Druckauftrag: verkalktes Herz

Organe, Muskeln und Knochen aus dem Drucker – was nach Science-Fiction-Film klingt, ist heute schon Realität. Das Start-up Humanx mit Sitz vor den Toren Berlins stellt seit 2014 Eins-zu-eins-Modelle etwa von Herzen oder Becken mittels 3D-Druck-Technologie her.

Stellen Sie sich vor, Ihre Aortenklappe ist verkalkt und Sie müssen operiert werden, weil Sie sonst im schlimmsten Fall einen Herzinfarkt erleiden. Keine schöne Vorstellung. Doch was, wenn Ihnen Ihr Arzt sagen würde, dass er den Eingriff vorher üben kann – und zwar nicht an einem Schweineherzen oder anhand einer Computersimulation? Was, wenn der Chirurg Ihnen sagen würde, er kann die Operation an einem Eins-zu-eins-Modell Ihres Herzens testen, basierend auf Ihren Patientendaten, beispielsweise ermittelt durch eine Computertomografie (CT)? Würde Sie das nicht immens beruhigen? Darauf hoffen die Humanx-Gründer Marcel Pfützner und seine Frau Viola. Ihr 2014 ins Leben gerufenes Start-up hat sich auf lebensechte Modelle spezialisiert. Hergestellt werden sie für Kliniken, Universitäten und die Medizintechnikbranche mittels 3D-Druckverfahren.

Rückblick: Marcel Pfützner sitzt gerade an seiner Promotion zum Thema Medizintechnik. Der studierte Maschinenbauer aus dem brandenburgischen Wildau beschäftigt sich damit, wie in dieser Branche Produkte entwickelt werden. Da befällt ihn der Gedanke, dass der Patient eigentlich viel zu spät ins Spiel kommt und es doch einen Weg geben müsse, diesen in den Entwicklungsprozess von medizinischen Produkten zu integrieren. „Das hat mich einfach nicht losgelassen“, verrät Pfützner am Telefon.

Wie der 3D-Druck funktioniert

Die Antwort auf das Wie sollte der zweifache Vater wenig später finden. Es gelingt ihm nämlich, einen menschlichen Bilddatensatz etwa aus einem Computertomografen in ein Format zu übersetzen, das die Software CAD – zu Deutsch rechnerunterstütztes Kon-struieren – lesen kann. Diese erstellt aus den Daten ein dreidimensionales Bild des Organs oder Knochens. Dann muss es nur noch vom 3D-Drucker zum Leben erweckt werden. Je nachdem, worum es sich handelt, kann dieser Prozess mehrere Stunden dauern.

„Ein Herz wird in der Regel 12 bis 16 Stunden gedruckt“, weiß Pfützner. Dabei werde mit hoher Genauigkeit gearbeitet, denn es dürfen keine Stufen in den verschiedenen Druckschichten erkennbar sein. „Das Modell muss nach dem Drucken nachbearbeitet werden, zum Beispiel entfernen wir Stützstrukturen aus Hohlräumen“, erklärt der 36-Jährige. Das Ergebnis schließlich ist eine exakte Kopie „der erkrankten Struktur des Patienten“, wie es der Firmengründer ausdrückt. Die fünf 3D-Drucker von Humanx funktionieren ähnlich wie ein Tintenstrahlgerät: von links nach rechts, von vorn nach hinten – nur, dass die Dimension von oben nach unten noch hinzukommt.

Wie viele Modelle fertigen die Pfützners und ihre drei Mitarbeiter denn jährlich im Schnitt? „20 bis 40 Modelle, doch das sind nur etwa zehn Prozent dessen, was wir leisten könnten“, sagt der ehemalige Bundeswehroffizier. Ab dem Zeitpunkt, wenn Humanx die Patientendaten vorliegen, hat das Team 72 Stunden Zeit, die angeforderte Kopie herzustellen. Schließlich geht es um Menschen und deren Wohlergehen. Aufgrund der Kosten, die für die Kliniken für die 3D-Präparate anfallen, sei die Auftragssituation allerdings bescheiden. „Die Verantwortung, wer für das Modell aufkommen soll, wird zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern hin- und hergeschoben“, sagt Pfützner. Ihm und seiner Frau ist es jedoch ein wichtiges Anliegen, dass bei diesem Thema hoffentlich bald im Sinne des Patienten entschieden wird – und dafür setzen sie sich auch ein.Olga Lechmann

Olga Lechmann