Ein steiniger Weg bis ans Ziel

Die Flüchtlingskrise hat in den vergangenen zwei Jahren ganz Europa in Atem gehalten. Zigtausende sind auch nach Deutschland gekommen. Jetzt gilt es, diese Menschen bei uns zu integrieren – in den Alltag, aber auch in die Wirtschaft.

In verschiedenen Branchen klagen Unternehmen, dass ihnen Arbeitskräfte fehlen. Laut des Mittelstandbarometers 2016 der Wirtschaftsberatung Ernst & Young gab es bei rund 62 Prozent der Unternehmen deswegen Engpässe. Gleichzeit gab es in den vergangenen zwei Jahren einen verstärkten Zuzug von Menschen aus Krisengebieten. Kann die Beschäftigung von Flüchtlingen dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Die Firma Würth in Künzelsau gehört zu den Unternehmen, die sich stark für die Integration von Flüchtlingen engagieren. So begrüßte laut Pressemitteilung der Firma das gemeinsame Integrationszentrum von Würth und dem Hohelohekreis in Künzelsau im November 2015 bereits 25 Flüchtlinge zum Sprachkurs Deutsch. Demnach soll neben Grundlagenkenntnissen die Sprachförderung in begleiteten Behördengängen oder beim Einkaufen ergänzt werden.

Wichtig sei dem Unternehmen ein ganzheitlicher Ansatz, sagt Pressereferentin Maria-Theresia Heitlinger. „Natürlich ist Sprache sehr wichtig“, sagt sie. Aber auch kulturelle Angebote seien notwendig, damit die Menschen sich einleben können. So hat das Unternehmen auf Initiative von Carmen Würth etwa einen Chor namens „Badinya“ ins Leben gerufen. Gleichzeitig finden Veranstaltungen wie Besuche in der Experimenta, in Museen oder der Marktplatz der Begegnungen in Künzelsau statt.

Die Flüchtlinge auf den Begriff „Fachkraft“ zu reduzieren, sei zu kurz gesprungen. „Man stellt es sich einfach vor“, sagt die Pressereferentin. Doch bis die Flüchtlinge die Sprache soweit beherrschen, um auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden zu können, dauert es. Man wolle auch, dass die Menschen hier glücklich seien. „Wir müssen alle daran arbeiten, dass es funktioniert“, sagt Heitlinger. Derzeit bilde Würth zwei sehr motivierte Flüchtlinge aus.

„Unser Anliegen ist es, Geflüchtete in Ausbildung zu bringen“, sagt auch Sabine Schmälzle, Referentin Berufsbildung bei der IHK Heilbronn-Franken. „Damit sie auf längere Sicht ein gutes und gesichertes Einkommen erhalten können.“ Im April 2016 wurden drei Kollegen eingestellt, die sich ausschließlich mit der Beratung und Begleitung von Geflüchteten im Kernthema Ausbildung beschäftigen. Gleichzeitig hat die IHK ein Netzwerk aufgebaut, unter anderem mit dem Amt für Migration, dem Landratsamt, der Agentur für Arbeit, sowie weiteren Kooperationspartnern. „Was wir bieten, ist Vermittlung und Beratung, maßgeblich in Richtung Ausbildung, aber auch in Einstiegsqualifikation.“ Rund 300 Beratungsgespräche mit Flüchtlingen haben bis jetzt stattgefunden. Bis die Geflüchteten in eine Ausbildung vermittelt werden können, sei es ein langer Prozess, die Zahlen können daher noch nicht hoch sein, sagt Schmälzle. „Maßgeblich liegt es an mangelnden Sprachkenntnissen.“

Gute Deutschkenntnisse sind auch für studierende Flüchtlinge Voraussetzung. „Sie müssen fließend Deutsch sprechen, um hier studieren zu können“, sagt Wibke Backhaus, Referentin für Gleichstellung und Diversität an der Hochschule Heilbronn. „Es ist nicht so, dass man hier ankommt und gleich anfängt zu studieren.“ Rund fünf Geflüchtete studieren derzeit an der Hochschule Heilbronn, 15 seien in der Vorbereitung. „Die meisten haben in ihrem Heimatland schon studiert und wollen wissen, wie es weitergeht“, sagt Backhaus. Flüchtlinge, die studieren wollen, nehme sie wahr als „wahnsinnig zielstrebig und erfolgsorientiert“. Für die meisten ist es eine längerfristige Perspektive. Asylbewerber als Chance gegen den Fachkräftemangel zu betrachten, sieht sie als Grund, warum es in der Region großes Engagement gebe, diese bei Fortbildungen zu unterstützen. „Das ist auch in unserem Interesse, dass die Leute ihr Potenzial nutzen und ihre Fähigkeiten hier einbringen können.“ Backhaus denke beim Thema Fachkräfte aber nicht nur an die Flüchtlinge. Wir haben jetzt schon jede Menge internationale Fachkräfte ausgebildet, die eine hohe Bleibewilligkeit haben.“

Erste Erfolgsgeschichten gibt es bereits. Ein Flüchtling habe kürzlich sein englischsprachiges Masterstudium abgeschlossen. „Er fängt jetzt bei Daimler im IT-Bereich an.“

Tanja Capuana