Manche Firmen wagen bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern den Blick ins Ausland. Wie die Firma Rommelag, die vor sechseinhalb Jahren eine Spanierin aufnahm, die sich vom Lehrling zur Konstrukteurin hochgearbeitet hat – ein Beispiel, wie dieser Weg gelingen kann.
Maite Zalduendo zeichnet gerne. Technische Zeichnungen. Deshalb hat sie auch angefangen, Maschinenbau zu studieren – in Spanien, ihrem Heimatland. Wohlwissend, dass sie mit einem Abschluss keinen Job kriegen würde. Glücklicherweise wollte es das Schicksal, dass die junge Frau auf einen Zeitungsartikel stieß, der der Stein des Anstoßes für ein berufliches Wagnis sein sollte. „Ich habe einen Bericht über ein Programm namens Mobi-Pro EU gelesen und dachte mir: Warum nicht?“, erinnert sich die heute 35-Jährige. Das war 2014.
Ohne zu zögern schrieb sie einen Lebenslauf und bewarb sich für das Pilotprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Es folgte ein Bewerbungsgespräch in Pamplona, an dem auch ein Techniker aus Stuttgart teilnahm, der Zalduendos Bewerbung nach Deutschland mitnahm. Kurze Zeit später erhielt sie eine positive E-Mail von der Firma Rommelag, die ihr bis dato kein Begriff war. Bereits einige Wochen später konnte die Spanierin ihre Ausbildung in Sulzbach-Laufen beginnen. Mit nur rudimentären Deutschkenntnissen. „Ich habe in Pamplona zwei Monate lang Deutsch gelernt“, erzählt sie im Videocall. Das musste erst mal ausreichen.
Das Programm, mithilfe dessen Zalduendo zu ihrem Ausbildungsplatz beim Sondermaschinenbauer Rommelag im Landkreis Schwäbisch Hall kam, richtete sich im Zeitraum 2014 bis 2020 an Jugendliche aus Europa, die an einer Ausbildung in Deutschland interessiert waren. Auch die Firma Rommelag wurde darauf aufmerksam – und ergriff die Chance, von einer Kooperation zu profitieren. „Die Rommelag-Geschäftsführung legt großen Wert darauf, ambitionierten Personengruppen aus dem Ausland eine Möglichkeit der langfristigen Zusammenarbeit in Sulzbach-Laufen zu bieten“, erklärt Annelen Reichert aus der Abteilung Human Resources. Damals wie heute scheue man sich nicht vor Bewerbern mit Migrationshintergrund. Aktuell beschäftigt Rommelag einen jungen Mann aus Afghanistan, dem das Unternehmen nach einer einjährigen Anstellung als Hilfsarbeiter mit einem Start in die Ausbildung eine berufliche Perspektive bieten möchte. „Weitere Projekte, ähnlich dem Mobi-Pro-Programm sind geplant, aufgrund der aktuellen Pandemie verlaufen die Planungen allerdings schleppender.“
Begeistert vom dualen Studium
Als Maite Zalduendo in Hohenlohe ihren neuen Lebensabschnitt begann, besuchte sie zweimal die Woche einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Schwäbisch Hall. Ebenfalls zweimal wöchentlich erlernte sie in der Berufsschule wichtige theoretische Grundlagen für ihre praktische Tätigkeit. „Das war am Anfang chaotisch“, weiß die Tochter einer Lehrerin und eines Pensionärs noch ganz genau. „Ich habe sehr vieles nicht verstanden, was die Lehrer erklärt haben.“ Doch sie kämpfte sich durch, beendete ihre Ausbildung zur Industriemechanikerin 2017 und wurde von Rommelag übernommen. Das reichte der engagierten jungen Frau, die in ihrer Heimat als Nachhilfelehrerin für Mathe und Physik gearbeitet hatte, allerdings nicht aus. Sie entschied sich, ein duales Studium im Bereich Maschinenbau oben draufzusetzen.
Hierin bestärkte sie auch ihr Arbeitgeber, wofür Zalduendo heute noch ausgesprochen dankbar ist. Auch wenn sie bereits in Spanien ein Maschinenbaustudium angefangen hatte – dieses war nicht vergleichbar mit dem, wofür sie sich in Heidenheim einschrieb, zumal das duale System etwas völlig Neues für die Sulzbach-Laufenerin war. „In Spanien gibt es keine dualen Hochschulen. Ich finde es super, dass diese Möglichkeit in Deutschland existiert.“
Jeden Abend Skype
Mit dem Studienabschluss in der Tasche ist Zalduendo seit 2020 als Konstrukteurin bei der Firma, die sie ausgebildet hat, tätig. Zu ihrem Kerngeschäft gehören 3D-Modell-Zeichnungen und Berechnungen für Aseptikventile, die sie mittels eines CAD-Programms erstellt. In ihrer Abteilung arbeiten neun weitere Kollegen. Doch aufgrund der Coronapandemie gehen die meisten ihren Aufgaben im Homeoffice nach. Die 35-Jährige kommt jedoch lieber ins Büro, welches für sie praktischerweise fußläufig von ihrer Wohnung zu erreichen ist. „Ich lebe allein. Deshalb gehe ich lieber ins Geschäft, wo ich wenigstens ein paar andere Menschen sehe“, meint sie schmunzelnd.
Auf ihre Familie in der Heimat angesprochen verrät die Konstrukteurin, dass sie Einzelkind ist und demnach ihre Eltern – neben ihren Freunden natürlich – die einzigen Bezugspersonen in dem 1000-Einwohnerdorf sind, aus dem sie ursprünglich stammt. „Im Sommer besuche ich meine Mutter und meinen Vater oder sie kommen nach Deutschland“, erzählt sie. Auch über Weihnachten 2020 war Zalduendo bei ihrer Familie. Und auch wenn sie sich persönlich nicht so oft treffen können, so tauscht sich die ambitionierte Rommelag-Mitarbeiterin jeden Tag per Skype mit ihren Eltern aus. „Wir essen jeden Abend gegen acht oder halb neun gemeinsam zu Abend und sprechen über unseren Tag“, verrät Zalduendo. Obwohl sie ihre Familie vermisst und ihr Vater ihr regelmäßig Fotos von neuen Stellenanzeigen aus Spanien schickt, trägt sich die junge Frau nicht mit dem Gedanken, in die Heimat zurückzukehren. „Ich fühle mich wohl hier.“
Olga Lechmann