Julia Smolka arbeitet bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Hier hat sie auch ihre Ausbildung gemacht. Sie ist bei dem großen Arbeitgeber eine von vielen. Und dennoch ganz anders. Julia Smolka war die erste Auszubildende im Rollstuhl.
Ein Leben auf zwei Rädern
Julia Smolka arbeitet bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Hier hat sie auch ihre Ausbildung gemacht. Sie ist bei dem großen Arbeitgeber eine von vielen. Und dennoch ganz anders. Julia Smolka war die erste Auszubildende im Rollstuhl.
Jeden Tag kommt die 29-Jährige aus Schnelldorf nach Schwäbisch Hall – mit dem Auto. Die 40 Kilometer legt sie mit ihrem umgebauten Multivan zurück. „Da steige ich durch den Kofferraum ein und fahre mit den Händen“, sagt sie. Ein reservierter Parkplatz – direkt unter dem Hauptgebäude – steht für sie bereit. So kann sie ihren Arbeitstag ungehindert beginnen. Dass das so ist, weiß Smolka mittlerweile als großes Glück zu schätzen. Die Frau aus Schnelldorf ist kleinwüchsig. Sie ist 1,20 Meter groß. Ein Schicksal, das sie schon früh kannte. In der Grundschule und der Realschule, beides keine inklusiven Schulen, sei sie „nur“ kleinwüchsig gewesen – damals noch ohne Rollstuhl. „Ich finde es gut, wenn man so weit wie möglich normal aufwächst“, begründet Smolka ihre schulische Laufbahn. Aber das bewahrte sie nicht vor den Operationen. Mehr als zehn Mal musste sie sich operieren lassen – am Spinalkanal im Rücken. „Nach der letzten OP habe ich meine Beine nicht mehr gespürt“, erinnert sie sich. Seitdem ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. Sie kann zwar kurz stehen, wenn sie sich festhalten kann, aber an weite Strecken ist nicht zu denken.
Doch die junge Julia Smolka ließ sich nicht unterkriegen. Sie machte ihr Fachabitur und fing an, in Würzburg und Heilbronn zu studieren, hat sich dann allerdings doch für eine Ausbildung entschieden. „Ich habe in die Bewerbungen geschrieben, dass ich im Rollstuhl sitze“, erzählt sie. Daraufhin habe es viele Absagen gegeben. „Manche Unternehmen haben gar nicht die baulichen Voraussetzungen“, so Smolka: „Das war schon
frustrierend.“
Auf den Rat ihrer Mutter hin, habe sie es dann bei der Bausparkasse in Schwäbisch Hall versucht. Und es hat geklappt. Im Jahr 2012 hat sie hier ihre Ausbildung angefangen, als erste Auszubildende im Rollstuhl. Das war für beide Seiten ein Versuch. Und der ist geglückt. „Für mich wurde ein Lift zum Ausbildungsbüro angebracht“, sagt Smolka. Immer, wenn sie etwas entdeckt, dass für sie nur schwierig zu überwinden ist, meldet sie es der Schwerbehindertenvertretung und dann wird es behoben. Als eine Rampe für sie zu steil war, wurde ein Lift eingebaut. Und dass sie in der Kantine Hilfe braucht, ist auch kein Problem für ihre Kollegen. „Ich kann nicht das Tablette halten und gleichzeitig fahren“, erklärt die 29-Jährige, die die Unterstützung der anderen Mitarbeiter sehr schätzt. Als die Azubis zum Outdoor-Training gefahren sind, gab es die Frage, ob sie mitkommen kann und will. Sie wollte. „Die anderen haben mich sogar die Kletterwand hochgezogen. So konnte ich auch dabei sein. Man muss offen sein und sich einfach
mal trauen.“
Aber nicht immer läuft alles so reibungslos. „Es gibt immer wieder Situationen, wo man an seine Grenzen kommt – auch nervlich. Zum Beispiel, wenn man im Aufzug sitzt, aber nicht an die Knöpfe kommt, weil sie zu weit oben sind“, erklärt die junge Frau. Aber das ist bei der Bausparkasse nicht der Fall. Hier profitieren mehrere Rollstuhlfahrer von den baulichen Maßnahmen. „In anderen Firmen ist es nicht selbstverständlich, dass es Barrierefreiheit gibt. Hier war ich fast irritiert, dass es so ist“, sagt die Kundenbetreuerin für Wohn-Riester-Verträge. Dabei müssten auch die Kollegen und Vorgesetzten flexibel sein. Denn für Smolka ist eben nicht alles möglich – auch nicht im Alltag. So ist beispielsweise ein öffentliches Parkhaus mit Schranke für Smolka nutzlos, denn sie käme nicht an die Karte. Restaurants und Bars müssen sorgfältig ausgesucht werden. Wie sind die sanitären Einrichtungen? Gibt es irgendwo Treppen? Umso schöner ist es für sie, dass ihr Rollstuhl in der Bausparkasse kein Problem ist. „Ich habe mich früher nicht unbedingt in einer Bank gesehen. Aber hier bin ich glücklich.“ Denn auch die Arbeit bereite ihr große Freude. Deswegen sei es umso schöner gewesen, dass sie nach ihrer Ausbildung übernommen wurde. Nach der Lernerei möchte sie das Leben genießen und viel reisen, denn die 29-Jährige möchte
die Welt sehen.
Anja Gladisch