elektromechaniker braucht, sondern auch jeder Mechaniker neue Formate programmieren kann“, sind sich Ralf und Peter Schubert einig. Weg von der komplizierten Steuerung laute das Ziel, an dem sie arbeiten.

Während der (Groß-) Vater einst über jede kleinste Komponente der Maschinen die Hand gehabt habe, gehen die Nachfolger nun dazu über, die Mitarbeiter zu mehr Eigenverantwortung zu motivieren. Mit seinem Baukasten-System, mit dem sich Verpackungsmaschinen für unterschiedlichste Aufgaben immer neu und einfach konfigurieren lassen, habe Gerhard Schubert auch hierfür den Grundstein gelegt.

Der Senior hatte mit zwei weiteren Personen in einer Garage begonnen, seine technischen Visionen umzusetzen. Heute blickt er auf eine 1450 Mitarbeiter starke und auf neun Firmen angewachsene Unternehmensgruppe, die als Weltmarktführer im Bereich der digitalen Top-Loading-Verpackungsmaschinen gilt. Doch das Wachstum erfordere strukturelle Veränderungen. Zudem verlange der digitale und demografische Wandel seinen Tribut. „Früher hat es ausgereicht, wenn ein visionärer Kopf eine zündende technische Idee entwickelte und diese, wie der Opa, zielstrebig, mutig und manchmal entgegen der Meinung anderer umgesetzt hat“, führt Peter Schubert, der vor zwei Jahren sein Studium abschloss, sich seither im technischen Büro des Familienbetriebs und seit kurzem auch als technischer Assistent seines Vaters Ralf engagiert, das Thema aus. Heute fänden Innovationen anders statt.

Mehr Wachstum braucht neuen Führungsstil

„Ideen müssen an Schnittstellen innerhalb eines komplexen Ökosystems entwickelt werden“, pflichtet Gerald Schubert seinem Neffen bei. Man brauche Kooperationspartner und müsse letztlich ganze Netzwerke im Auge haben. „Wenn man sich heute den Maschinenbau anschaut, sind das nicht mehr so sehr die technischen Hardcore-Innovationen, welche die Zukunft prägen werden. Vielmehr sind es die Themen der intelligenten Software, der künstlichen Intelligenz, der Optimierung von Prozessen im Unternehmen und des Vernetzens in digitalen Plattformen, da wir erst am Anfang der digitalen Zukunft stehen“.

So sei nicht mehr ein einzelner der Innovationstreiber, sondern die ganze Firma. Die Mitarbeiter seien daher das wichtigste Gut im Unternehmen. „Für uns wird es in den kommenden Jahren zunehmend nicht nur eine Herausforderung sein, neue Fachkräfte zu gewinnen, sondern auch dafür zu sorgen, dass sie sich bei uns in der Firma wohl fühlen und unseren ,Schubert-Spirit‘ verstehen und leben“, merkt Johannes Schubert an. „Auch dass sich der Standort Crailsheim mitentwickelt, ist ein Faktor auf den es uns ankommt.“ Schließlich zögen die meisten Mitarbeiter auch mit ihren Familien zu, die Schulen, Kindergärten und ein interessantes Freizeitangebot vorfinden wollten. Man sei diesbezüglich bereits in Gesprächen mit der Stadtverwaltung.

In seiner neuen Rolle in der Geschäftsführung bei der Tochterfirma Schubert Packaging Systems will Johannes Schubert vor allem den Vertrieb ankurbeln und neue Geschäftsmodelle auftun – ein weiteres Kriterium für künftigen Erfolg, auch darin sind sich alle Schuberts einig.

Es braucht den Blick über den Tellerrand

Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, beschäftigt sich die Unternehmerfamilie mit der Frage: Wie müssen wir uns heute entwickeln, um die Marktanforderungen der Branche in zehn, zwanzig oder auch in fünfzig Jahren zu erfüllen?

„Wir sollten nicht nur organisch wachsen. Wir brauchen noch mehr Diversität innerhalb der Firmengruppe“, ist Gerald Schubert überzeugt, der sich deshalb mit der im letzten Jahr gegründeten Schubert Business Development GmbH nach neuen Möglichkeiten umsieht und erste Projekte umsetzt, wie das „Transaction Network“, eine digitale Branchenplattform, auf der sich sämtliche Involvierte miteinander vernetzen sollen, oder die App, die derzeit in Zusammenarbeit mit einem Crailsheimer Unternehmen entsteht, oder die Beteiligung an einer Firma, die ein fahrerloses Transportsystem entwickelt.

Er denke auch an Themen wie „Mehr Wohnraum schaffen“ in Crailsheim. „Als ich mich 2016 dazu entschieden habe, die Geschäftsführung bei der Gerhard Schubert GmbH zu übergeben, um mir meinen Lebenstraum von einem privaten Projekt im Ausland zu erfüllen, hat das die Familie erst mal nicht begeistert“, verrät Gerald Schubert. „Und schau, was dabei herausgekommen ist“, stimmen ihm sein Sohn Johannes und sein Neffe Peter Schubert zu. Sie finden, dass seine Projekte, ob branchenfremd oder branchennah, die Gruppe nachhaltig bereichern. Manchmal brauche es eben auch einen Umbruch, um ganz neue Wege zu gehen.

Der Mix aus Kalkül und Bauchgefühl

Dass Gerald Schubert damals mit Marcel Kiessling durch einen Geschäftsführer von außerhalb der Familie ersetzt worden ist, sei die richtige Entscheidung gewesen. Johannes Schubert teilt sich die Leitung bei der Schubert Packaging Systems GmbH mit Olaf Horrenberger. „Mit unseren externen Geschäftsführern haben wir Topleute, die teilweise auch viel Erfahrung von großen Konzernen mitbringen und gewohnt sind, analytisch zu kalkulieren“, erklärt Johannes Schubert. „Wir Schuberts entscheiden viel aus dem Bauch heraus und realisieren auch Mal Ideen völlig ohne Business Plan.“ Das habe auch der Opa früher so gehandhabt. Da sich der Mix aus Kalkül und Intuition in den letzten Jahren als Erfolgsmodell erwiesen habe, wollen sich die Schuberts das Bauchgefühl stets bewahren.

Die Glasfront im fünften Stock gibt den Blick auf eine unbebaute Fläche frei. Bald entstehen hier ein weiteres Bürogebäude sowie eine Endmontagehalle. Johannes Schubert lässt den Blick aus dem Fenster schweifen. Etwas weiter hinten will er seinen Traum verwirklichen: Ein Museum, das das Lebenswerk des Großvaters erzählt. Die Geschichte zum Anfassen.

Interview: Melanie Boujenoui