Daniel Galgoci ist seit 17 Jahren im Rettungsdienst tätig. Jeden Tag wird er dabei mit schlimmen Situationen und Schicksalen konfrontiert. Dennoch gelingt es ihm, die Erlebnisse zu verarbeiten. Uns hat er erklärt, wie er das macht und warum es ihm dennoch eines Tages nicht mehr gelingen könnte.
Unsere Serie „Schicksale in Heilbronn-Franken“ porträtiert Menschen, die eine katastrophale Situation, eine Krankheit oder eine schwierige Lebensphase erlebt haben. So unterschiedlich die Geschichten auch sind, eins haben alle gemeinsam: Die Betroffenen haben ihren Mut und ihren Lebenswillen nicht verloren. Sie konnten ihre Lage emotional verarbeiten.
Dies bei einem Schicksalsschlag zu schaffen, ist ein großer Schritt. Es gibt Personen, die gleich mit mehreren solcher Tragödien klar kommen müssen, weil sie täglich damit konfrontiert sind. Eine solche Person ist Daniel Galgoci. Der 41-Jährige ist Notfallsanitäter beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), Kreisverband Heilbronn. Notfallsanitäter ist abgesehen vom Arzt die höchste Qualifikation im Rettungsdienst. Beim Einsatz übernimmt er die medizinische Betreuung der Patienten. Daneben ist er bei Großeinsätzen als organisatorischer Leiter des Rettungsdienstes aktiv. Sollte es zu einem Ereignis mit vielen Verletzten kommen, koordiniert Galgoci alle medizinischen Kräfte vor Ort.
Stets eine neue Situation
Seit 17 Jahren ist der Bad Wimpfener im Rettungsdienst aktiv. Über den damaligen Zivildienst kam er zum DRK. „Das hat voll eingeschlagen. Ich habe gleich gemerkt, dass das genau mein Ding ist“, erzählt er mit strahlenden Augen. An seinem Beruf schätzt er vor allem die Vielschichtigkeit – seien es die verschiedenen medizinischen Fällen oder die unterschiedlichen Menschen, mit denen er konfrontiert wird. „Es ist einfach spannend, was uns bei den Einsätzen erwartet. Jede Situation ist anders“, berichtet Galgoci. Die Faszination für seinen Job ist ihm deutlich anzumerken. Das Lachen weicht nicht von seinen Lippen, wenn er über seine Tätigkeit spricht.
Dennoch ist es ein harter und fordernder Job. Zwölf-Stunden-Dienste sind die Regel, dazu kommen Tage mit zehn bis elf Einsätzen pro Schicht. Und bei jedem Ausrücken gilt es, mit höchster Konzentration ans Werk zu gehen. Bei jedem Einsatz wird der Familienvater aber auch mit einem neuen Schicksal konfrontiert.
Über einen konkreten Einzelfall oder gar „seinen schlimmsten Einsatz“ möchte der Sanitäter nicht sprechen, aus Respekt gegenüber den Betroffenen und deren Angehörigen. Verständlich. Das heißt aber nicht, dass er keine schlimmen Vorfälle erlebt hat. Manche haben ihn auch emotional berührt. Bis heute hat er zum Beispiel das Schluchzen einer Frau im Ohr, deren Mann er versorgt hat. Immer und immer wieder hört er ihr bitterliches Weinen. Plötzlich ist seine Stimme leiser, sein Blick nachdenklicher. Zeichen von Nervosität wie das Wippen mit dem Fuß oder das Trommeln mit den Fingern sucht man aber vergeblich an ihm. Der Vater einer Tochter hat die Situation wie auch andere belastende Momente verarbeitet.
Unterstützung von den Kollegen und der Familie
Das muss er auch. „Wenn ich damit nicht klar käme, dann wäre ich falsch in dem Beruf“, sagt er mit ernstem Ton. Und wie gelingt ihm das? „Man ist ja da und bringt Hilfe. Man rückt also das, was aus den Fugen geraten ist, wieder gerade. Diese Einstellung bietet einen guten Schutz“, schildert der Sanitäter. Außerdem nimmt er sich vor, sobald er die heimische Türschwelle übertritt, mit den Gedanken an den Beruf abzuschließen. Das gelinge nicht immer, aber oft. Sein privates Umfeld unterstützt ihn dabei. Die Zeit mit seiner Tochter lenkt ihn vom Stress und der Belastung ab. Daneben hilft ihm auch der Sport. Nach Möglichkeit, fährt Galgoci mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Sollte der Notfallhelfer Redebedarf haben, findet er Halt bei seinen Kollegen. „Wir sprechen viel miteinander, jeder Einsatz wird aufgearbeitet“, beschreibt der Mann mit dunklem Haar, aus dem roten Strähnen blitzen. Die gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen. „Es sind hier mehr für mich als nur Kollegen.“
Das Lachen in seinem Gesicht ist zurück. Es weicht aber der ernsten Miene, wenn Galgoci anspricht, was passiert, sollte die emotionale Belastung zu hoch werden. „Bei posttraumatischen Erlebnissen wird es kritisch. Das beginnt meist mit Kopfweh, Schlaflosigkeit oder dem Griff zu einem Bier mehr als sonst und kann in richtigen Angstzuständen enden“, erzählt der Rettungseinsatzleiter. Wichtig ist, dass die Kollegen einen im Auge behalten, da eine Belastungsstörung ein schleichender Prozess ist, den man selbst gar nicht wahrnimmt oder wahrhaben will. Für so einen Fall gibt es die Notfallseelsorge vom DRK, die den Betroffenen hilft und psychologische Betreuung anbietet.
„Es kann immer auftreten und jeden treffen“, meint Galgoci und ergänzt: „Es könnte auch mich mal treffen“. Man könne die Gefahren im Vorhinein aber gut minimieren. Dem 41-Jährigen gelingt das und es wirkt so, als schaffe er das auch in der Zukunft – trotz der vielen Schicksale, die ihm täglich begegnen.
Alexander Liedtke