Ein Platz, viele Interessen

Vor zweieinhalb Jahren hat in Braunsbach eine Sturzflut den Ortskern komplett verwüstet. Die Spuren dieser Katastrophe werden immer noch beseitigt. Doch der zentrale Platz der Gemeinde ist nun endlich saniert – und kann sich wirklich sehen lassen.

Ein Vormittag in Braunsbach: Zwei ältere Männer stehen auf dem Platz im Ortskern und unterhalten sich. Früher taten sie das auf ihrem „Rentnerbänkle“. Das hat die Sturzflut am 29. Mai 2016 mitgerissen. Die neuen Bänke stehen nicht mehr an der Hauswand des Gasthauses „Zum Löwen“ sondern mitten auf dem Platz. In der Sonne. „Dort ist es meistens zu heiß“, sagt einer der Männer. Ansonsten gefällt dem Braunsbacher aber der neu gestaltete Platz. „Tipptopp!“, findet er, und: „Derjenige, der die Pflaster gelegt hat, hatte was auf dem Kasten“, bewundert er die hellen, sauberen Steine auf dem Boden des sanierten Ortskerns. Früher sei dort Gras zwischen den Steinen gewachsen.

Heike Schulze wohnt in Künzelsau. Sie ist an diesem Tag in Braunsbach, um Vermisst-Zettel aufzuhängen. Ihre Katze ist weggelaufen. „Der Platz ist sehr schön geworden“, findet sie. Sie habe so mit den Braunsbachern gelitten. Jedes Mal bei einem Sturm oder starkem Regen hat sie jetzt Angst, dass dort wieder etwas passiert.

Der neue Ortskern

Die größte Not ist bei den Braunsbachern gelindert. Das Land Baden-Württemberg hat den Ort finanziell bei der Wiederherrichtung unterstützt. „Normalzustand ist noch lange nicht erreicht“, sagt Frank Harsch, Bürgermeister der rund 2500-Einwohner-Gemeinde. Der Platz im Ortskern wurde unter Bürgerbeteiligung geplant. Da kamen viele Interessen zusammen. Bürger, Unternehmen und Kunden – drei Bereiche, die andere Ansprüche an den Ortskern stellen. Nicht alle können als Gewinner herausgehen. Manche monieren, man hätte für mehr Parkplätze sorgen sollen. Einige behaupten auch, es gebe davon nun weniger als zuvor – was nicht der Wahrheit entspricht, klärt Harsch auf. Manche wollten Bänke, andere nicht.

Man schlug den Bau eines Brunnens vor, was nicht möglich war, denn der Platz ist nicht nur Markt-, sondern auch Festplatz und muss dementsprechend über eine freie Fläche verfügen. Dem Schultes war vor allem daran gelegen, eine Ruhezone entstehen zu lassen, nicht nur Raum „für Blech“. Er beobachtet, dass sich häufig Menschen auf den Bänken niederlassen und den Platz als Treffpunkt nutzen. Am Kopfende steht ein Holzcontainer. Darin entsteht eine Infobox, eine kleine Miniausstellung zur Katastrophe von Braunsbach. „Das war hier mehr Zerstörung als im ersten oder zweiten Weltkrieg“, sagt Harsch, „daran muss erinnert werden.“ Das wird sowohl mit der Ausstellung getan als auch mit einer Stele oder einem Denkmal. Dafür wird noch ein Platz gefunden werden.

Der neue Ortskern müsse noch einwachsen, Patina bekommen, manches müsse bestimmt auch noch nachjustiert werden. „Nichts ist für die Ewigkeit“, so Harsch, in dessen Vorzimmer ein Luftbild vom Ort hängt, aufgenommen kurz nach dem Unglück.

Am zentralen Platz liegt ein Supermarkt mit Café. Ein Braunsbacher, der sich dort regelmäßig mit anderen zum Kaffeetrinken trifft, denkt vor allem pragmatisch: „Ich bin genügsam. Wichtig ist, dass man wieder durch den Ort fahren kann. Das wird hier schön gemacht, aber die Welt hat andere Prioritäten.“

Sonja Alexa Schmitz