„Eine andere Welt ist möglich“

Im Einsatz auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan: Felix Finkbeiner (links) hilft beim Wiederaufforsten. Seit er neun Jahre als ist, setzt sich der gebürtige Münchner für den Umweltschutz ein. Inzwischen ist er Umweltsystemwissenschaftler. Foto: Plant for the Planet

Frithjof Finkbeiner und sein Sohn Felix haben es aufgrund ihres Engagements für den Umweltschutz deutschlandweit zu einiger Bekanntheit gebracht. Im Interview erzählen die beiden, was sie bewegt, was sie verbindet und was sie nach Sinsheim führt.

Mit 23 Jahren sind Sie jüngster Botschafter der „Klima Arena“ in Sinsheim. Was bedeutet Ihnen das?

Felix Finkbeiner: Sehr viel. Als ich eingeladen wurde, für die Klima Arena Pate zu stehen, ging es auch darum zu zeigen, welche Rolle Bäume bei der Klimakrise spielen. Sicher retten sie nicht alleine die Umwelt, aber sie schenken uns als natürliche CO2-Senken 15 zusätzliche, wertvolle Jahre, um die weltweiten Emissionen zu drosseln. Wichtige Zeit, die wir dringend nutzen müssen.

Darum wollen Sie in Afrika und Südamerika eine Billion Bäume pflanzen?

Felix Finkbeiner: (lacht) Naja, Bäume sind nun mal eine wichtige Maßnahme für die Reduktion der CO2-Emissionen auf null – spätestens seit der Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 wissen wir ja, dass das menschgemachte CO2 verantwortlich für die Klimakrise ist (und trotzdem haben wir unseren Kohlendioxidausstoß seither absolut nochmals verdoppelt). Eine Billion Bäume klingt vielleicht irgendwie komisch. Doch das ist die Anzahl, die sich weltweit wiederherstellen lässt, ohne in Siedlungsgebieten oder Wüsten pflanzen zu müssen oder in Konkurrenz zur Landwirtschaft zu treten. Bäume in tropischen Regionen wachsen schneller und binden daher auch viel schneller und größere Mengen CO2. Für einen Baum in Lateinamerika rechnen wir mit einer Daumengröße von 200 Kilogramm gebundenem Kohlendioxid in 20 Jahren. Auch eine Studie des Crowther Lab der ETH Zürich im Jahr 2019 hat gezeigt: in Afrika, Südamerika und Asien gibt es ein riesiges Potenzial für Wiederaufforstung. Wenn viele mitmachen, können wir es also schaffen!

Nun gab es Felix ja schon vor Greta Thunberg – ist Ihr Sohn der Donnerstag vor „Fridays for Future“?

Frithjof Finkbeiner: 1992 sprach Severn Suzuki in Rio und hielt uns ‚Alten‘ den Spiegel vor, 2011 sprach Felix in New York, und heute sind es Greta, Louisa, Carla, Linus, Jacob, …. endlich ganz viele. Weil Felix massiv von neurechten und den ewiggestrigen Klimaleugnern angegriffen wurde, haben wir unsere ‚Akademien‘ erfunden, so dass Felix zusammen mit vielen Gleichgesinnten agieren konnte. Für die Kinder organisierten wir seit 2010 regelmäßig Kinderkonferenzen, für die Jugendlichen seit 2015 den Youth Summit. Im Mai 2015 kamen so knapp 100 Jugendliche aus 21 Ländern im Schloss in Tutzing zusammen und entwickelten in den fünf Tagen viele Ideen. In der Folge organisierten sie weltweit Dutzende von Schulstreiks. Viele Botschafter von Plant-for-the-Planet schlossen sich logischerweise der wesentlich politischeren „Fridays for Future“-Bewegung von Greta Thunberg an und Plant-for-the-Planet führt bis heute noch das Bankkonto von „Fridays for Future“.

Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm: Auch Sie sind für eine nachhaltig verantwortungsvoll handelnde Gesellschaft aktiv.

Frithjof Finkbeiner: Ein schönes Bild, gerade wenn man vom Bäume pflanzen spricht. Meine Frau und ich widmen seit 26 Jahren jede freie Minute dem bürgerschaftlichen Engagement. Das ist natürlich auf unsere Kinder übergesprungen. Dass sich allein bei Plant-for-the-Planet bis heute über 91.000 Kinder und Jugendliche aus 75 Ländern als Botschafter für Klimagerechtigkeit eingesetzt haben, zeigt doch: die jungen Leute haben Erwartungen, sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft und wollen, dass die Erwachsenen etwas unternehmen.

Felix Finkbeiner: Mein Vater war in Berlin als Baustoffhändler selbständig, hatte Anfang der 90er Jahre seine betagten Eltern in Augsburg vor dem Konkurs gerettet und diesen auf sich genommen. Diese Zäsur nutzten meine Eltern, um zu heiraten und dort anzuknüpfen, wo sie sich als Studenten kennengelernt hatten, unter dem Slogan „Eine andere Welt ist möglich“. So wurde ich in eine Familie geboren, die nicht über Fußball und Autos sprach, sondern über die Schere zwischen arm und reich und die Klimakrise. Der Eisbär war damals mein Lieblingstier und so entwickelte ich meinen Plan ihn zu retten: mit Bäumen. Dass es dabei um viel mehr als die Eisbären geht, habe ich erst später erkannt.

Was hat Sie einst dazu bewegt, sich für die Umwelt einzusetzen?

Frithjof Finkbeiner: ‚Die Grenzen des Wachstums‘ vom Club of Rome und die ‚Kunst des Liebens‘ von Erich Fromm haben mich als junger Mensch geprägt. Der Gründer des Club of Rome, übrigens ein Unternehmer, verfolgte die Vision, den Menschen vor seiner Gier zu schützen, es gibt kein grenzenloses Wachstum in einer begrenzten Welt. Das ist trivial, dennoch herrscht auch 50 Jahre nach dem Buch „Limits of Growth“ noch der egoistische Irrglaube vor von Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das Einzige, was wachsen darf sind Bäume, die Kooperation der Menschen und Völker untereinander und Solarparks.

Deswegen Ihr Engagement als Aufsichtsratsvorsitzender bei Desertec?

Frithjof Finkbeiner: Es liegt auf der Hand, die Sonne schreibt uns keine Rechnung: Wir sind in Deutschland ein Prozent der Weltbevölkerung und verantworten zwei Prozent der CO2-Emissionen – diese können wir hierzulande mit Verzicht allein um ein Prozent reduzieren. Sollten wir aber erfolgreich dazu beitragen, dass die Menschen weltweit eine Billion Bäume pflanzen, bewirken wir schon einen Hebel von etwa 20 Prozent CO2-Reduzierung, zumindest temporär. Und sollten Europa und Afrika einen Großteil ihrer Energie aus den Wüsten Nordafrikas decken, tragen wir weitere etwa 20 Prozent Reduzierung von CO2-Emissionen bei. Weltweit sind aktuell 1.400 neue Kohlekraftwerke in 59 Ländern in Planung oder im Bau, davon fast 1.000 in unserem Partnerkontinent Europa. Gehen sie in Betrieb, steigen die weltweiten CO2-Emissionen um jährlich 10 Milliarden Tonnen an. Oder in anderen Worten: um 25 Prozent. Es wäre also auch in unserem Interesse, wenn die reichen Nationen in die Energieerzeugung in den Wüsten der Welt investieren: Auf einer Fläche von nur 300 mal 300 Kilometer in den Wüsten der Erde könnten wir Energie für die gesamte Menschheit produzieren; jedes Jahr, in dem die Kohlekraftwerke in Deutschland früher als geplant abgeschaltet werden, spart 200 Millionen Tonnen CO2 ein. Gleichzeitig schaffen Solarparks eine unbegrenzte saubere Exportressource. „Energiegeld“ könnte schon sehr bald das „Entwicklungsgeld“ ersetzen. Ich wünsche mir, dass Europa und Afrika sich als Partnerkontinente verstehen und sehr eng zusammenarbeiten. Afrika hat Platz für 500 Milliarden Bäume und fantastische Wüsten, um saubere Energie und Wohlstand für alle Bürger der beiden Kontinente zu liefern und wir Europäer haben das Geld. Kreativität, Engagement und Intelligenz ist auf beiden Kontinenten gleichermaßen vorhanden. Zeigen wir der Welt, wie arm und reich nachhaltig zusammenarbeiten kann. Wir müssen begreifen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, besser einem Kreuzfahrtschiff, eine kleine Gruppe in Luxuskabinen und der größte Teil unter Deck in Sammelunterkünften, aber wenn wir untergehen, ist das egal.

Was müsste in Industrie und Handel zugunsten der Natur, zugunsten noch kommender Generationen denn unbedingt geschehen?

Felix Finkbeiner: Als ich 2011 meine Rede vor der UNO in New York halten durfte, habe ich ein Bild verwendet, das immer noch passt: „Ein Moskito kann nichts gegen ein Nashorn, aber 1.000 Moskitos können bewirken, dass ein Nashorn die Richtung ändert.“ Und das lässt sich wunderbar auf jedes einzelne Unternehmen anwenden. Je mehr Unternehmer Verantwortung übernehmen, indem sie sich klimaneutral aufstellen und zusätzlich für das Bäume pflanzen und den Walderhalt einsetzen, desto mehr haben wir eine Chance, die Klimakrise noch abzuwenden. Heutige Vorwürfe wie „Ablasshandel‘“, „Greenwashing“ und „Freikauf“ sind kontraproduktiv.

Bill Gates zieht in seinem Buch die Bilanz, nur durch Kernkraft und mehr Innovation lasse sich der Klimawandel stoppen wie sehen Sie das?

Frithjof Finkbeiner: Ich schätze Bill Gates sehr, als einen großen Denker, Visionär und vorbildlichen Philanthropen. In diesen beiden Punkt bin ich anderer Meinung, denn Atomenergie ist zu teuer und damit nicht wettbewerbsfähig, und das Erstellen neuer Meiler dauert viel zu lange, das sehen wir derzeit an Frankreich und Finnland. Wenn wir dann noch an die Halbwertszeit denken oder an das Interesse mancher Länder an spaltbarem Material für ihr Militär, dann scheidet Atom vollständig aus. Seinem zweiten Argument, der Innovation, stimme ich schon eher zu, wobei uns auch hier bewusst sein muss, dass wir all die Technologie, alles Wissen und alles Geld schon heute haben, um weltweit 100prozentig sauber in Wohlstand leben zu können, auch mit 10 Milliarden Menschen. Es gibt kein Erkenntnisproblem mehr, sondern wir müssen endlich handeln und das tun, von dem wir längst wissen, dass wir es tun müssen: Hätten wir die Kreativität, die seit 2003 in Betrugssoftware geflossen ist, in die Zukunft investiert, wäre Deutschland weiterhin führend in sauberer Mobilität. Die Gier Einzelner zerstört den jungen Menschen die Zukunft. Alt und Jung müssen generationenverbindend zusammenarbeiten und die Herausforderungen gemeinsam anpacken, denn wir haben eine 30protenzige Chance, die Kurve in Nachhaltigkeit zu kriegen. „Eine andere Welt ist möglich!“ Die Regeln sind menschgemacht und wir können diese Regeln ändern, wir können aber nicht die Regeln der Physik ändern.

Sie sind Träger des Bundesverdienstkreuzes, Ihr Vater wurde unter anderem mit der Umwelt-Nana ausgezeichnet – über was unterhalten Sie sich eigentlich am Abendtisch, wenn Sie zusammentreffen?

Felix Finkbeiner: Wir sind eine Familie wie andere auch, da kommen viele Themen zusammen. Natürlich ist Plant-for-the-Planet ein Thema, das uns alle verbindet, weil es schon so früh angefangen hat und nicht nur ich, sondern auch meine Eltern und Schwestern von Anfang an geholfen haben, das alles zu organisieren. Politische und gesellschaftliche Themen sind bei uns immer en vogue. Da geht der Gesprächsstoff nicht aus.

Interview: Melanie Boujenoui