Durchstarten mit Mitte 40

Menschen jenseits der 40 bekommen keinen neuen Job mehr. Diese Aussage ist längst überholt.

Friederike Steinbach war seit Ende 2013 arbeitslos. Die gelernte Fotolaborantin hat nach der Geburt ihrer Kinder keine geeignete Stelle gefunden und in verschiedenen Firmen als Helferin gearbeitet. Bis sie ihre Chance erkannte. Heute macht die Frau aus Königheim im Main-Tauber-Kreis eine Ausbildung zur Industriemechanikerin. Mit Mitte 40 hat sie ihre Angst, sich auf etwas Neues einzulassen oder die Ausbildung nicht zu schaffen, überwunden. Im September 2014 startete sie mit der Lehre. Anfangs habe es im Betrieb schon Bedenken wegen des Alters gegeben. Diese seien nun aber nicht gerechtfertigt gewesen. „Wir können anderen Firmen nur empfehlen, auch älteren Umschülern eine Chance zu geben. Sie sind gefestigt, zielstrebig, leistungsbereit und aufgrund ihrer Lebenserfahrung gehen sie mit größerer Übersicht an die Sache ran“, sagt Hartwig Straub, Inhaber von ts-systemfilter in Ahorn-Berolzheim.

Personalberater und Coach Dirc Hinrichs aus Großrinderfeld im Main-Tauber-Kreis sieht das ganz ähnlich: „Ältere Mitarbeiter können gerade für ein junges Team hilfreich sein – als Ruhepol mit viel Lebenserfahrung.“ In der Zeit des Fachkräftemangels hätten auch Menschen jenseits der 50 noch eine gute Chance, sich auf dem Arbeitsmarkt umzuorientieren. Unternehmen wollen flexible Mitarbeiter. „Dann sind auch Wechsel nicht außergewöhnlich“, so der Personal-Experte. Die Gründe für eine berufliche Neuorientierung können vielfältig sein. „Es gibt Menschen, die aus dem technischen Bereich kommen, die lieber direkt mit Menschen zusammenarbeiten wollen. Die haben es besonders schwierig“, erklärt Hinrichs. Ein häufiger Grund sei der Drang nach etwas Neuem – nach frischem Wind im Leben.

„Ich persönlich würde Menschen immer dazu raten, sich umzuorientieren. Es gibt nichts Schlimmeres, als acht Stunden täglich einen Job zu machen, der einem gar nicht gefällt“, so der Coach. Außerdem würden Unternehmen mittlerweile auch die Vorteile von Mitarbeitern in den besten Jahren schätzen. Sie sind gesetzter und haben oft ihre Karriere schon gemacht, deshalb bestehe bei ihnen nicht die große Gefahr, dass sie nach zwei bis drei Jahren weiterziehen.

Wer nach einem anderen Job sucht, rät Hinrichs, sollte sich eine „Ziel-Firmen-Liste“ erstellen. Da stehen die Unternehmen drauf, bei denen man gerne arbeiten würde. Dann folgt die Telefonakquise. Auch ohne ausgeschriebene Stelle sollten Interessenten anrufen und fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich zu bewerben. So könnte der erste Kontakt schon einen guten Eindruck hinterlassen – das gilt für 25-wie für 50-Jährige.

Anja Gladisch