Engpass im Kreißsaal

Sie sind unverzichtbar – denn ohne sie kommt in Deutschland kaum ein Kind zur Welt: Hebammen. In Kliniken und in der freien Geburtenhilfe gehört diese Branche zu den wichtigen Pfeilern. Doch dieser Pfeiler gerät zunehmend ins Wanken.

Werdende Mütter stehen vor großen Problemen: Für sie wird es immer schwieriger, eine Hebamme zu finden. Denn diese sind zur Rarität geworden. Der Grund: Die Frauen haben mit immer größeren Belastungen zu kämpfen, die sie allein kaum stemmen können. Aktuelles Beispiel: Seit Juli sind die Beiträge zur Berufshaftpflicht für freiberufliche Hebammen um bis zu 23 Prozent gestiegen. Das sind 6274 Euro im Jahr – Kosten, die die ohnehin nicht üppig verdienenden Frauen selbst schultern müssen. „Bereits in der Vergangenheit konnten viele die steigenden Haftpflichtkosten aufgrund anhaltend niedriger Vergütung nicht erwirtschaften“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Deutschen Hebammenverband e.V.

Die Folgen liegen auf der Hand und sind immer deutlicher spürbar: Mehr und mehr Hebammen sehen sich gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben. Gleichzeitig entscheiden sich immer weniger Frauen dafür, den Beruf überhaupt zu erlernen. Es lohnt sich – vor allem aus wirtschaftlicher Sicht – einfach nicht. Die Nachfrage nach Hebammen ist aber groß. Für diejenigen, die den Beruf ausüben, wächst somit die Belastung um ein Vielfaches. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, die für die Branche sprechen. Steht der Beruf jetzt vor dem Aus?

Man stelle sich folgende Situation vor: Die Wehen setzen ein, man fährt ins Krankenhaus, der Kreißsaal aber hat Feierabend. Geburten sind lediglich zwischen 7 und 17 Uhr möglich. Ausnahmen nur in absoluten Notfällen. Etwas übertrieben? Leider nein. Auf dieses Szenario mussten sich im Mai und Juni Gebärende in einem Krankenhaus in Bruchsal einstellen. Warum? Der 24-Stunden-Betrieb konnte nicht aufrechterhalten werden – Hebammen waren Mangelware. Patienten mussten mit umliegenden Krankenhäusern Vorlieb nehmen.

So drastisch stellt sich die Situation in Heilbronn-Franken noch nicht dar. Dennoch: Auch hier stehen Schwangere oft vor dem Problem, eine Hebamme zu finden, die sie vor, während und nach der Geburt betreut. „Ich konnte nur sehr schwer eine Hebamme finden, die mich durch die ganze Zeit begleitet“, sagt eine junge Mutter aus Bühlerzell, die im Juni entbunden hat, ihren Namen aber nicht nennen möchte. „Die Hebammen in der Umgebung waren schlichtweg überlastet.“ Auch Christine Ewig aus Untermünkheim hatte Schwierigkeiten bei der Suche. „Ich habe bei vier Frauen nachgefragt. Alle haben mir abgesagt, weil sie keine Kapazität mehr frei hatten“, erinnert sich die dreifache Mutter. Erst bei der fünften Anfrage hat es schließlich geklappt. „Eigentlich hätte auch sie mich abgelehnt. Es war ein Freundschaftsdienst, der aus der vergangenen Schwangerschaft resultiert ist. Und ich hatte Glück, dass sie im Nachbarort wohnt. Ob sie es sonst gemacht hätte, weiß ich nicht.“

Dass dieser Zustand keine Ausnahme ist, weiß Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Hebammenverbandes Baden-Württemberg: „Kolleginnen lehnen derzeit durchschnittlich fünf bis sieben Anfragen pro Woche ab“, schildert sie. „Frauen müssen mitunter 20 bis 40 Hebammen kontaktieren, um noch eine zur Betreuung zu finden. Dadurch haben die Anfragen an den Verband deutlich zugenommen – sozusagen als letzte Instanz, eine Versorgung zu finden.“ Den Rückgang erklärt sich Eichenauer wie folgt: „Schlechte Rahmenbedingungen.“ Geringe Vergütung einerseits, wachsende administrative und organisatorische Aufgaben andererseits.

Dass diese Belastung nicht ohne Folgen bleibt, ist vorstellbar. „Burnout ist weit verbreitet und mit ein Grund für die Berufsaufgabe. Zum Wohl der Mütter und deren Kinder haben Hebammen zu lange kompensiert und Lücken gestopft. Das rächt sich jetzt.“

Die Situation gleicht einem Teufelskreis. Denn auch in Zukunft wird es wohl nicht besser um die Branche bestellt sein – wenn sich nichts ändert. „Wir wissen, dass in zirka fünf Jahren viele Kolleginnen aus Altersgründen die Arbeit niederlegen. Nachwuchs gibt es zu wenig beziehungsweise die Kolleginnen scheiden zu früh aus dem Beruf aus.“ Es muss etwas passieren, wenn die Versorgung von Mutter und Kind weiter gesichert sein soll.

Lydia-Kathrin Hilpert